
192.000 Tonnen Stahl kamen beim Bau zum Einsatz. Sie werden den Welthandel verändern. Wenn der Panamakanal am Sonntag seine neuen Schleusen öffnet, beginnt damit eine neue Ära in der Schifffahrt. Mehr als hundert Jahre lang konnten nur Schiffe mit einer maximalen Breite von knapp 32 Metern die 82 Kilometer lange Wasserstraße durchqueren, die Mittelamerika durchschneidet und Atlantik mit Pazifik verbindet. Nun ist der Weg frei für größere Schiffe.
Die Schleusen lösen eine Welle des Größenwachstums auf den Weltmeeren aus. Und sie könnten die Reeder dazu bewegen, wichtige Routen umzulegen. Der Verlierer des Ausbaus wäre dann der Suezkanal.
Die Geschichte des Panamakanals
Der US-Senat billigt das Abkommen zum Panamakanal.
Das Ingenieurkorps des US-Heeres beginnt mit dem Kanalbau.
Die „SS Ancon“ passiert als erstes Schiff den Kanal.
US-Abenteurer Richard Halliburton schwimmt durch den Panamakanal und zahlt mit 36 Cent die niedrigste jemals entrichtete Passagegebühr.
Nach der Installation von Lampen am Culebra Cut und den Schleusen nimmt der Kanal den 24-Stunden-Betrieb auf.
Bei Protesten gegen die US-Verwaltung des Kanals kommen 22 Panamaer und vier US-Bürger ums Leben.
Betriebsamster Tag in der Geschichte des Panamakanals: 65 Schiffe passieren die Wasserstraße innerhalb von 24 Stunden.
Unterzeichnung des Torrijos-Carter-Vertrags. Das Abkommen sieht die Gründung einer binationalen Verwaltung vor und schreibt die endgültige Übergabe des Kanals an Panama für 1999 fest.
Das Tragflügelboot „Pegasus“ der US-Marine durchquert in zwei Stunden und 41 Minuten als schnellstes Schiff den Panamakanal.
Der Torrijos-Carter-Vertrag tritt in Kraft. Panama erlangt die Souveränität über sein gesamtes Staatsgebiet zurück.
Um den in Drogengeschäfte verwickelten Machthaber Manuel Noriega zu stürzen, marschieren US-Truppen in Panama ein. Der Verkehr im Kanal wird für über 29 Stunden eingestellt.
Die Kanalverwaltung ACP wird geschaffen. Sie ist unabhängig, überweist aber einen großen Teil ihrer Einnahmen an die Staatskasse.
Die USA übergeben die Kanalverwaltung an Panama.
Ein Volksentscheid zur Erweiterung des Kanals wird mit großer Mehrheit angenommen.
Beginn des Kanalausbaus.
Wegen eines Streits um Zusatzkosten zwischen der Kanalverwaltung und der Baufirma GUPC werden die Arbeiten für zwei Wochen eingestellt.
Der Panamakanal feiert seinen 100. Geburtstag.
Die Tests der neuen Schleusentore beginnen.
Die ägyptische Wasserstraße verbindet das Rote Meer mit dem Mittelmeer und liegt auf der anderen Seite des Globus. Doch auf der wichtigen Strecke zwischen Hong Kong und Savannah an der US-Ostküste unterscheidet sich die Länge der Routen nur um wenige hundert Seemeilen.
In den vergangenen Jahren wählten Reeder lieber die Route durch die Wüste Ägyptens: Während im Jahr 2010 noch drei Viertel aller Schiffe durch Panama fuhren, war es in diesem Jahr nicht mal mehr jedes zweite.
