Wie hart Unternehmen auf Zechpreller reagieren Immer mehr Deutsche kaufen, ohne zu bezahlen

Seite 3/7

Dafür sorgen, dass Kunden bezahlen

Die Länder mit der schlechtesten Zahlungsmoral
Platz 1: BayernDen kleinsten Privatverschuldungsindex (PVI) hat ist im Bundeslandvergleich das Land Bayern. Deutschlandweit liegt der Privatverschuldungsindex für das laufende Jahr bei 1047 Punkten. Die Schufa verzeichnet unter anderem Zahlungsstörungen bei Krediten, Telekommunikations- und Handelsrechnungen, aber auch Unregelmäßigkeiten bei Leasingverträgen oder Girokonten.PVI 2014: 755 Punkte Quelle: ap
Platz 2: Baden-WürttembergAuffällig ist, dass die südlicheren Bundesländer weit unter dem Bundesdurchschnitt liegen, was den Anteil der gelisteten Schuldner betrifft.PVI 2014: 768 Punkte Quelle: dpa
Platz 6: SachsenDer Anteil der Menschen mit Zahlungsschwierigkeiten liegt in Sachsen deutlich unter dem Durchschnitt.PVI 2014: 991 Punkte Quelle: dpa
Platz 7: ThüringenMit 2,2 Millionen Einwohnern gehört Thüringen zu den kleineren Bundesländern. Einige Orte des Bundeslandes beanspruchen der geographische Mittelpunkt Deutschlands zu sein. Der Schuldneranteil liegt hier leicht über dem Bundesdurchschnitt.PVI 2014: 1048 Punkte Quelle: ZB
Platz 3: HessenIm Bundesland der Bankenstadt Frankfurt am Main hat es der PVI deutlich unter den Bundesdurchschnitt geschafft. Vor allem die südlicheren Regionen des Landes gehören zu den wirtschaftsstärksten Regionen Deutschlands und gehören auch zu den am dichtesten besiedelten Gebieten im Bundesgebiet.PVI 2014: 927 Quelle: dpa
Platz 5: Rheinland-PfalzDie Exportquote von Rheinland-Pfalz liegt bei circa 46 Prozent, was das Land zu einem der Spitzenreiter in der Außenwirtschaft macht. Der Mittelstand bildet einen der wichtigsten Grundpfeiler der Landeswirtschaft. Auch in Rheinland-Pfalz konnte der PVI eine positive Entwicklung nehmen.PVI 2014: 967 Punkte Quelle: dpa
Platz 8: NiedersachsenDas flächenmäßig zweitgrößte Bundesland übersteigt prozentual mit seinem Schuldneranteil nur leicht den Bundesdurchschnitt. PVI 2014: 1053 Punkte Quelle: dpa

Kein Wunder, dass solche Hebel auch das Geschäft der kommerziellen Geldeintreiber, also der Inkassofirmen, ankurbeln. Sie leben insbesondere von Unternehmen, die sich wie der Internet-Versand Flaconi keine eigenen Spezialisten nach dem Vorbild von Otto leisten können. Das Berliner Startup bedient sich des Frankfurter Inkassoanbieters Universum, um Problemkunden abzuwehren.

Inkassofirmen kaufen Unternehmen deren Forderungen ab und treiben das Geld dann auf eigene Rechnung ein. Dafür bekommen die Gläubiger weniger als den Nennwert ihrer Rechnungen. Die Abschläge schwanken zwischen einem und 70 Prozent – je nach Qualität der Forderung. Mit diesem Geschäft erzielt die Inkassobranche rund 1,8 Milliarden Euro Jahresumsatz. Universum gehört mittlerweile der Valovis Bank, einer ehemaligen Tochter des Kaufhauskonzerns Karstadt. "Seit 30 Jahren sorgen wir dafür, dass Kunden bezahlen", wirbt das Unternehmen.

Keine kahlköpfigen Knochenbrecher

Der Slogan mag bei Fans des Boulevard-TV für Fantasien darüber sorgen, mit welchen Druckmitteln das Unternehmen arbeitet. Populäre Fernsehserien über die zweifelhafte Agentur Moskau Inkasso haben das Klischee vom kahlköpfigen Knochenbrecher auf Schuldnerjagd verbreitet. Doch ein solcher Außendienst mit dunklen Geländesportwagen rechnet sich höchstens für Privatgläubiger, die auf Rückzahlung eines hohen Einzelbetrags warten. Für das Millionenheer der Kleinschuldner, die hier ein Paar Jeans und dort ein Paket Parfüm nicht bezahlen, sind mobile Einsatzkommandos viel zu teuer. Zudem würden namhafte Auftraggeber wie Versandhändler oder Versicherer niemals rabiaten Methoden zustimmen, die ihren Ruf schädigen könnten. Daher bedienen sie sich lieber streng durchrationalisierter Eintreibmaschinerien.

Paradebeispiel für ein solches Fließbandinkasso ist das Unternehmen Sirius in Düsseldorf, das kürzlich den Sprung über die Marke von fünf Millionen eingetriebener Forderungen schaffte. Sirius gehört zum Essener Inkassokonzern GFKL, der mehrheitlich im Besitz des Finanzinvestors Advent International ist. Der Branchenriese GFKL beschäftigt in seinen zahlreichen Tochterunternehmen insgesamt 1300 Mitarbeiter, die sich zurzeit um unbezahlte Rechnungen im Wert von 22,5 Milliarden Euro kümmern.

In der Telefonnummer steckt der Erfolg

Das Sirius-Callcenter liegt verborgen hinter einem unauffälligen Bürogebäude nicht weit vom Düsseldorfer Hauptbahnhof. Dort laufen die Drähte heiß, wenn die Briefträger morgens ihre Runden quer durch die Republik drehen. Dann öffnen Tausende Schuldner, die Sirius angeschrieben hat, ihre Post. "Hello letters" heißen die Briefe, die Sirius an säumige Kunden von Versandhändlern oder Telekommunikationsanbietern verschickt. Die Schreiben enthalten die Außenstände und die dringende Bitte um Rückruf.

Die vergleichsweise samtene Methode funktioniert. Ein großer Teil der Angeschriebenen greift umgehend zum Hörer. Das Effizienzgeheimnis steckt in der jeweiligen Telefonnummer, die der Schuldner wählen muss. Denn diese ist per Datenbank mit dem Aktenzeichen der individuellen Forderung verknüpft. Ruft ein Schuldner über die ihm zugeteilte Telefonnummer an, erhält der Callcenter-Mitarbeiter auf seinem Bildschirm sofort alle Angaben über den Rechnungssünder.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%