Werner knallhart
Quelle: dpa

Jetzt noch schnell die WM 2022 verlegen?

Die Leichtathletik-WM in Katar frustriert die Sportler: Wüste, Hitze, leere Ränge, schlechte Stimmung. Ist das nicht ein Zeichen für die Fußball-WM in drei Jahren? Die könnte noch in die freie Welt verlegt werden. Doch Katar geht es um den Island-Bielefeld-Effekt. Eine Überlegung aus dem Bauch heraus.

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Zwei Dinge sprechen für die Fußballweltmeisterschaft 2022 in Katar. Erstens: Sie könnte für die Fifa wieder ein Riesengeschäft werden (sonst würden die das nicht machen wollen). Zweitens: Sie wird im Dezember ausgetragen. Dann wird es nicht mehr so heiß sein wie während der Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2019. Bei der arbeiten die Sportler momentan wegen der unmenschlichen Hitze an der Grenze zum Kreislaufzusammenbruch daran, ihre Wettkämpfe irgendwie zu überleben.

Klingelnde Kassen und erträgliches Wetter. Reicht das, um die Nachteile für die Fans zu rechtfertigen?

Für die ist schließlich schon die Austragung im kalten Dezember störender. Katar hat 2,7 Millionen Einwohner. Denen zuliebe werden potenziell allein 500 Millionen EU-Bürger, 330 Millionen US-Amerikaner, 37 Millionen Kanadier, 144 Millionen Russen bei Schneeregen in feucht-heißen Kneipen oder gleich zuhause zuschauen müssen. Statt beim Public Viewing draußen. Zwar würden nicht alle Norderdbürger in ihrem Sommer draußen Fußball gucken. Aber diejenigen, die wollen, müssen sich im Dezember 2022 verkriechen.

Da wäre es doch erfrischend, wenn es noch etwas Überzeugenderes gäbe, das für eine WM in Katar spräche.

Aus Sicht von Katar gibt es das natürlich: Einem solch kleinen Emirat kommt es darauf an, den Menschen dieser Welt ein Begriff zu sein. „Island verbietet den Ausschank von Alkohol nach 21 Uhr“ würde weltweit für fettere Schlagzeilen sorgen als „Bielefeld verbietet den Ausschank von Alkohol nach 21 Uhr“. Obwohl das Ausmaß dieser Entscheidung gleich groß wäre. Island und Bielefeld haben gleich viele Einwohner: 330.000.

Aber Island genießt eben eine größere Bekanntheit. Auf diesen Effekt setzt auch Katar. Bekanntheit schützt nämlich auch davor, im Falle eines militärischen Überfalls in dieser Krisenregion vom Rest der Welt ignoriert zu werden. Eine WM schafft Solidarität.

Aber sagen wir so: Aus Sicht des Fußballs spricht doch nichts für Katar außer das Riesengeschäft. Die Frage ist also: Sollten wir vielen Millionen WM-Gucker und Stadion-Geher uns solidarisch zeigen mit einem Land, das gerne einen Ruf von Welt aufbauen möchte? Hat Katar die Opfer der Fans verdient?

Die Funktionäre betonen ja immer wieder, wenn Spieler ihre Meinung zum Weltgeschehen kundtun: Der Fußball ist nicht politisch. So gesehen könnten auch die Fans fragen: Was haben wir mit der Katar-Krisen-Vorsorge zu tun?

Aber Fußballfans sind eben nicht nur grölende Stresshormonschleudern mit Bier in der Hand, sondern es sind denkende Menschen mit Moral im Leib. Fußballfans sind auch manchmal Urlauber und denken darüber nach, ob es noch vertretbar ist, aus Spaß eine Fernstrecke zu fliegen oder auf ein Kreuzfahrtschiff zu gehen. Fußballfans sind Arbeitnehmer, verfolgen die Metoo-Debatte und setzen sich für Respekt unter den Geschlechtern ein. Leute, die Fußball mögen, haben auch eine Meinung zur Würde von Einwanderern und zur Einhaltung von Menschenrechten, auch von Homosexuellen.

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