Bisher hatte der Suezkanal den Vorteil, dass ihn selbst die größten aller Giganten befahren können. Bis zu 21.000 Container fassen diese Schiffe mittlerweile, die vor allem auf der Strecke zwischen Europa und Asien pendeln. Die Megafrachter gelten als profitabler, weil sie weniger Treibstoff je Container verbrauchen und weniger Personalkosten anfallen. Im mittlerweile achten Jahr der Schifffahrtskrise ist das für die Reedereien wichtiger denn je. Die Durchschnittsgröße der Schiffe stieg innerhalb von sechs Jahren um ein Drittel an: 2010 konnten die Frachter im Suezkanal durchschnittlich 6000 Container transportieren, heute sind es schon 8000.
Beim Panamakanal begrenzten die alten Schleusen die Größe: Maximal 5100 Container können die Schiffe tragen, die noch schmal genug sind, um sich durch die alten Kammern zu quetschen. „Der Panamakanal hat Marktanteile verloren, weil die Reeder ihre größeren Schiffe in Panama nicht einsetzen konnten“, sagt Hartmut Heckert, Experte der Unternehmensberatung KPMG.
Nun können Schiffe mit einer Kapazität von fast 14.000 Containern den Wasserweg durch Panama befahren. „Auf dieser Strecke können die Reeder die Vorteile der größeren Schiffe jetzt erstmals nutzen“, sagt Burhard Lemper, Professor am Bremer Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik.
Der Ausbau war dringend nötig. Eigentlich hätten die Bauarbeiten schon vor anderthalb Jahren beendet werden sollen, pünktlich zum 100. Geburtstag des Panamakanals. Doch stattdessen gingen die Bauarbeiter in den Streik und die Baufirmen zofften sich mit der Regierung wegen der steigenden Kosten.
Die Vorgeschichte des Panama-Kanals
Der spanische Kaiser Karl V. gibt den Anstoß, in Panama nach einem Seeweg zwischen Atlantik und Pazifik zu suchen. Ausgangspunkt ist der Río Chagres, ein von Christoph Columbus entdeckter Fluss, dessen Mündung im Karibischen Meer liegt. Vier Jahre später beauftragt der Kaiser Hernando de la Serna 1527 nach einem geeigneten Weg für den Bau eines Kanals zu suchen.
Der Spanier Alvarado de Saavedra Colon entwirft die ersten Pläne zum Bau der Wasserstraße, realisiert wird das Projekt aber nicht. Anfang des 19. Jahrhunderts beschäftigt sich auch der Forscher Alexander von Humboldt damit.
Nach dem in Kalifornien Gold gefunden wird, überqueren zahlreiche Goldgräber die Landenge auf einer Fluss-Land-Route, außerdem wird die Lizenz zum Bau einer Eisenbahnverbindung vergeben.
Der finanzielle Erfolg des 1869 eröffneten Suez-Kanals in Ägypten veranlasst Geschäftsleute in Frankreich dazu, zur Finanzierung eines Kanals zwischen Atlantik und Pazifik die Société Civile Internationale du Canal Interocéanique (SCIdCI) zu gründen.
Die Panamakanal-Gesellschaft erwirbt die von der kolumbianischen Regierung – zu deren Hoheitsgebiet gehört Panama zu der Zeit - erteilte Konzession zum Bau des Kanals von der (SCIdCI), Präsident der Gesellschaft wird der 73 Jahre alte Graf Ferdinand de Lesseps, der schon den Suez-Kanal gebaut hat.
Baubeginn für den Kanal. Geplant ist eine 73 Kilometer lange Wasserstraße ohne Schleusen, die Finanzierung übernimmt die Aktiengesellschaft Compagnie Universelle du Canal Interocéanique. Die Platzierung der Aktien ist kein Problem, die Anteilseigner rechnen mit einer hohen Rendite wie schon bei den Suez-Kanal-Aktien.
