Werner knallhart

Wie mieser DHL-Service dem Image von Amazon schadet

Überforderte Zusteller, Lieferungen an Packstationen am anderen Ende der Stadt, Rücksendungen ohne Grund. DHL macht einen fertig - und das als Dienstleister von Amazon. Deren Hotline kommt aus dem Entschuldigen nicht mehr raus.

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Quelle: dpa

Es ist alles so traurig! Dabei ist die Idee mit der Packstation ja eigentlich eine gute. Man muss nicht zuhause sein und holt seine Amazon-Sendung einfach nach Feierabend um die Ecke aus der großen gelben Box. Aber DHL hat einen Weg gefunden, einem die gesparte Zeit an anderer Stelle zu verderben. Sie wälzen den Ärger dazu ganz einfach auf ihren besten Kunden Amazon ab.

Denn das Heckmeck um fehlgeleitete Packstation-Sendungen haben erstmal die unschuldigen Mitarbeiter an der Hotline von Amazon und die enttäuschten Amazon-Kunden. Dazu gleich mehr. Mein Puls ist jetzt schon oben.

Bislang hat die Deutsche Post DHL das Thema Kunden-Schikane noch tatkräftig und mit originellen Finten selber angepackt. Beispiel noch aus diesem Februar: Da erzählt mir eine Kollegin: "Ich gebe eine Sendung am Post-Schalter auf und lasse sie dort von einer Mitarbeiterin frankieren. Zwei Tage später liegt der Umschlag bei mir im eigenen Briefkasten. Begründung: nicht beim Adressaten zugestellt, weil zu wenig Porto drauf. Glaubst du's? Ich mit wehenden Haaren zur Postfiliale: 'Hee, das Porto wurde doch von Ihnen hier selber drauf geklebt!' Der Post-Typ so: 'Zeigen Sie mir die Kollegin und ich ziehe sie zur Rechenschaft.' Ja meint der, ich merk mir die? Keine Entschädigung für den Zeitverlust; stattdessen war eine Nachzahlung fällig. Ich glaub, ich spinn!"

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Ich konnte sie beruhigen: kein Einzelfall. Ich kenne Leute, deren Geburtstagsgeschenke an die Enkelin nicht rechtzeitig ankamen, weil DHL das Porto falsch berechnet und sich danach weigert, das Päckchen zu billig zu transportieren. Meine Eltern zum Beispiel.

Da kann Ihre Kunden-Seele noch so laut schreien. Vergessen Sie's. Diese offensichtliche Ungerechtigkeit ist DHL einfach egal. Für eigene Fehler souverän geradestehen, nö! Dafür geht es der Deutschen Post DHL offenbar noch zu gut. Den Bilanzen nach. Denn die Boten leiden unter der steigenden Arbeitsbelastung.

Immer wieder beschweren sich Kunden über in ihre Briefkästen eingeworfene Karten: "Leider haben wir Sie zuhause nicht angetroffen", obwohl einige Kunden sogar extra einen halben Tag wertvollen Urlaubs verplempert haben, um die ersehnte Amazon-Sendung eigenhändig entgegenzunehmen. DHL gibt im WDR Fernsehen erstmal den Kunden die Schuld. Oft seien die dann nämlich gerade auf dem Balkon gewesen oder so. Jaja. Also, ich bin Nichtraucher!

Nun gibt es mittlerweile aber schon mehrere Hinweise von DHL-Boten oder von Subunternehmern, die beklagen: Ohne den Nicht-angetroffen-Trick ist das Arbeitspensum nicht mehr zu schaffen. Beim Nachbarn zu klingeln dauere vielen Boten einfach zu lange. Der Zeitdruck steige. Im ZDF gibt ein DHL-Bote in der Zoom-Dokumentation "Deutsche Post am Limit" zu: "Es sind so viele Pakete, das schafft man einfach nicht mehr. Wissen Sie, was man da macht? Man fälscht Empfangsbestätigungen."

Zu hoher Zeitdruck? Die Deutsche Post sagt, 99 Prozent aller Zustelltouren würden in der gesetzlich geregelten Arbeitszeit der Mitarbeiter abgeschlossen. Naja, Hauptsache, in der Konzernzentrale ist man zufrieden, wenn schon Mitarbeiter und Kunden kotzen.

Und so wird man auch zukünftig an der Haustür von Mehrfamilienhäusern häufig mal Zettel wie diesen bei meinen Nachbarn finden: "Lieber DHL-Bote. DOCH! ICH BIN ZUHAUSE! Einfach klingeln. Ich brauche das Päckchen DRINGEND!!!!"
Das ist die DHL-Welt.

Und mit diesem Dienstleister arbeitet Amazon also zusammen. Experten schätzen: Der Anteil von Amazon am gesamten Paket-Umsatz der Post könnte bei geschlagenen 30 Prozent liegen. Ausgerechnet Amazon, der Konzern, der den besten Kundenservice der Welt bieten will.

