Kurioserweise trifft es nicht alle Berufe:
"Frau Bundeskanzlerin" - das geht als Alternative zu "Frau Merkel".
"Herr Pfarrer" kann man gut sagen.
"Frau Doktor" auch. Die Ärzte sind für die meisten ja sogar der Herr Doktor oder die Frau Doktor, selbst wenn sie niemals eine Doktorarbeit geschrieben haben. Vor einiger Zeit war ich in einer Praxis, da sprach sogar die Assistentin von "Frau Doktor" über ihre unpromovierte Chefin, die Frau Ärztin.
"Herr Pilot" dagegen? Nein! Aber egal, mit den im Cockpit verriegelten und verrammelten Piloten spricht man als Passagier ja nicht. Komplizierter ist es mit dem Kabinenpersonal. Früher wäre ja noch ein höfliches "Stewardess!" möglich gewesen. Aber wem geht schon ein "Frau Flugbegleiterin" über die Lippen? Wenn alle Stricke reißen, gibt es ja noch den Service-Knopf in der Armlehne. Bingggg!
Im ICE gibt es das nicht. Was ruft man da? "Frau Schaffnerin"? Man hat auch immer Angst, dass man die Leute mit der falschen Berufsbezeichnung kränkt. Die ändert sich ja dauernd. "Das heißt nicht mehr Schaffner. Ich bin Zugführerin!"
"Herr Polizist!" Nein. Amerikaner rufen in den Filmen immer so schön "Officer!" Uns bleibt nur "Entschuldigung." Und im Notfall: "Hilfe! Polizei!"
Ach, es ist alles unschön bei uns. Die Franzosen haben ihr Monsieur und Madame, die Spanier ihr Señor und Señora. Deswegen gibt es als Lösung für all unsere Unhöflichkeiten beim Hinterherrufen nur eine Lösung: "Mein Herr! und "Meine Dame!" So wie Grobi als Kellner seine Gäste anspricht.
Altmodisch? Noch. Denn es ist auch stilvoll. Da lässt jemand in der U-Bahn seine Mütze liegen und Sie rufen nicht mehr "Hallo, Entschuldigung!", sondern: "Mein Herr, Ihre Mütze!" Irgendwie hat das was.
Wenn ich mir anmaßen darf, etwas vorzuschlagen, meine Damen und Herren: Schluss mit den Platzhalter-Entschuldigungen. So könnte es gehen:
Keinem Menschen ruft man so viel hinterher wie denen in der Gastronomie. Hier plädiere ich für eine spezielle Lösung: Geben wir "Herr Ober/Frau Oberin" und "Herr Kellner/Frau Kellnerin" eine Chance. Damit diejenigen, die uns dabei helfen, eine gemütliche Mahlzeit einzunehmen, endlich wieder sprachlich zur Persönlichkeit werden.
Alle anderen Dienstleister bekommen "mein Herr" und "meine Dame" - fremde Privatleute sowieso. Und wenn es passt, kann man sich ja von Fall zu Fall aus der Deckung trauen. "Frau Postbotin, hier bin ich! Ich war gerade unter der Dusche."
Hallo nur noch zur Begrüßung. Und Entschuldigungen nur noch, wenn man jemanden wirklich belästigt. Und das Kellner-Ruf-Problem wäre endlich gelöst.
Zurück zum gehobenen Sesamstraßen-Stil.