
Es gibt längst keinen vernünftigen Grund mehr, Lufthansa anderen Fluggesellschaften vorzuziehen. Also aus Kundensicht jetzt. Die Piloten haben es natürlich gut. Sie kassieren noch Mondgehälter aus Zeiten, in denen Luftfahrt noch Glamour hatte und Piloten noch wie Ärzte verehrt wurden. Dieses Glück hatten Lokführer nie. Aber ich schweife ab.
Aus Kundensicht unterscheiden sich Fluggesellschaften im Wesentlichen noch im Preis und in der Lackierung der Maschine. Aber sonst?
Ich bin seit Jahren keine Fernstrecke mehr mit Lufthansa geflogen. Am Sonntag war es für mich mal wieder soweit. Und ich war gespannt. Der Flug ging von Berlin über Frankfurt nach Brasilien (für den Rückflug stellte ich mich auf einen zuverlässigeren Carrier ein).





Nach wenigen Stunden war mir klar: Die Qualität des Services an Bord unterscheidet sich tatsächlich von der anderer Gesellschaften. Aber nicht zugunsten von Lufthansa. Darunter leiden aber nicht nur die Kunden, sondern auch das Personal.
1. Sicherheitsinstruktionen an Bord nicht mehr für alle Passagiere
Auch bei Lufthansa kostet es mittlerweile extra, wenn man zusammensitzen will. Eigentlich ein alter Billigfliegertrick. So erscheint man in der Trefferliste der Flugsuchmaschinen wie Swoodoo oder Skyscanner mit attraktiven Preisen schön weit oben. Und extra abgesahnt wird ganz legal dann später im Buchungsvorgang. Der ursprünglich angegebene Preis gilt also etwa nur für Familien, denen es Wurscht ist oder sogar entgegenkommt, wenn sie auf einem 11-Stunden-Flug getrennt und bunt verteilt in der Maschine platziert werden und sich nur zu sehen bekommen, wenn einer mal austreten muss.
Wir haben uns diese Extrakosten für den Flug von Berlin nach Frankfurt gespart. Und haben gelernt: Man bekommt dann prompt die miesesten Plätze. Im Airbus A320-200 sind es bei Lufthansa die in Reihe 5. Die Reihe 5 ist die erste Economy-Reihe hinter der Business. Die zwei Klassen werden ja normalerweise mit einem Vorhang abgetrennt.
Bei Lufthansa ist dieser Vorhang aber mit Plastik verstärkt und hing uns derart dicht vor den Visagen, dass es kaum möglich war, ihn mit den Augen scharf zu stellen. Außerdem hing er starr über dem Fach mit den Zeitschriften vor uns. Wer die Karte mit den Sicherheitsanweisungen entnehmen wollte, müsste ganz schön fummeln.
Apropos Sicherheit: Wer im Vorfeld nicht für seine Platzwahl extra bezahlt, dem wird unter Umständen die mündliche Sicherheitsunterweisung durch die Flugbegleiter verwehrt. Nicht, dass ich diese nicht schon an die dreihundert Mal gesehen hätte. Aber ist es nicht vorgeschrieben, alle Passagiere zu instruieren? Zumindest die, die freiwillig hingucken? Von den äußeren und mittleren Plätzen A, B, E und F in Reihe 5 aus sieht man nichts. Außer dem blauen Vorhang. Oder genauer: Vom Fensterplatz aus sah ich null, mein Nachbar sah, wie er aussagte, "kurz mal die Nase." Fluggäste, die die Sicherheitsmaßnahmen nicht kennen, müssten also streng genommen extra bezahlen, um garantiert von weiter hinten an Bord die Einweisung mitzubekommen. Sicherheit nur gegen Aufpreis.
Oder das Personal kompensiert die baulichen Nachteile an Bord und führt die Show extra noch einmal für Reihe 5 vor. Bislang offenbar noch nicht tarifvertraglich geregelt. Aber jede Lösung wird auf dem Rücken der Angestellten ausgetragen. So viel ist sicher.
Ausbaden, was andere verbockt haben
2. W-Lan funktioniert nicht ordentlich
Schon vor der Reise pries die Lufthansa per E-Mail ihr sagenhaftes W-Lan an Bord an. Ich war auf sagenhafte Gebühren gefasst, aber zu meiner Überraschung gab es gerade ein Angebot: Wer mit Paypal bezahlt, zahlt für 24 Stunden knapp 13 Euro. Ohne Kontingent-Begrenzung. Wunderbar, ich wollte an Bord ein bisschen arbeiten und chatten über den Wolken macht Spaß.
Welche Rechte Fluggäste bei Streik haben
Die Verbraucherzentrale NRW erklärt, welche Rechte betroffene Fluggäste haben.
Die Airline muss laut EU-Verordnung einen Ersatzflug zum nächstmöglichen Zeitpunkt anbieten. Alternativ können Fluggäste bei Annullierung des Flugs vom Luftbeförderungsvertrag zurücktreten und sich den Flugpreis erstatten lassen.
Bei Ausgleichszahlungen ist die Lage strittig. Nach bislang überwiegender Ansicht gelten Streiks als "außergewöhnliche Umstände", und dann braucht die Fluggesellschaft nicht zu zahlen.
Findet der Flug verspätet statt, sichert die europäische Fluggastrechte-Verordnung folgende Rechte zu: Anspruch auf kostenlose Betreuung besteht ab zwei Stunden Verzögerung bei Kurzstrecken (bis 1500 km), ab drei Stunden bei Mittelstrecken (bis 3500 km) und ab vier Stunden bei Langstrecken. Die Airline muss dann für Mahlzeiten, Erfrischungen, zwei Telefongespräche, Telexe, Faxe oder E-Mails sowie eventuell notwendige Hotelübernachtungen (falls sich der Flug um einen Tag verschiebt) samt Transfer sorgen.