Dass das nicht zusammenpasst, zeigt ein ganz aktuelles Beispiel. Ich kenne es schon von Familie und Bekannten. Nun hat es leider mich selber ereilt. Stichwort Packstation. DHL versaubeutelt es und die Scherereien haben Amazon und ich als Kunde:

Ich habe für einen Freund eine große Dose "hochwertiges" Protein-Pulver bestellt. Er will mehr Muskeln und schwört drauf. Nun war er am Samstag bei uns zum Frühstück. Deshalb hatte ich das Zeug sicherheitshalber schon für Freitag in die Packstation mit der Nummer 164 bestellt. Es war eine Same-Day-Zustellung. Es kam von DHL die SMS: Zugestellt in Packstation 181. Moment! Amazon aber frohlockte doch in der App: zugestellt Packstation 164.

Dieser Widerspruch war nun sehr wichtig.

"DHL hat Mist gebaut"

Denn 164 war einen kurzen Fußmarsch entfernt, zur 181 und zurück hingegen wäre ich eine knappe Dreiviertelstunde zu Fuß und per Bus mit Umsteigen unterwegs gewesen, wozu ich als König Kunde nun so gar nicht aufgelegt war.

Was denn nun? Ich rief am nächsten Morgen bei Amazon an: "DHL hat Mist gebaut." Amazon wusste von nix. Obwohl sie diejenigen sind, die DHL für die Dienstleistung bezahlen.

Die Bestellung wurde storniert, eine neue direkt über Amazon Now per 60-Minuten-Lieferdienst in Auftrag gegeben. Die Superexpress-Lieferkosten von 6 Euro 99 übernahm Amazon - zu meiner Freude, aber sicherlich zum Gram von Amazon, denn gepatzt hatte DHL. Und ausfechten mussten es Amazon und Kunde.

Dann gleich die nächste DHL-Tragödie: Wo bleibt mein Drucker-Toner? Laut Amazon-App vor Tagen zugestellt in die berüchtigte Packstation 164. Doch von DHL kein Hinweis per SMS, wie sonst bei Packstationslieferungen üblich. Erst ein Blick in die Bestelldetails in der Amazon-App deckt den DHL-Murks auf: "Aufgrund eines Problems mit der Abholstation konnte Ihre Sendung nicht in die geplante Abholstation gebracht werden."

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Unerquickt rufe ich Amazon an. Dort heißt es: "Hier steht, die Sendung wurde in einer Postfiliale abgegeben." Och, mal was anderes. "Hat Ihnen der Bote denn keine Karte in den Briefkasten geworfen?""Nein, natürlich nicht. Er war ja gar nicht an meiner Haustür. Die Sendung sollte ja in eine Packstation."

Wir müssen beide lachen. Das Schicksal schweißt uns Opfer irgendwie zusammen. Der Amazon-Mitarbeiter gibt mir die Adresse durch, ich notiere mit Kuli. Was DHL dem Empfänger verschweigt, muss Amazon mündlich vermitteln. Und springt damit für seinen überforderten Dienstleister in die Presche.

"Ich sehe gerade, DHL hat uns mittlerweile mitgeteilt, dass die Packstation überfüllt ist", sagt der Amazon-Mitarbeiter, erleichtert darüber, dass er Licht ins Nichts bringen kann.

Diese Information ist allerdings glatt unwahr. Ich war dort. Die Packstation war nicht voll, sondern komplett außer Betrieb. Das bestätigte auch die freundliche Mitarbeiterin in der Postfiliale, während sie nach meinem Drucker-Toner wühlt: "Hier ist gerade Chaos. Zwei Packstationen sind ausgefallen und alle Pakete werden über die Stadt verteilt. Jetzt geht die Suche los. Ich finde Ihr Paket nicht." Ein Defekt passiert nun mal, aber der unsouveräne Umgang mit Pannen ist - nun ja, belastend für alle.

Kein Wunder, dass DHL Amazon gegenüber offenbar lieber von zu hoher Nachfrage spricht, als von technischen Problemen und logistischem Superchaos. Minuten später: "Ach da ist ja Ihr Päckchen, Sie waren ja noch gar nicht im System. Sie hingen irgendwo in der Luft."

Noch nicht im System. Hat diese Kunden-Scheucherei System? Ja, ich hänge in der Luft. Schöner kann man es nicht beschreiben. Und Amazon hängt offenbar auch im leeren Raum. Dort sendet man nichts ahnend an defekte Packstationen und DHL spielt Osterhase und lässt uns alle suchen.

Wenn man nun liest, Amazon plane ein eigenes Zustellnetz, dann tut es einem wirklich für DHL leid, die den Ansprüchen des Pioniers aus Amerika offenbar nicht gerecht werden. Ich würde es der Deutschen Post gönnen, weiter mit Amazon zu wachsen. DHL würde mehr Personal, mehr Kapazität, mehr Zeit für den Empfänger gut zu Gesicht stehen. Mehr Luft für die Boten statt Liefer-Drohnen-Marketing-Gags! Sag ich jetzt mal als König Kunde, der sich nicht gerne von einem seiner Hoflieferanten vom Thron stoßen lässt.

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