Wirecard Warum Privatanleger von einem scheinbar negativen Urteil profitieren könnten

Das Logo von Wirecard ist in dieser Illustration zu sehen. Quelle: imago images

Das Landgericht München hat Bilanzen des Skandalunternehmens Wirecard für nichtig erklärt. Insolvenzverwalter Michael Jaffé kann von den Aktionären nun Dividenden zurückfordern. Doch was schlecht klingt, könnte sogar Vorteile bringen.

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Für das Landgericht München ist der Fall eindeutig: Die Bilanzen des Zahlungsdienstleisters Wirecard für die Jahre 2017 und 2018 sind nichtig. „Wenn in zwei Jahren 1,9 Milliarden Euro fehlen, dann ist an der Wesentlichkeit des Fehlers eigentlich kein Zweifel anzunehmen“, erklärte der Vorsitzende Richter Helmut Krenek. Und weil die Wirecard-Bilanzen falsch waren, waren als „zwingende Folge“ auch die Dividendenbeschlüsse der Hauptversammlungen 2018 und 2019 nichtig, sagte Krenek. Für den Wirecard-Insolvenzverwalter Michael Jaffé ist das ein Sieg auf ganzer Linie. Das Urteil hat Folgen für Wirtschaftsprüfer, Finanzbehörden – und nicht zuletzt den angeklagten Ex-Vorstandschef Markus Braun. Und für die Aktionäre? 

Über die Auswirkungen für die Anteilseigner wird spekuliert seit Jaffé die Klage eingereicht hat. Das Problem: Anleger, die 2018 und 2019 Wirecard-Aktien hielten, haben Dividenden erhalten, die das Unternehmen nie hätte ausschütten dürfen. Denn in den Geschäftsjahren 2017 und 2018 erwirtschaftete Wirecard keine Gewinne, sondern erhebliche Verluste. Müssen Aktionäre die Beträge nun zurückzahlen? Und das, obwohl viele durch den Absturz der Wirecard-Aktie ohnehin schon herbe Verluste eingefahren haben

Tatsächlich macht das Urteil für Jaffé juristisch den Weg frei, Dividendenzahlungen zurückzufordern. In der Praxis wird es bei Kleinanlegern dazu aber wohl nicht kommen. Zum einen ist die Rechtslage nicht eindeutig. Laut Aktiengesetz, Paragraf 62, können Gewinne nur dann zurückgefordert werden, wenn Aktionäre wussten, dass sie zum Bezug der Beträge gar nicht berechtigt waren. Jaffés Argumentation dürfte sich zwar primär auf insolvenzrechtliche Ansprüche stützen. Danach kann eine Leistung angefochten werden, sofern sie ohne Gegenleistung erfolgt ist. Aber ob diese Position vor Gerichten Bestand hätte, ist längst nicht ausgemacht. 

Munition für die Anleger

Unabhängig von den offenen Rechtsfragen dürfte der Verwalter ohnehin kein großes Interesse haben, Privatanleger im großen Stil zur Kasse zu bitten. Darauf deutet auch eine Pressemitteilung der Insolvenzverwaltung hin. Auf einen Anleger mit Papieren mit einem damaligen Börsenwert von 10.000 Euro käme demnach allenfalls eine Rückzahlung für die beiden Jahre von insgesamt 25 Euro zu. „Die meisten Privatanleger hielten sogar eine weit geringere Zahl von Aktien in ihren Depots“, teilt der Verwalter mit. Insofern würden Klein- und Privatanleger von Dividendenrückforderungen „nicht maßgeblich berührt sein“. 

Zumal es ohnehin schwierig werden dürfte, diejenigen Kleinanleger ausfindig zu machen, die Dividenden erhalten haben. Angeblich gibt es innerhalb des Wirecard Konzerns dazu keine Unterlagen. Kurzum: Die Such- und Inkasso-Kosten dürften deutlich über den zu erwartenden Einnahmen liegen, hinzu kämen die Rechtsrisiken.

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Auf Ebene der Großaktionäre sieht das schon anders aus. Um sie dürfte es Jaffé denn auch vorrangig gehen. So gehörte die MB Beteiligungs GmbH, die Beteiligungsgesellschaft vom angeklagten Vorstandschef Markus Braun, zu den Profiteuren der Dividendenzahlungen.

Munition liefert das Urteil aber auch für die knapp 1000 Klagen empörter Aktionäre gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY, die die Wirecard-Bilanzen geprüft und testiert hatte. Insgesamt ist das Münchner Urteil damit eher ein Grund zur Hoffnung – zumindest für Privatanleger. 

Lesen Sie auch: Der Zusammenbruch von Wirecard ist eine der spektakulärsten Pleiten der deutschen Geschichte: Um den Fall kümmert sich nun der Insolvenzexperte Michael Jaffé. Er gilt als hartnäckig, zupackend und als Spezialist für knifflige Verfahren.

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