Wollen die Fluggäste die Reise bei einer mehr als fünfstündigen Verspätung nicht mehr antreten, können sie ihr Geld zurückverlangen.
Der Reiseveranstalter ist der erste Ansprechpartner, wenn der ausfallende Flug Teil einer Pauschalreise ist. Auch der Veranstalter hat die Pflicht, schnellstmöglich für eine Ersatzbeförderung zu sorgen.
Erst, wenn der Flieger mehr als vier Stunden verspätet ist, kann je nach Flugstrecke ein Reisemangel vorliegen. Dann können für jede weitere Verspätungsstunde fünf Prozent des Tagesreisepreises vom Veranstalter zurückverlangt werden.
Wenn durch den Streik Reiseleistungen ausgefallen sind, haben Urlauber die Möglichkeit, nach ihrer Rückkehr den Preis der Reise zu mindern.
Das Blöde: Eine Bezahlung per Paypal war nicht möglich. Der Telekom-Hotspot forderte uns ständig auf, ein neues Konto anzulegen. Ein Login ins bestehende Paypal-Konto war einfach nicht erlaubt. Zigfach haben wir es probiert: Bevor man auch nur den ersten Buchstaben in die Anmeldemaske eintippen wollte, wurde man plötzlich umgeleitet. Das Spezialangebot war also Schrott. Kein Verlass. Dazu passt das hilflose Schulterzucken des Stewards. Er stand doof da. Denn er fliegt für den Laden und kann doch den Fehler im System nicht korrigieren.
3. Das falsche Essen
Das ist nun wirklich Standard und das können selbst runtergekommene Gammel-Airlines. Bei der Buchung fragen: "Was wollen Sie an Bord essen?" und es dann auch an Bord servieren. Aber Lufthansa hat das überfordert. Das war mir bislang nur einmal passiert. Bei Emirates. Als das an Bord auffiel, füllten die peinlich berührten Stewards Formulare aus, um sicherzustellen, dass der Fehler wenigstens nicht auf dem Anschlussflug und dem Rückflug wiederholte. Mit Erfolg.
Und so lief es bei Lufthansa:
"Wir hatten das vegetarische Asia-Menü bestellt."
Die wirklich sehr freundliche und außerdem sehr hübsche Stewardess: "Oh. Davon weiß ich nichts. Haben Sie sich umgesetzt?" (erster Selbstschutz-Impuls: Hoffentlich ist wenigstens einmal der Kunde schuld.)
"Nein."
"Wo und wann haben Sie das denn bestellt?" (Nächste Chance: Das Reisebüro hat den Fehler gemacht.)
"Auf Ihrer Seite vor einer Woche."
"Tut mir leid, das hat uns an Bord nicht erreicht." (Lufthansa ist schuld.)
Von weitem hörte ich es danach immer wieder sehr freundlich: "Sorry,... no special meal, tut mir leid,... häufiger heute."
Es gab dann Nudeln mit Tomatensoße. Ein Kompromiss, für den an Bord einige Entschuldigungen fällig waren. Für die Kunden eine weitere kleine Lufthansa-Enttäuschung. Für das Kabinenpersonal eine Demütigung. Ausbaden, was andere verbockt haben.
Vertretung eines Flugzeugtechnikers
4. Das Billigmobiliar
Nach dem Essen gingen rings umher die Lehnen nach hinten. Und obwohl ich presste wie in den Wehen, tat sich nichts. Auch bei bei meinem Nebenmann nicht. Und bei meinem Vordermann auch nicht. Die Lehnen blieben oben.
"Das kann nicht sein", sagte der Steward. Also presste ich ihm nach Leibeskräften was vor. Vergeblich. Bei meinem Nebenmann warf er sich förmlich mit ganzem Körpergewicht auf die Lehne. Sie gab nach und ruckte nach hinten. Doch damit war es bei meinem Sitz nicht getan. Ich musste trotz Anschnallpflicht wegen starker Turbulenzen aufstehen und klammerte mich an die Lehne des Hintermanns.





Unterdessen montierte der Steward meinen Sitz auseinander, entfernte das Polster und fummelte im Schein meiner Leselampe im Gestänge herum. Kurz darauf gab die Rückenlehne nach, er baute wieder alles zusammen. Als ich mich setzte, sagte ich: "Ich dachte, das ist ein neuer Jumbo der jüngsten Generation. Und dann so viele Sitze kaputt?"
Der Steward lächelte und zog die Augenbrauen hoch: "Das ist sogar Recaro. Aber ich sag mal so: Man bekommt als Fluggesellschaft das, was man bezahlt."
Und den Rest erledigt mal wieder das Personal. Hier als Steward in Vertretung eines Flugzeugtechnikers.
Bei meinem letzten Flug nach Brasilien stand ich mit anderen Fluggästen in der Bordküche, wir schwatzten und die Stewardessen öffnenden uns die Schränke für den Champagner, bis alles ausgetrunken war. Das war mit Air France.
Dienstleister
Von meinem Lufthansa-Flug wird mir in Erinnerung bleiben: Personal, dass sich ununterbrochen für seinen Arbeitgeber entschuldigen musste. Sonst nichts.
Kunden nerven ist das eine. Das gehört mit einer Teilerstattung des Flugpreises entschädigt. Wer aber seine eigenen Mitarbeiter so nervt, der braucht sich nicht zu wundern, wenn die zurzeit nur an ihre Altersvorsorge denken.
Beim Aussteigen wünschte ich in die sympathische Runde der Lufthanseaten einen schönen Streik in Brasilien. Daraufhin ein Steward: "Hoffentlich geht der Streik sogar bis Sonntag."