Werner knallhart Mit dem E-Auto zu Rewe: Das neue (K)aufladen

In einem Schnellladepark für E-Autos des Energiekonzerns EnBW wird ein Auto aufgeladen. Während des Einkaufs bei Rewe oder Penny sollen Kunden an Hunderten Filialen in Deutschland künftig ihr Elektroauto laden können. Quelle: dpa

Die Reichweiten-Angst beim E-Auto schwindet, sobald wir merken: Das Laden klappt immer. Rewe prescht jetzt vor. Mit EnBW. Auto laden und parallel einkaufen. Meine Mutter (75 Jahre) ist Fan vom Aufladen am Kaufladen.

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Wer in den vergangenen zehn Jahren einmal pro Woche sein Auto aufgetankt hat, der hat gut und gerne 43 Stunden seines Lebens dafür hingegeben. Eine ganze Arbeitswoche mit der Nase in den giftigen Dämpfen. Verblasene Lebenszeit mit dösigem Blick auf die flimmernden Ziffern der Zapfsäule.

Aber jetzt die schöne neue Welt. Beispiel Rewe: Die wollen gemeinsam mit dem Stromanbieter EnBW in ganz Deutschland eine Ladeinfrastruktur auf den Kundenparkplätzen aufbauen, damit die Kundinnen und Kunden ihr E-Auto kostenpflichtig flott aufladen können, während sie parallel und direkt nebenan Rettich, Proteinpudding und Toffifee shoppen. Soviel Effizienz gab es mit den Verbrennern nie.
Mit zunächst 600 Ladepunkten verteilt auf 100 Supermarkt-Parkplätze. Sogar mit HPCs, High-Power-Chargern. 100 Kilometer Reichweite saugen in fünf Minuten. In der Zeit kriegt man kaum seine Pfandflaschen los. Ist das die Zukunft?

Das Verrückte ist ja: Wir können nur erahnen, welches Element der Ladeinfrastruktur letztendlich das Zünglein an der Waage sein wird: Ist es ein flächendeckendes Netz an echten Schnellladern an der Autobahn, weil einen Kaffee lang auf 150 Kilometer Reichweite zu warten zumutbar ist, einen Gurkensalat, ein Schnitzel mit Pommes und ein Stück Donauwelle lang aber auf Dauer zu sehr auf Gemüt und Hüften schlägt?

Wird die Reichweitenangst nur besiegt, wenn wir die Ladepunkte schon einige hundert Kilometer vorab reservieren können, um nicht zähneknirschend von belegter Ladesäule zu belegter Ladesäule zu rasen, fröstelnd (Heizung auslassen schindet zig Kilometer) und mit panischem Blick auf die E-Anzeige: „Aber vor fünf Kilometern waren es doch noch acht Kilometer mehr!“

Brauchen wir auch reservierbare Ladepunkte in unseren Städten? Mit per App im Straßenbett versenkbaren Absperrpollern, um parkende Verbrenner wegzuhalten? Oder macht eine simple App mit einer Anzeige „Diese Ladesäule ist zurzeit frei“ den Unterschied, wie man heute ja schön sagt?

Sorgen millionenfach subventionierte Wallboxen an privaten Carports in den Einfamilienhaussiedlungen auf dem Lande für den deutschen E-Auto-Tsunami? Oder die Alles-aus-einem-Guss-sorglos-fix-und-fertig-Kombination aus Ladesäule und Montage in den großstädtischen Tiefgaragen der Sieben-Stock-Mehrfamilienhäuser?

Oder sind es eben tatsächlich vor allem auch die Lademöglichkeiten beim Einkaufen? Reservierbare Schnellladestationen auf der Autobahn plus genügend Schnellladestationen beim Shoppen: Ein solches Netz wäre zumindest viel effizienter als ein Ladepunkt pro Auto auf privaten Grundstücken oder ein einziges Auto pro Ladepunkt am Arbeitsplatz pro Acht-Stunden-Tag (obwohl der Ladevorgang in 45 Minuten abgeschlossen gewesen wäre).

Möbelriesen wie IKEA, Supermärkte wie Rewe, Discounter wie Lidl und Aldi und Shoppingmalls sind prädestiniert für gepflegtes Laden nebendran oder unten drin. Wie verführerisch dieses Laden-beim-Shoppen-Konzept im Alltag ist, zeigt allein schon der Werners-Mutter-Index der WirtschaftsWoche. Sie kennen ja vielleicht meine Mutter (falls nicht, lesen Sie hier mehr in einer anderen Folge meiner WiWo-Kolumne). Sie ist seit April fröhliche Eigentümerin eines E-Smart. Und fährt und lädt und fährt und lädt. Die ganze Nachbarschaft ist höchstens ein wenig neidisch aber vor allem inspiriert: „Ausgerechnet du“, was sich nett pointiert wohl auf ihr elegantes Alter bezieht, was wiederum zeigt, wie wenig Ahnung die Allgemeinheit bislang noch von E-Autos hat. Denn viel weniger lästige technische Scherereien hat man mit einem E-Antrieb, was die neue Mobilität für Seniorinnen und Senioren ja geradezu zu einem wahr gewordenen Traum macht. Gerade für die kurzen Fahrten zum Supermarkt.

