Werner knallhart

Flughafen Berlin-Tegel: Deutschlands versiffte Visitenkarte

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"Willkommen auf der Museumsinsel"

Ich schlich zurück und versuchte, den erwartungsvollen Blicken der Mitreisenden auszuweichen. Ich hörte drei, vier Menschen tuscheln: "old airport...sorry... new one not finished yet." Da sah ich ganz am Ende der Halle, dort wo wir alle reingekommen waren, einen Monitor an der Wand. Einen Monitor so groß wie ein Zweitfernseher für die Küche. Als ich dort angekommen war, las ich klein: "Stockholm D". Ich rief in die Menge: "Stockholm D". Da setzte sich die Masse und auch das Fließband in Bewegung. Auf dem Monitor darüber stand: "Riga". Da kam schon kurz drauf unser Koffer.

Was aber in jedes Handgepäck eines Tegel-Reisenden gehört ist Handdesinfektionsmittel und Mentholcreme. Die Mentholcreme reibt man sich unter die Nase, bevor man einen Toilettenraum betritt, um den Würgreiz zu unterdrücken. Und das Desinfektionsmittel aus psychologischen Gründen. Damit das Gehirn die Finger anschließend noch als Teile des eigenen Körpers annimmt. Der abnormale Gestank ist eine Schande!

Fliegen Sie mal nach Bangkok. Auf dem Airport muss man keine Türklinke mehr anfassen und alles duftet nach Kampfer. Auf anderen Flughäfen riecht es wenigstens sauber. Dass einem beim Pinkeln nicht übel wird, ist zurecht internationaler Standard. Nur nicht in Tegel. In Tegel steht eine beißend-süße Feuchte in der Luft wie auf Autobahnraststätten der 70er.

Und was macht man als erstes, wenn man nach einem langen Flug endlich wieder festen Boden betritt? Man geht pinkeln.

Versiffte Klos in Lagerhallen-Atmosphäre - das ist der erste Eindruck Abertausender von Menschen von unserem Land. Ok, dafür gibt es ja einen Grund. Aber der macht es ja noch schlimmer. Wir sind nicht in der Lage, einen neuen Flughafen zu bauen.

Und so investiert die Flughafengesellschaft nun schon wieder rund 19 Millionen Euro in den Trümmerairport. Nachdem der ja schon ungeplant 20 Millionen verschlungen hat, seit der neue eigentlich eröffnen sollte. Das neue Geld soll in einen frischen Anti-Rutsch-Belag für die Landebahn fließen. Damit es nicht so leicht zu Flugzeugunglücken kommt. Gute Idee. Der Belag würde zwanzig Jahre halten. Der Flughafen soll aber eigentlich Ende 2017 schließen. Aber man plant eben mittlerweile weitsichtig.

Und investiert wird auch in die sanitären Anlagen. Und in die Gepäckfördertechnik. Sieh mal einer an. Wenn das so weiter geht, dann steht da in Tegel im Jahr 2035 der modernste Tante-Emma-Laden der Welt. Dann ist der neue BER schon wieder veraltet und hat selber links und rechts längst Bretterbuden zur Erweiterung dran gekloppt bekommen. Er ist ja jetzt schon zu klein.

Aber bis es soweit ist, könnte man einen kleinen Teil der 19 Millionen Euro abzweigen für ein großes Plakat in der Tegeler Haupthalle:
"Willkommen auf der Museumsinsel."

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