Wirtschaftsprüfer Der Adler-Eklat ist erst der Anfang

Quelle: imago images

Die Adler Group streitet mit dem Wirtschaftsprüfer KPMG. Solche Fälle wird es in Zukunft wohl häufiger geben – und das ist auch gut so. Ein Gastkommentar.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Der Konflikt zieht sich nun schon gut ein Jahr hin: Die Wirtschaftsprüfer von KPMG sollten die Bilanz des Immobilienkonzerns Adler Group für das Jahr 2021 prüfen, segneten die Zahlen aber letztlich nicht ab. Zur Begründung hieß es, den Prüfern seien mehr als 800.000 Dokumente vorenthalten worden seien, ohne die KPMG nicht zweifelsfrei sagen könne, ob Geschäfte des Unternehmens mit nahestehenden Personen angemessen erfasst wurden. 

Das Adler-Management gab sich aber nicht geschlagen, wollte trotzdem, dass KPMG auch die Bilanz für das Jahr 2022 prüft. KPMG aber lehnte den Auftrag ab. Monatelang versuchte das Unternehmen einen anderen Prüfer zu finden – doch keiner wollte. Also wandten sich die Chefs an das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg  mit der Bitte, zumindest für die Konzerntochter Adler Real Estate AG einen Abschlussprüfer gerichtlich zu bestimmen. Und wen wählte das Gericht? KPMG. Aber die dortigen Prüfer ließen sich auch hierdurch nicht motivieren. Sie lehnten wieder ab. 

Der vorerst letzte Akt: Die Adler-Chefs bemühen sich nun, die Vorbehalte der Prüfer auszuhebeln. Sie erklärten, dass eine internationale Anwaltskanzlei die von KPMG angeforderten Dokumente  ausgewertet habe.  Die Juristen seien dabei – vereinfacht ausgedrückt – zum Schluss gekommen, dass keine relevanten Informationen zu Geschäften des Unternehmens mit nahestehenden Personen vorenthalten worden seien.

Marc Liebscher ist Rechtsanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht in der Kanzlei Dr. Späth & Partner und Vorstandsmitglied der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK). Quelle: PR

Zur Person

Das Match zwischen Adler und KPMG zieht zu Recht die Aufmerksamkeit von Anlegern und Kapitalmarktexperten auf sich, ist aber eigentlich nicht mehr als ein Vorspiel für ein viel größeres Ereignis: Die Abschlussprüfer lassen sich von den zu prüfenden Unternehmen nicht mehr alles gefallen. Seit herauskam, dass mit Wirecard ein Milliardenkonzern vor den Augen seiner Wirtschaftsprüfer jahrelang Bilanzen manipuliert hatte und das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) erlassen wurde, sind die Abschlussprüfer bekanntermaßen stärker in den Fokus gerückt: Die Anforderungen an ihre Pflichten wurden erhöht und ihre Haftungsregeln verschärft.

Lesen Sie auch: „Prepare for bad news“: Protokoll des Wirecard-Untergangs

Nun zeigt sich das Erwartbare: Der erhöhte Druck auf die Prüfer wirkt sich auch auf die Unternehmen aus. Prüfer fordern mehr Dokumente und wollen diese eingehender prüfen. Das Verlangen nach ausreichend geeigneten Prüfungsnachweisen wird unerbittlicher werden. Die Prüfer geben „weniger Pardon“ als vor Wirecard und werden öfters ihre Prüfungshandlungen ausweiten. Das beschwört natürlich Konflikte bei der Abschlussprüfung herauf, die früher vielleicht noch mit „prüferischer Nachsicht“ zugunsten der Geprüften lösbar waren. 

Flugzeugbauer Lilium Senkrechter Blindflug

Ein Finanzbericht gewährt Einblick ins Zahlenwerk des Elektro-Senkrechtstarters Lilium. Dort wie bei der Konkurrenz türmen sich die Verluste. Hinzu kommt ein Eingeständnis über Mängel in der Finanzkontrolle.

Geldanlage Neuer Dax-Rekord: Wie Sie sich jetzt gegen Kursrücksetzer absichern

An den Börsen läuft es fast schon unheimlich gut. Der Dax knackt Rekord um Rekord. Zeit für eine Absicherung – ohne Kurschancen zu kappen.

Netzbetreiber Vodafone droht bei den Kabelkunden ein Desaster

Vodafones Misere hält an. Jetzt soll es ein neuer Deutschlandchef richten. Dabei ist klar: Erst mal wird die Lage noch komplizierter.

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Die Folge ist: Der deutsche Kapitalmarkt wird solche Auseinandersetzungen noch des Öfteren erleben. Anleger werden sich daran „gewöhnen“ müssen, öfter eingeschränkte Testate oder gar Versagungsvermerke zu sehen, als es bislang der Fall war. Fazit: KPMG wird hartleibig bleiben, Vorstände sollten sich auf eine tektonische Verschiebung einstellen. Herauskommen wird hoffentlich ein reiferer, deutscher Kapitalmarkt.

Lesen Sie auch: Holt die Staatsanwälte bei Adler rein!

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%