Bis zur Unterbrechung der Bauarbeiten kommen rund 22 000 Arbeiter ums Leben, hauptsächlich durch Gelbfieber und Malaria. Die Krankheiten, gegen die es noch keine Gegenmittel gibt, sind eine der Ursachen dafür, dass der Kanalbau 1889 abgebrochen werden muss. Der andere: Der Kanalgesellschaft, die bis zu diesem Zeitpunkt schon 287 Millionen Dollar investiert hat, geht das Geld aus, die Ausgabe neuer Schuldverschreibungen und eine Lotterie reichen nicht aus, um ausreichend Mittel aufzutreiben. Ein weiterer Grund sind technische Probleme und Planungsfehler.
Ferdinand de Lesseps revidiert die Pläne und schließt einen Vertrag mit Eiffelturm-Erbauer Gustave Eiffel. Dessen Ingenieurbüro soll bis 1890 einen Schleusenkanal realisieren. Die Kosten werden auf 1,6 Milliarden Goldfranken veranschlagt. Doch neue Planungsmängel, Fehler bei den geologischen Untersuchungen und bei der Organisation sowie technische Probleme führen dazu, dass die Compagnie Universelle du Canal Interocéanique 1888 zahlungsunfähig wird, ein Jahr später werden die Bauarbeiten eingestellt. Pleite und Einstellung lösen den Panamaskandal aus, einen der größten Finanzskandale des 19. Jahrhunderts in Frankreich.
Die Compagnie Nouvelle du Canal de Panama übernimmt als Auffanggesellschaft die Fortführung der Planungen.
Verkauf des zu rund 40 Prozent fertiggestellten Kanals sowie der dazugehörigen Konzession zum Bau an die USA zum Preis von 40 Millionen Dollar. Nach dem Erwerb der Konzession verlangen die USA von Kolumbien die Abtretung des Panamakanalgebiets.
Kolumbien weigert sich, das Gebiet den USA zu überlassen. Darauf entsenden die USA im November Truppen, die das Gebiet besetzen und den neuen Staat Panama gründen. Die US-Regierung will so sicherstellen, dass der aus strategischen Gründen für notwendig gehaltene Kanal möglichst schnell fertig gestellt werden kann. Im sogenannten Hay-Bunau-Varilla-Vertrag wird vereinbart, dass den USA auf unbegrenzte Zeit die Kontrolle über die 10 Meilen breite Kanalzone übertragen wird, die territoriale Souveränität bleibt bei Panama. Im Gegenzug zahlen die USA einmalig 10 Millionen Dollar und ab 1913 außerdem jährliche Gebühren von 250 000 Dollar in Gold.
Der US-Ingenieur John Frank Stevens erhält den Auftrag zur Planung des Weiterbaus. Er setzt sich für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Kanalarbeiter ein, um so die vielen krankheitsbedingten Ausfälle zu verringern. 1907 kündigt Stevens seinen Vertrag. Sein Nachfolger wird US-General George Washington Goethals. Er leitet die Bauarbeiten bis zur Fertigstellung.
Am 15. August passiert das Paketschiff „Ancona“ mit 200 Passagieren an Bord als erstes Wasserfahrzeug den fertigen Panamakanal in voller Länge. Die Kosten inklusive Schleusen und Stauseen addieren sich auf 386 Millionen Dollar, auch in der letzten Bauphase zwischen 1906 und 1914 kommen nochmals 5600 Arbeiter durch Unfällen und Krankheit ums Leben. Insgesamt forderte der Bau des Kanals damit rund 28 000 Menschenleben.
Mindestens 5,6 Milliarden Dollar hat das Mega-Projekt verschlungen, mehr als zwei Milliarden Dollar mehr als geplant. Der spanische Baukonzern Sacyr und die Regierung streiten vor einem Schiedsgericht darüber, wer die Mehrkosten zahlen muss.
Panama hofft, dass das Geld schnell wieder reinkommt. Rund eine Milliarde Dollar steuern die Kanalgebühren aktuell zum Staatshaushalt bei, das sind fast 40 Prozent aller Staatseinnahmen. Durch den Ausbau soll sich die Summe verdreifachen.