Wertstofftonne statt Gelber Sack Neue Mülltonne soll das Chaos beenden

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Von der Recycling-Quote hängt der Erfolg ab

Doch Experten fürchten, dass die Unternehmen nur wieder neue Schlupflöcher finden werden, um den steigenden Kosten zu entgehen. „Einige Unternehmen, die Verpackungen in den Verkehr bringen, lizensieren diese nicht oder nicht vollständig. Sie umgehen ihre Pflichten“, sagt Agnes Bünemann vom Osanbrücker Sachverständigenbüro Cyclos. Das Material aber lande in der Regel trotzdem in den Mülltonnen und werde entsorgt und verwertet, ohne dass jemand dafür die entsprechenden Gebühren zahle.

Im Eckpunktepapier schlagen die Koalitionsparteien deshalb eine Zentrale Stelle vor, die als Kontrollinstanz funktionieren und die Spielregeln zwischen lizenzpflichtigen Unternehmen, Dualen Systemen und Entsorgern festlegen soll. Doch auch um diese Kontrollinstanz gibt es wieder Streit: Denn die Hoheit über die Zentrale Stelle beanspruchen vor allem die Handelsverbände. Damit würde die Macht genau in die Hände derjenigen gelegt, die es zu kontrollieren gilt, kritsiert BDE-Chef Kurth. „Die Recyclingwirtschaft und die dualen Systeme müssen bei dieser Zentralen Stelle eingebunden werden.“

Wie viel Müll jährlich recycelt wird

Bei all dem Gerangel zwischen Kommunen und Abfallunternehmen gerät dabei ein wichtiger Punkt des Gesetzes in den Hintergrund: Der ökologische Effekt des geplanten Reformierung. Die Wertstofftonne alleine werde nicht für steigende Recyclingquoten sorgen, warnen Experten. „Die Wertstofftonne bringt mit Sicherheit eine Steigerung der Menge“, sagt Abfallforscherin Kerstin Kuchta von der Technischen Universität Hamburg. „Aber wahrscheinlich wird der Verschmutzungsgrad und die Qualität der Materialien in der Tonne dadurch nicht besser.“ Das ist ein Problem, weil die Sortieranlagen verschmutzte Materialien – beispielsweise Joghurtbecher mit Essensresten – nicht gut erkennen können.

Oft sind jedoch die technisch überholten Sortieranlagen selbst das Problem, kritisiert Müll-Expertin Bünemann: „Etwa die Hälfte der Sortieranlagen ist technisch optimal ausgerüstet. Ein großes Problem ist außerdem, dass einige Anlagen viel mehr Material annehmen, als diese überhaupt schaffen können. Dann wird oft nur die oberste Lage sortiert.“ Doch es fehlen wirtschaftliche Anreize für die Betreiber, ihre Sortieranlagen aufzurüsten.

Denn wie viele Wertstoffe tatsächlich zu neuen Produkten verarbeitet wird, hängt hauptsächlich von der gesetzlichen Quote ab. Die liegt für die Weiterverarbeitung von Kunststoffen zur Zeit nur bei 36 Prozent. „Die Quote heute ist viel zu gering, außerdem bezieht sie sich nur auf die lizensierte Menge. Wenn die Hersteller weniger Materialien lizensieren, wird auch weniger recycelt. Das muss sich ändern“, kritisiert Katherina Reiche vom VKU.

Doch um wieviel die Umweltministerin Hendricks die Recyclingquote durch ein neues Wertstoffgesetz heraufsetzen will, steht noch nicht fest. In den Vorschlägen der Regierungsparteien ist bisher nur von einer "deutlichen Erhöhung der ökologischen Anforderungen" die Rede. Zwischen 50 und 60 Prozent des Plastik-Mülls könne mit Sicherheit zu neuen Kunststoff-Produkten verarbeitet werden, schätzen Experten. Damit hätte Deutschland vielleicht auch bei der Kunststoff-Verwertung den Titel Recycling-Meister wieder verdient.

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