Kein Wunder, dass solche Hebel auch das Geschäft der kommerziellen Geldeintreiber, also der Inkassofirmen, ankurbeln. Sie leben insbesondere von Unternehmen, die sich wie der Internet-Versand Flaconi keine eigenen Spezialisten nach dem Vorbild von Otto leisten können. Das Berliner Startup bedient sich des Frankfurter Inkassoanbieters Universum, um Problemkunden abzuwehren.
Inkassofirmen kaufen Unternehmen deren Forderungen ab und treiben das Geld dann auf eigene Rechnung ein. Dafür bekommen die Gläubiger weniger als den Nennwert ihrer Rechnungen. Die Abschläge schwanken zwischen einem und 70 Prozent – je nach Qualität der Forderung. Mit diesem Geschäft erzielt die Inkassobranche rund 1,8 Milliarden Euro Jahresumsatz. Universum gehört mittlerweile der Valovis Bank, einer ehemaligen Tochter des Kaufhauskonzerns Karstadt. "Seit 30 Jahren sorgen wir dafür, dass Kunden bezahlen", wirbt das Unternehmen.
Keine kahlköpfigen Knochenbrecher
Der Slogan mag bei Fans des Boulevard-TV für Fantasien darüber sorgen, mit welchen Druckmitteln das Unternehmen arbeitet. Populäre Fernsehserien über die zweifelhafte Agentur Moskau Inkasso haben das Klischee vom kahlköpfigen Knochenbrecher auf Schuldnerjagd verbreitet. Doch ein solcher Außendienst mit dunklen Geländesportwagen rechnet sich höchstens für Privatgläubiger, die auf Rückzahlung eines hohen Einzelbetrags warten. Für das Millionenheer der Kleinschuldner, die hier ein Paar Jeans und dort ein Paket Parfüm nicht bezahlen, sind mobile Einsatzkommandos viel zu teuer. Zudem würden namhafte Auftraggeber wie Versandhändler oder Versicherer niemals rabiaten Methoden zustimmen, die ihren Ruf schädigen könnten. Daher bedienen sie sich lieber streng durchrationalisierter Eintreibmaschinerien.
Paradebeispiel für ein solches Fließbandinkasso ist das Unternehmen Sirius in Düsseldorf, das kürzlich den Sprung über die Marke von fünf Millionen eingetriebener Forderungen schaffte. Sirius gehört zum Essener Inkassokonzern GFKL, der mehrheitlich im Besitz des Finanzinvestors Advent International ist. Der Branchenriese GFKL beschäftigt in seinen zahlreichen Tochterunternehmen insgesamt 1300 Mitarbeiter, die sich zurzeit um unbezahlte Rechnungen im Wert von 22,5 Milliarden Euro kümmern.
In der Telefonnummer steckt der Erfolg
Das Sirius-Callcenter liegt verborgen hinter einem unauffälligen Bürogebäude nicht weit vom Düsseldorfer Hauptbahnhof. Dort laufen die Drähte heiß, wenn die Briefträger morgens ihre Runden quer durch die Republik drehen. Dann öffnen Tausende Schuldner, die Sirius angeschrieben hat, ihre Post. "Hello letters" heißen die Briefe, die Sirius an säumige Kunden von Versandhändlern oder Telekommunikationsanbietern verschickt. Die Schreiben enthalten die Außenstände und die dringende Bitte um Rückruf.
Die vergleichsweise samtene Methode funktioniert. Ein großer Teil der Angeschriebenen greift umgehend zum Hörer. Das Effizienzgeheimnis steckt in der jeweiligen Telefonnummer, die der Schuldner wählen muss. Denn diese ist per Datenbank mit dem Aktenzeichen der individuellen Forderung verknüpft. Ruft ein Schuldner über die ihm zugeteilte Telefonnummer an, erhält der Callcenter-Mitarbeiter auf seinem Bildschirm sofort alle Angaben über den Rechnungssünder.