Werner knallhart
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Sicherheits-Check: Der würdelose Weg durch den Metalldetektor

Bei der Sicherheits-Kontrolle am Flughafen wird der Kunde vom König zum Hampelmann. Jetzt gilt es, dabei eine gute Figur zu machen. Und wehe, man blamiert sich mit einer Familienflasche Shampoo im Handgepäck!

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Bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen zwischen Check-in-Schalter und Flugsteig ist es wie bei der Ticketkontrolle im Zug. Plötzlich kippt das Machtgefüge. Der Dienstleister wird zur Autorität, der Kunde muss parieren. Nix mehr mit König. Jetzt darf einem bloß kein Zacken aus der Krone fallen. Haltung wahren. Wer zieht es am souveränsten durch? Wer outet sich hingegen als aufgeregt, wer als ahnungsloser Hinterweltler?

Wer es cool meistert, steht in der Hierarchie der Passagiere oben. Ohne Zirkus durch den Detektor – damit punktet man mindestens so viel wie mit Priority-Boarding.

Widersprechen Sie mir, aber ich bin davon überzeugt: Keiner, der mehr als einmal geflogen ist, kann sich davon freimachen. Es geht um den aufrechten Gang durch den Metalldetektor. Mit Stolz gegen die Demütigung. Jeder hat eine Geschichte parat, wie vor ihm in der Schlange mal wieder jemand noch nie was vom Thema Taschenmesser und Fliegerei gehört hatte, oder von Pfefferspray über den Wolken – und alle hinter ihm den Blick auf die Uhr. Und natürlich will keiner selber der Depp am Scanner sein. Aber das passiert schnell.

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Mit dem Einreihen in die Warteschlange geht es los. Mit Gurten bespannte Absperrpfosten zwingen uns zu einem irren Tanz durch die Vorhalle. Wir müssen selbst dann durchlaufen, wenn kaum Andrang ist. Hin und her. Erst eine 180-Grad-Wende und dann noch eine. Hinter uns rumpelt unser Rollkoffer in Cabin-fit-Size jeweils mit einem Rad über die Standfüße der Poller.

Vielflieger nehmen es stoisch hin wie Milchkühe den Melkautomaten. Anfänger spüren noch die sinnlose Gängelung und begehren auf. Sie ducken sich für eine Abkürzung unter den Absperrgurten hindurch, reißen dann mit ihren Rucksäcken die Bänder und Pfosten mit. Im besten Fall flitschen die Gurte laut surrend zurück in ihre Reservoire. Im dümmsten Fall stürzen die Metallpfosten laut scheppernd auf den grau gescheckten Fliesenboden. Alle Blicke auf Mr. Superschlau. Das wird ihm noch in der Luft nachjagen.

Dann die Wahl der Warteschlange vorm Fließband. Wenn ich es nicht eilig habe, gucke ich hinter den Scanner. Und mache selbst den Kötter-Check: Welcher Abtast-Mann sieht am wenigsten brutal aus? Und dort stelle ich mich an. Nur für den Fall, dass es piept.

Denn da kann man sich noch so sorgsam selbst vorabtasten: Selbst ein kleiner Fetzen Kaugummi-Papier mit Aluminium macht einen für manchen Metalldetektor verdächtig.

Deshalb Konzentration: Zunächst einmal erobert man am besten einen Gutteil des Vorsortier-Tisches zum Beladen der Plastikwannen. Auch wenn es das ältere Ehepaar hinter einem gerne hinter sich brächte und er ihr schonmal einen Behälter vorlegen will. So geht es nicht. Geschäftsleute machen den Laien schnell klar: „Ich dulde keine Störung meiner eingeübten Routine.“

Zwei, drei Container sollen es schon sein. Einer für die Elektronik: Laptop, iPad und Smartphone samt Kopfhörern. Der zweite für den Mantel. Der soll nicht verknautschen beim Röntgen. Man will ja nicht aussehen, wie unter der Parkbank vorgescheucht. Der dritte für das Tütchen mit dem Deo, Salzwassernasenspray und der Lippencreme. Wobei Vielflieger längst wissen: Ob die kleinen Fläschchen und Tiegel und Tuben nun separat im Plastiktütchen vorgezeigt werden oder tief im Gepäck verbuddelt bleiben, interessiert die Leute vom Sicherheitsdienst häufig gar nicht mehr. Wahrscheinlich, weil sie längst bemerkt haben: Welche Substanz nun in 100-ml-Ration im Behältnis drin ist, erkennt man auch nicht, wenn dieses offen in einer Tüte steckt. Denn die Behältnisse selber müssen ja nicht transparent sein. Naja.

