Wirtschaftswoche: Herr Winkeljohann, Wirtschaftsprüfer stehen seit der Finanzkrise 2008 in der Kritik. Kreditinstitute wie Commerzbank, Hypo Real Estate oder BayernLB sind trotz des Siegels von PwC fast pleitegegangen und mussten vom Steuerzahler gerettet werden. Leidet Ihr Ruf darunter?
Winkeljohann: Für die Prüferbranche ist es durch die Unternehmenskrisen der vergangenen Jahre nicht einfacher geworden, denn zwischen unserem gesetzlichen Auftrag und dem Anspruch der Öffentlichkeit klafft eine Lücke. Das Testat der Wirtschaftsprüfer ist kein Gesundheitszeugnis für die Unternehmen und keine Kaufempfehlung für die Aktie.
Wir prüfen für Aktionäre und Eigentümer, ob die Informationen des Managements über Gewinn, Vermögen und Schulden des zurückliegenden Geschäftsjahrs eines Unternehmens zutreffen. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht, ob die Rechnungslegung richtig ist. Wirtschaftsprüfer sind keine besseren Manager und nicht in erster Linie dazu da, Geschäftsmodelle zu hinterfragen.
Warum nicht? Hinterlassen Ihre hoch qualifizierten und bezahlten Prüfer nicht eine entscheidende Lücke, wenn sie versäumen, Anleger und Investoren vor existenzbedrohenden Risiken zu warnen?
Wir Prüfer würden gern mehr Transparenz in die Unternehmen bringen. Dafür brauchen wir aber die gesetzlichen Möglichkeiten. Ich bin durchaus dafür, dass wir unseren standardisierten Bestätigungsvermerk um eine qualitative Beurteilung des Unternehmens ergänzen.
Das könnte die Aussagekraft des Testats erhöhen und Bilanzleser besser über Chancen und Risiken informieren. Zudem sollte der Gesetzgeber den Prüfern ermöglichen, den Bericht des Managements zur Lage des Unternehmens im Einzelfall intensiver unter die Lupe zu nehmen.
Was hindert die Prüferbranche, das alles schon jetzt zu tun?
Momentan hindern uns die gesetzlichen Vorschriften daran, weil sie den Fokus auf die Prüfung der Bücher und Rechnungslegung richten. Sie decken eine tiefere Kontrolle der Geschäftspolitik mit höherem Erkenntnisgewinn nicht ab. Dazu müsste uns der Gesetzgeber erst befugen, wobei er Wahlmöglichkeiten zulassen könnte.
Nach besonders turbulenten Geschäftsjahren etwa mit großen Fusionen oder Krisen könnte der Aufsichtsrat die Wirtschaftsprüfer mit einer detaillierteren Prüfung beauftragen, damit sie tiefer schürfen als in normalen Jahren. Das ist jedoch im Rahmen der aktuellen Honorare nicht möglich.
PwC in der Kritik
PwC ist wegen eines 55 Milliarden Euro schweren Rechenfehlers bei der Abwicklungsbank der Hypo Real Estate, der FMS, als Prüfer in die Schlagzeilen geraten. Die Berufsaufsicht ermittelt gegen PwC. Wie erklären Sie das Debakel?
Wir halten uns mit Äußerungen zurück, solange die Wirtschaftsprüferkammer den Fall untersucht. Finanzminister Wolfgang Schäuble hat PwC dafür gelobt, bei der Aufklärung des Fehlers mitgewirkt zu haben. Wir sind nach wie vor der Auffassung, bei der FMS sorgfältig geprüft zu haben, und bleiben weiter deren Abschlussprüfer. Im Übrigen ist der Betrag weit niedriger als in den Medien berichtet.
Sie sind wegen der verdeckten Anstellung der ehemaligen Frau von Ex-Bundespräsident Wulff persönlich in die Kritik geraten. Hätten Sie so etwas bei einem Prüfungsmandanten durchgehen lassen?
Die Staatsanwaltschaft hat sich für unsere Kooperation bei der Aufklärung des Falls bedankt und mitgeteilt, dass kein Anfangsverdacht auf ein Scheinarbeitsverhältnis besteht und keine Ermittlungen aufgenommen werden. Mit der indirekten Beschäftigung wollten wir lediglich Publicity vermeiden. Das würden wir in dieser Form nicht wiederholen.
Der Wettbewerb unter den Wirtschaftsprüfern verschärft sich. Wo sehen Sie da noch Wachstumsmöglichkeiten?
