Werner knallhart

"Prego, grazie, due espressi": Was tun bei diesen Folklore-Kellnern?

Egal, in welches italienische Restaurant in Deutschland man geht: Man braucht entweder Italienisch-Grundkenntnisse oder ein Wörterbuch. Ich komme mir bei dieser Folklore-Show immer so dämlich vor. Eine Kolumne.

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Was tun beim Folklore-Kellner? Quelle: Fotolia

Ich habe vor einiger Zeit einen alten Heinz-Erhardt-Film gesehen, da fährt er (ich glaube, als Willi oder so) mit seiner Familie nach Italien in den Urlaub. 1970 war das noch so verrückt wie heute eine Floßfahrt an den Nordpol.

In dem Film konnte man etwas lernen: nämlich was Spaghetti sind. Total lange Nudeln, die man aber nicht in voller Länge von oben in Schlund einführt, sondern wie ein cleverer Italiener auf die Gabel dreht. Tsä! Da staunte Deutschland nicht schlecht.

Das sind die besten Restaurants Deutschlands
Platz 10: Lucky Leek Quelle: Screenshot
Platz 9: Da Luigi Quelle: Screenshot
Platz 8: Wolfshöhle Quelle: Screenshot
Platz 7: Glass Quelle: Screenshot
Platz 6: Osteria la Fenice
Platz 5: Broeding Quelle: Screenshot
Platz 4: Restaurant Überfahrt Quelle: Screenshot

Wenn ich heute in ein italienisches Restaurant gehe, dann fühle ich mich meist in diese alten Zeiten zurückversetzt. Oder zumindest in meine Kindheit in den 80ern. Da kann die Küche noch so fein sein - die Inneneinrichtung ähnelt meist den Hobbykellern von damals: Poster mit Fußballern an der Wand, ausgetrunkene Korbflaschen, vergilbte Autogrammkarten, Auto-Kennzeichen aus aller Welt, Buntnesseln im Fenster, an der Theke hängen Wimpel, darunter ein übergroßes Glas, halbgefüllt mit 1-Cent-Stücken. Auf den Tischen rot-weiß karierte Tischdecken und Speisekarten in Klarsichthüllen, eingeschlagen in mit Schaumgummi weich gefütterten Umschlägen aus braun marmoriertem Lederimitat.

Der Kontrast aus geschmackvollem Essen und geschmackloser Einrichtung ist ja irgendwie ganz lustig. Konzentration auf das, was zählt. Sehr gut. Nur der Trikolore-Lolli kommt nicht mehr mit der Rechnung. Ich kann es nicht ändern: Ich sehe eben selbst im fahlen Kerzenschein nicht mehr aus wie sieben.

Diese Regeln gelten bei einem Geschäftsessen

Was sich aber bis heute nicht geändert hat: Die Kellner weigern sich seit Jahrzehnten, guten Abend, bitte, danke, kommt sofort, gerne, Entschuldigung und auf Wiedersehen zu sagen. Stattdessen sagen sie Sachen wie buonasera, prego, grazie, subito, scusi und arrivederci. Meine Begleitung neulich meinte: "Das machen die extra. Wegen der Folklore."

Ich sag: "Das ist es ja gerade."

Denn das macht mich immer so verlegen. Solange ich mir einrede, dass die italienischen Kellner die einfachsten Höflichkeitsfloskeln auf Deutsch nicht beherrschten, ist ja alles ganz einfach. Ich sehe großzügig über die Sprach-Defizite im Job hinweg, finde, dass Italienisch so engagiert und melodisch klingt, und fertig.

Aber die Kellner spielen die Authentizität nur. Wie soll man da reagieren? Was man tut, man tut es falsch.

Es ist ähnlich ausweglos, wie wenn ein Geigenspieler sich direkt vor einem am Tisch aufbaut und einem mehrere Minuten etwas vorfiedelt, wohl wissend, dass seine Dienstleistung nicht bestellt war. Man kann praktisch nur blöde dastehen: Entweder heuchelt man Interesse, dann bleibt der noch länger und kommt man um einen Obolus nicht herum, oder man ignoriert die Musik, das kauft einem aber keiner ab, oder man zeigt sich akustisch belästigt und wedelt genervt mit den Händen. Dann ist man komplett blamiert.

Es gibt nur einen Ausweg: Man inszeniert mit seinem Tischpartner schnell irgendeinen lautstarken Streit.

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