Dann noch die Armbanduhr aus und den Gür- „nein, den Gürtel können Sie anlassen!“

Hä? Das machen die doch extra. Damit man auch niemals die Oberhand gewinnt. Mal muss er aus, mal kann er an der Hüfte bleiben. Der Gürtel ist ein Phänomen! Jetzt locker bleiben. Kommentare wie „In Paris musste ich den Gürtel aber ablegen“ zeigen nur, dass Sie noch drüber nachdenken. Haben Sie keine anderen Themen im Leben?

Durchatmen und durch den Metalldetektor

Dann heißt es: durchatmen und durch den Metalldetektor. SIEHSTE! Jetzt piept es doch und schuld ist der Gürtel. Also wieder zurück. Aber seien Sie froh. Richtig demütigend wird es, wenn die Schuhe aus müssen.

Wer denkt schon morgens bei der Auswahl der Garderobe daran, dass er vor Publikum mehrfach auf Socken zurück und nochmal vor durch den Scanner schlurfen muss? Auf Socken, von denen man kürzlich schon dachte: Eigentlich sind die durch, aber einmal tragen geht noch. Auf Socken durch den Detektor-Torbogen – dabei diese Neugier beim Kontrolleur: Gehen die Lampen an der oberen Leiste des Bogens an? Und der Passagier mit festem Blick in die Augen des Kontrolleurs: Sieht der blinkende Lampen? Was für ein Ritual.

Auf Strümpfen im Detektor werden alle zum Hampelmann. Hier verschmelzen alle gesellschaftlichen Schichten zu einem kollektiven Ich-will-hier-weg.

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Die Karten werden übrigens ja gerade neu gemischt durch die Nacktscanner. Denn da kommen selbst lang gediente Unternehmensberater mit Lufthansa-Senator-Status durcheinander. Da darf man plötzlich mitunter Armbanduhren anbehalten, muss aber seitwärts durch. Einige Betroffene halten aufgeregt die Arme hoch, als würden sie gleich erschossen. Andere rennen nach dem Scan los Richtung Fließband, ohne abzuwarten, was der Monitor anzeigt. Hier muss sich die neue Elite bei der Sicherheitskontrolle erst noch finden.

Und danach das Auflesen des Handgepäcks vom Band. Dort, wo sich die Plastikbottiche stauen (nur Wenigflieger räumen artig mit auf).

Manchmal sieht man selbst heute noch ganz peinlich berührte Damen aus fernen Ländern, wie sie ihre Blusen durchwühlen lassen und dann literweise gute Hautlotion von Nivea zum Wegschmeißen aus dem Köfferchen hergeben müssen, mit der sie eigentlich der Großfamilie daheim eine Freude machen wollten. Und man selber unterdrückt ein Kopfschütteln und denkt: Mensch, dass sich das noch nicht auf dem ganzen Globus rumgesprochen hat ...

Und wie man gerade den wohligen Schauer der Zufriedenheit genießt, selbst zu den Globetrottern zu gehören, denen ein Kötter-Security-Mensch mit seinen Vorschriften niemals nie den Tag vermiesen könnte, da tönt es von der anderen Seite des Fließbands: „Haben Sie da eine Nagelschere in der Tasche?“ Shit, die nagelneue Nagelschere.

„Ach, auf der Hinreise bin ich mit der Bahn gefahren. Deshalb. Die hat übrigens 30 Euro gekostet. Muss ich die wirklich wegschmeißen? Sehe ich aus wie ein Terrorist?“

Okay, so. Fail! Schlimmer geht’s nimmer.

Hinterfragen Sie die Regeln jederzeit gerne. Aber besprechen Sie das niemals mit den Sicherheitsleuten. Das ist so, als wenn Sie einem Taxifahrer erklären, wie man besser Auto fährt. Das fehlt dem gerade noch. Es gibt nur eine Art, in Würde zu entkommen: Wortlos die Nagelschere raus kramen, ohne dass die Schmutzwäsche rausfällt.

Und unbedingt vorher die Schuhe wieder anziehen.

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