In Deutschland entwickelt sich die Sparte Steuer- und Rechtsberatung sehr gut. Viele unserer Mandanten haben durch ihre internationale Expansion stark wachsenden Bedarf an grenzüberschreitender Beratung. In der Abschlussprüfung kämpfen wir – wie die gesamte Branche – mit starkem Preisdruck.
Sie schließen sich mit den PwC-Kollegen in den Niederlanden zusammen. Was soll die Fusion bringen?
Nach dem Zusammenschluss können die Niederlande ihre Stärken auf dem deutschen und österreichischen Markt ausspielen und umgekehrt, ohne dass wir uns gegenseitig Umsätze wegnehmen. PwC Deutschland etwa ist führend bei der Prüfung von Finanz- und Energieunternehmen, die Holländer bereichern uns in bester Kaufmannstradition mit ihrer internationalen Vernetzung.
Fusionen dienen oft auch der Einsparung von Doppelfunktionen und der Rationalisierung. Bauen Sie Personal ab?
Nein, das ist nicht geplant. Im Gegenteil. Wir werden bis zum Ende unseres laufenden Geschäftsjahrs im Juni, über zwölf Monate verteilt, 1500 neue Leute eingestellt haben – vor allem Hochschulabsolventen. Mindestens so viele Mitarbeiter wollen wir auch im kommenden Geschäftsjahr gewinnen. Unsere Belegschaft wächst pro Jahr um 200 bis 300.
Chancen für den Bachelor
In der Wirtschaft gibt es Kritik am Bachelor-Abschluss. Welche Erfahrungen machen Sie mit dem neuen Kurzstudium?
Die Bachelor-Absolventen, die bei uns anfangen, sind mit 21 bis 23 Jahren wesentlich jünger als etwa Diplom-Kaufleute, die früher im Alter von etwa 26 Jahren in den Job starteten. Das ist zu begrüßen, denn deutsche Wirtschaftsprüfer haben oft erst mit 32 ihr Berufsexamen in der Tasche. In England etwa sind die öffentlich bestellten Prüfer wesentlich jünger.
Allerdings müssen wir unsere Bachelors gründlicher aus- und fortbilden. Sie stehen in den ersten Jahren ihrer Berufstätigkeit noch nicht in dem Maße für die direkte Mandantenbetreuung zur Verfügung wie ihre Kollegen mit Diplom- oder Master-Abschluss. Das steigert unseren Personalbedarf.
Wirtschaftsprüfern wird immer wieder vorgeworfen, der eigentliche Prüfauftrag sei wenig profitabel und nur Türöffner für die viel lukrativere Beratung.
Da widerspreche ich. In den Sparten Wirtschaftsprüfung, Steuer-, Rechts- und Unternehmensberatung erwirtschaften wir nahezu identische Margen. Das muss auch so sein, denn wenn es margenschwache Sparten gäbe, würden uns die Partner dort weglaufen. Wir wollen aber ein interdisziplinäres Unternehmen sein, sodass zum Beispiel die Prüfer eines Fahrzeugherstellers vom Branchenwissen unserer Automobilberater profitieren.
Die EU-Kommission sieht das wegen der Gefahr von Interessenkonflikten nicht gern. Wie stark würde Sie eine Trennung der Sparten treffen?
In Deutschland ist die Beratung von Prüfungskunden verboten, sofern der Prüfer etwas checkt, das er erstellt oder miterstellt hat. Darüber wachen die Prüfungsausschüsse der Aufsichtsräte, die jeden Beratungsauftrag des Abschlussprüfers genehmigen müssen. Diese Regelung verhindert Interessenkonflikte und könnte ein Vorbild für Europa sein.
Sind Ihnen solche bürokratischen Einzelfallentscheidungen lieber als eine saubere Trennung?
Ja, denn die Regelung hat sich gut eingespielt und ist im Sinne der Wirtschaft. Entdeckt ein Abschlussprüfer etwa beim IT-System eines Mandanten Sicherheitsmängel, dann kann er auch bei der Beseitigung des Fehlers helfen statt einer anderen Unternehmensberatung, die sich erst teuer einarbeiten müsste.
Verlieren Sie Ihr Mammut-Mandat bei der Postbank wegen deren Übernahme durch die Deutsche Bank?
Das müssen Sie die Deutsche Bank fragen, die von unserem Wettbewerber KPMG geprüft wird.