Werner knallhart

„Biete für ein Upgrade“: Der Restposten-Psychotrick von Lufthansa und Co.

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Was ist mir das Plus an Komfort wert?

Antwort: Als gewiefter Konzern lässt man ganz cool Welt und Zeit ihren Lauf. Je länger die Buchung zurückliegt, umso mehr rückt beim Kunden auch die Erinnerung an die Preissuche in die Bedeutungslosigkeit. Vor ihm liegt der Flug. Er ist jetzt nicht mehr Bucher. Er ist bald Passagier. Elf langweilige Stunden lang – in einer rauschenden Röhre. Und wenn dann sein Vordermann seine Lehne zurückhaut, wird ihm der Plastikbecher mit dem letzten Schluck Tomatensaft aufs Hemd fliegen. Oh Mann, allein die Vorstellung.

Und da macht es plötzlich „PLING“ und im E-Mail-Eingang prangt die Chance auf die Erlösung. Beispiel Lufthansa. Rund um die gebuchte Flugreise heißt es dann plötzlich irgendwo: „Nutzen Sie Ihre Chance auf ein kurzfristiges Upgrade. Sie haben einen Lufthansaflug gebucht und würden gerne die Vorzüge der Premium Economy Class, der Business Class oder der First Class genießen? Dann steht Ihnen auf Lufthansaflügen eine ganz besondere Möglichkeit für ein Upgrade zur Verfügung. Dabei bestimmen Sie selbst, was Ihnen das neue Reiseerlebnis wert ist: (…) Geben Sie unter Angabe Ihrer Kreditkartendaten ein Angebot ab – und mit etwas Glück erhalten Sie Ihr Upgrade zu Ihrem Preis.“

„Zu Ihrem Preis“. Hohohoho, klingt, als darf da der Kunde selber die Preise festlegen. Das muss der Schnäppchen-Himmel sein. Doch letztendlich entscheidet die Airline selber, welche Restplätze der oberen Klassen sie zu welchem Preis losschlagen will. Und komfortabler geht es für sie nicht. Der Kunde legt sich auf einen Preis fest und die Airline kann sich so lange Zeit lassen, wie sie will, das Angebot je nach Lust, Laune und Bedarf anzunehmen oder nicht. Bei Lufthansa zum Beispiel bis 24 Stunden vor Abflug.

Es sei denn, der Kunde macht bis zu einem bestimmten Zeitpunkt (zum Beispiel 72 Stunden vor Flug) einen Rückzieher. Aber warum sollte er? Er hat als Bieter mal wieder die Entscheidung, Geld auszugeben, hinter sich gebracht und will jetzt einfach nur den Zuschlag. Außerdem legt die Airline einen Mindestpreis fest, der mit einem Online-Schieberegler zum Einstellen der Gebotssumme selbst mit aller Kraft nicht unterboten werden kann.

Stattdessen gerät man als Kunde sogar unter Druck, den Preis über dem Mindestangebot festzuklopfen, denn plötzlich steht man mit anderen Passagieren ja womöglich in Konkurrenz. Was, wenn der andere fünf Euro mehr geboten hat? Ein virtuelles Hauen und Stechen. Wie bei E-Bay. Und die Airlines gucken genüsslich zu, wie ihr Psychotrick wirkt:

Die Flugbuchung ist Tage oder Wochen lang her. —> Der Preis ist fast vergessen —> die Summe aus ursprünglichem Flugpreis und Kosten für das Upgrade kommen einem nicht so leicht in den Sinn —> Alles dreht sich um die Frage: Was ist mir das Plus an Komfort wert? Wieder einmal vorbei an allen Tabellen der Preisvergleichsportale.

Die Masche spielt mit unserer Buchungs-Dösigkeit. Und ist trotzdem geil! Auch für uns Passagiere. Denn sie birgt die Chance auf Schnäppchen. Ich habe es schon ein paar Male ausprobiert und den Zuschlag erhalten. Der Preis für das Upgrade hat die Flugreise dann zwar um gut und gerne um 20 bis 40 Prozent verteuert, aber man bekommt ja auch mehr. Es gibt die unterschiedlichsten Konzepte. Bei Etihad Airways habe ich einst für einen Nachtflug drei weitere Sitzplätze in der Mitte ersteigert. Dort konnte ich dann auf vier Sitzen ausgestreckt liegend stundenlang tief und fest schlafen. Für 150 Euro extra.

Ein Upgrade in die Premium Economy von Lufthansa, das ich jüngst für 230 Euro (nur Hinflug) ersteigert hatte, wurde für die letzten Restplätze sogar noch kurz vor Abflug in der Kabine den Eco-Passagieren angeboten. Für geschlagene 450 Euro. Wer den Regler beim Online-Bieten also schön weit links lässt, dem winken tatsächlich Restposten-Schnäppchen.

Aber Achtung: Es drohen Ach-hätte-ich-doch-Frustattacken, wenn beim Schieber zu weit links dann per Mail die Absage kommt: „Tut uns leid…“

Die Airlines haben uns psychologisch am Haken.

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