Was sagt also der Werners-Mutter-Index der WiWo zum (K)aufladen? Bislang hat meine Mutter an der Haushaltssteckdose am eigenen Carport geladen. Aber vor ein paar Wochen hat sie mir genau erklärt, wie sie das künftig immer machen möchte: „Bei Kaufland. Da geht das nämlich kostenlos.“ Und das sind dann gut und gerne 3 bis 5 Euro, die meine Mutter da jedes Mal sparen würde. Sie fährt recht wenig, also käme sie im Jahr auf eine Ersparnis von rund 90 Euro. Bäng! Das kriegen Sie mit kaum einer Punkte-sammel-Kundenkarte an der Kasse hin.

Knackpunkt: „Ich muss da so blöd rückwärts an die Ladesäule. Das ist da so eng.“ Nun ist für Rückwärtsgeschlängel auf einem Supermarktparkplatz ein Smart ja wie gemacht. Um uns nicht die Blöße zu geben und den Adrenalin-Pegel niedrig zu halten, sind wir auf den verlassenen Parkplatz vor einem noch verlasseneren Friedhof gefahren, um mit dem noch recht neuen Auto rückwärts einparken zu üben. Um der Situation dennoch ein wenig Würze zu geben, ging es am Ende des Parkplatzes in gepflegt gemähten 45 Grad eine Böschung runter Richtung Fallobstwiesen.

Die Übungsfahrt hätte ein herrlicher Mutter-Sohn-Moment werden können, aber weil wir beide einander seit meiner Geburt kennen (und wissen, dass das, was ich als wirklich gut gemeinten Ratschlag verstanden wissen will, von ihr oft wahrgenommen wird als der Moment, an dem mir ganz offensichtlich der Geduldsfaden reißt), war noch meine Schwester mit dabei. Während sie meiner Mutter noch einmal erklärte, was die kreuz und quer verlaufenden bunten Hilfslinien auf dem Bild der Rückfahrkamera bedeuten, und woran man an dem krisseligen Landschaftsausschnitt auf dem Monitor mit etwas Übung den Beginn des Abhangs erkennen kann („wie den Fötus beim Ultraschall“), ging ich einen Apfel pflücken – und zwar (als liebevoller Vertrauensbeweis) unterhalb des Parkplatzes.

Ich erwähne das alles nur, um zu unterstreichen, wie wichtig zukunftsgewandten Menschen (k)aufladen sein kann. Es ist manchen gar eine private Fahrstunde wert. Werners-Mutter-Index: 100 Prozent Ausschlag. Und es zeigt auch, was für ein Marketing-Potenzial in Ladestationen auf Parkplätzen des Einzelhandels steckt. Noch ist das Laden an besagter Kaufland-Filiale kostenlos (und lockt augenscheinlich deshalb schmarotzerische Langzeitparker an, über die meine Mutter mutmaßt: „Die kaufen da gar nichts.“).

Doch das ließe sich ja phantasievoller gestalten: Kostenlos laden nur für Kunden mit einem Einkauf ab 50 Euro. Der Rabatt-Code steht dann auf dem Kassenbon.

Oder: Lade-Flatrates in Kombination mit der Kundenkarte.

Oder: Vermietung von Parkplätzen von Ladenschluss bis morgens. Auf Flächen, die nachts sonst wie bislang einfach verwaist wären.

Insofern ist jeder Einkaufs-Parkplatz ohne Ladesäule aus Kundensicht bald nur noch Platz- und Zeitverschwendung.

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Mein Tipp: (K)aufladen wird der große Wurf. Weil laden und einkaufen in etwa gleich lange dauert und laden dort passiert, wo man eh schon ist. Und wie sich das wiederum auf unsere Lust aus-wirkt, uns Waren nach Hause liefern zu lassen (jede Lieferung statt Kauf vor Ort ist eine entgangene Lade-Chance), das wird sind zeigen. Meine Mutter wird sicher bald ein Gefühl dafür haben.

Mehr zum Thema: Warum immer mehr Händler Ladestationen für E-Autos errichten.

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