Werner knallhart

Gebt uns die deutsche Supermediathek!

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Wer will für zeitlose Serien tagelang warten?

Nachrichtenmagazine wie die Tagesthemen und das Heute-Journal, Boulevard-Magazine, Talkshows zu aktuellen Ereignissen, die Übertragung großer Weltevents wie Fußball oder den European Song Contest hingegen entfalten sicherlich auch in Zukunft noch ihren Charme erst dann richtig, wenn man sie live erlebt. Als gesellschaftliches Ereignis, über das man am nächsten Tag noch spricht. Solche Formate leben vom linearen Fernsehen und machen es stark.

Aber wer will schon für zeitlose Serien, Spielfilme und Konzerte künftig tagelang warten oder gar den Festplattenrekorder programmieren? Selbst Unterhaltungsshows funktionieren online. Heute haben Sendungen wie die Heute-Show und das Neo Magazin Royal hunderttausende Zugriffe über das Online-Angebot des ZDF.

Gleichzeitig sind routinierte Streamer genervt von den Werbeunterbrechungen bei den von den Privaten im TV ausgestrahlten Produktionen, denen man mit der Fernsehzeitung in der Hand hinterherrennen muss.

Wir werden bald überhaupt nicht mehr bereit sein, für Fernsehunterhaltung auf die Uhr zu gucken. Sei sie von Werbung unterbrochen oder nicht. Sätze wie „ich muss nach Hause, die Serie Das Parfüm geht gleich los“, werden wir in einigen Jahren nicht mehr hören. Übrigens auch nicht von den Älteren, die sich mit intuitiven oder per Sprachsteuerung wählbaren Mediatheken-Menüs wunderbar zurechtfinden werden.

All dies schreit nach einer deutschen Supermediathek von ARD, ZDF, RTL Gruppe und ProSiebenSat.1. Als Gegenpol zu der amerikanischen Übermacht. Nicht nur aus kulturellen Gründen. Sondern einfach, weil es zu schade wäre, das gute und auch teure deutsche Programm irgendwo auf irgendwelchen kleinen Mediathek-Unterseiten verkümmern zu lassen. Motto: Eigentlich sind wir ja ein Fernsehsender. Wir Konsumenten werden einfach zu sehr von den Amerikanern verwöhnt – und werden zu faul.

Die deutsche Supermediathek gehört mit einem eigenen Knopf auf die Fernsehfernbedienung wie der Knopf für Netflix und der für Prime. Warum nicht? Und es gibt ja bei den Öffentlich-Rechtlichen schon längst Überlegungen zu europäischen Lösungen, Privatsender könnten sich eine nationale Plattform als ersten Schritt vorstellen.

Erste Bemühungen sind vor Jahren an den Kartellwächtern gescheitert. Aber es muss doch möglich sein, dass wir hier auf dem alten Kontinent noch etwas auf die Reihe kriegen, das den hohen Ansprüchen der modernen Zuschauer genügt. Deutsche Produktionen in mehrsprachigen Audiofassungen, mehrsprachigen Untertiteln. Die öffentlich-rechtlichen Inhalte abgedeckt durch die 17,50 Euro, die privaten durch einen pauschalen zusätzlichen Obolus und/oder durch Werbung. Mit offiziellen „Aufrufquoten“, die genauso als Messgröße gewürdigt werden wie die Einschaltquoten im Fernsehen.

Wir brauchen diesen Wandel schnell. Bevor die Stimmung ganzer Generationen endgültig über den Ozean kippt. Wir sind hier zu gut, um klein beizugeben.

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