Werner knallhart

Deutsche Bahn im WLAN-Wahn

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Lassen Sie sich einfach kurz vor Abfahrt enttäuschen

Aber innerdeutsch konkurriert die Bahn hier mit dem Fernbus, der die Bahn mit seinem kostenlosen WLAN an Bord erst ins Schleudern gebracht hat.

Und wie soll das limitierte Kontingent denn berechnet werden? Im Flugzeug fliegen alle gleich weit. Bei der Bahn fahren einige Leute eine halbe Stunde von Köln nach Wuppertal, andere bleiben bis nach Berlin über vier Stunden an Bord. Bekommen die Weitfahrer mehr Volumen? Nur das wäre gerecht. Aber die Bahn hat darüber nach eigenen Angaben noch nicht einmal entschieden.

Ich persönlich will die Möglichkeit haben, auf meiner Fahrt von München nach Hamburg durchgängig und kostenlos Live-Nachrichten und Serien aus dem Internet zu streamen. Das ist zeitgemäßer Standard. Das bekommt man in jedem Uni-Café. Bei Netflix etwa bedeutet eine Stunde Streamen in mittlerer Auflösung 0,7 GB pro Stunde, auf einer Fahrt von München nach Hamburg macht das rund 4,2 GB, mit Verspätung 5 GB.

Das muss das Netz an Bord schon leisten. Und zwar durchgängig stabil.

Ob das klappt? Reisende der 1. Klasse werden schon seit vielen Monaten damit bezirzt, das WLAN unterwegs unbegrenzt nutzen zu können.

Wer nach Grubes Umbau im Bahn-Vorstand sitzt
VorstandsvorsitzenderRüdiger Grube (64) ist seit Mai 2009 Vorsitzender des Vorstands. Sein Vertrag läuft bis Ende 2017. Quelle: dpa
FinanzvorstandRichard Lutz (51), zuständig für Finanzen und Controlling, verantwortet zusätzlich für die internationale Bustochter Arriva und die Gütertransporte jenseits des Schienenverkehrs zuständig sein (Lastwagen, Schiff, Flugzeug). Quelle: REUTERS
Vorstand für Infrastruktur und DienstleistungenVolker Kefer (60) ist seit Herbst 2009 im Vorstand. Er fungiert inzwischen als Stellvertreter Grubes und wie zuletzt das Ressort Infrastruktur und Dienstleistungen leiten, ergänzt um Teilbereiche der Technik. Die Aufgaben der Techniksparte wurden nach dem Weggang ihrer Chefin Heike Hanagarth verteilt Quelle: dpa
PersonalvorstandUlrich Weber (66 ), Personalvorstand, ist aus dem langen Tarifkonflikt mit der Lokführergewerkschaft GDL bekannt. Er durfte bleiben. Quelle: dpa
RechtsvorstandRonald Pofalla (56), löste Gerd Becht (63) als Konzernvorstand für Regeltreue, Datenschutz, Recht und Konzernsicherheit ab. Außerdem behält der Ex-Kanzleramtschef seine bisherige Aufgabe bei der Bahn: die Kontaktpflege zu Politikern im Bund und bei der EU in Brüssel. Quelle: dpa
Vorstand Personen- und GüterverkehrBerthold Huber (52), war bis August 2015 Chef der Bahntochter DB Fernverkehr. Seitdem leitet er als Vorstandsmitglied nicht nur den gesamten Personenverkehr, sondern auch die Güterbahn. Quelle: dpa
AusgeschiedenUlrich Homburg (60) schied im August 2015 als Vorstand für den Personenverkehr aus dem Gremium aus. Berthold Huber ersetzt aber nicht nur Homburg, sondern auch... Quelle: dpa

Und es fühlt sich an wie die Geburt des eigenen Kindes, wenn es tatsächlich mal hinhaut. Die Einführung des kostenlosen WLAN in der 1. Klasse hat den Datenverkehr derartig explodieren lassen, dass das Netz regelmäßig überlastet ist.

Auf sämtlichen Stichproben der vergangenen sechs Fahrten mit zwei iPhones und einem iPad war das Einloggen nach mehreren Versuchen, verteilt über mehrere Stunden, nur mit einem Gerät für etwa zwanzig Minuten möglich. In einem meist halb leeren Waggon. Wer an Bord arbeiten möchte und auf das Internet angewiesen ist, kann es vergessen. Zu heikel. Und dieser Service wird von der Deutschen Bahn selbstbewusst beworben! Wie soll das erst in der viel stärker frequentierten 2. Klasse werden?

Merkt man an Bord an, die versprochene und bezahlte Leistung nicht zu bekommen, hört man von der Zugbegleiterin heute noch mitunter: "Beschweren Sie sich bei der Telekom. Das WLAN ist nicht unsere Sache."

Und in knapp sechs Monaten soll alles anders sein - 2. Klasse inklusive? Es wäre ein Bahn-Wunder!

Die wichtigsten Firmenübernahmen der deutschen Bahn

Zurzeit sind neun ICEs testweise mit dem neuen Internet in Deutschland unterwegs. Folge: Gar kein Empfang für Passagiere. Nur für die Techniker. Welche Verbindungen davon betroffen sind, kann die Bahn nicht sagen. Lassen Sie sich einfach kurz vor Abfahrt enttäuschen.

Erst ab August, fünf Monate vor dem großen Rollout, wird dann mit Passagieren getestet.

Nach der Testphase müssen noch hunderte von ICE umgerüstet werden. Das Spektakuläre ist, dass die Bahn so kurz vor Start immer noch keinen endgültigen Rückzieher macht und das Startdatum nicht kassiert. Irgendwas scheint sie in Sicherheit zu wiegen. Irgendein rhetorischer Trick? WLAN ja, aber kein Internet? Oder vielleicht verteilen sie ab Silvester kostenlose Kekse der neuen Marke WLAN-Cookies und rufen "Hier! Euer WLAN! Reingefallen!"

In knapp sechs Monaten wissen wir es! Gott, ist das spannend.

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