Wöhrl zu Air Berlin "Einer marktwirtschaftlich ausgerichteten und demokratischen Nation unwürdig"

Hans Rudolf Wöhrl gilt als einer der reichsten Deutschen, er hat schon einmal eine Airline in Deutschland erfolgreich aufgebaut. Jetzt will er für die insolvente Airline Air Berlin mitbieten. Doch Wöhrl erntet dafür nur Häme und Spott. Ein richtiges Interview zu seinen Plänen will Wöhrl nicht geben. Er schickt lieber einer Stellungnahme. Wir zitieren die wichtigsten Passagen.

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Hans Rudolf Wöhrl, Flugunternehmer Quelle: Robert Brembeck für WirtschaftsWoche

Wie es nach der Insolvenz mit Deutschlands zweitgrößter Airline Air Berlin weitergeht, ist nach wie vor unklar. Seit Freitag laufen Gespräche zwischen Air Berlin und der Lufthansa. Auch der Nürnberger Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl signalisiert Interesse: Er will die Fluglinie komplett übernehmen. In einer Stellungnahme, die wir auszugsweise an dieser Stelle veröffentlichen, beantwortet Wöhrl nun die wichtigsten Fragen zu seinen Plänen:

Welche Teile der Air Berlin wollen Sie übernehmen?
Die INTRO-Verwaltung, die ich einst gegründet habe, ist nur an einer Gesamtübernahme und Fortführung der Air Berlin interessiert.


Wie sieht Ihr Angebot konkret aus?
Bisher bestand unser Angebot in einer entsprechenden Absichtserklärung an die Insolvenzverwalter. Die Behauptung, es sei dort kein Schreiben eingegangen, hat man später revidiert: „Die E-Mail und das Fax sind leider in den vielen Air Berlin relevanten Schreiben untergegangen!“.

Sie sprechen von Investoren. Wer und wieviel Geld stecken dahinter?
Die INTRO-Verwaltung verfügt über ein Konsortium von Fachleuten, Investoren, Leasinggesellschaften und Fluggesellschaften, welche bei Bedarf zur Verfügung stehen. Wer und welche davon benötigt werden, lässt sich erst entscheiden, wenn eine
Fortführungsprognose erstellt ist. Im Vorfeld zu unserem Angebot haben wir diesen Kreis befragt und positive Rückmeldungen bekommen. Nach der heutigen Kenntnislage könnten wir das, was INTRO-Verwaltung alleine nicht bewältigen oder finanzieren kann, mit diesen Partnern abdecken.

Wie hoch schätzen Sie den Kapitalbedarf?
Diese Frage lässt sich ohne genaue Kenntnis über die aktuelle Lage der Firma nicht abschätzen.

Thomas Winkelmann, Chef der Air Berlin, hat Sie öffentlich als Trittbrettfahrer bezeichnet.
Bisher habe ich Herrn Winkelmann als seriösen Manager kennengelernt. Daher halte ich diese Äußerung für einen emotionalen Gefühlsausbruch. Dieser ist durchaus verständlich, denn Herr Winkelmann kam von Lufthansa zu Air Berlin
und vertritt offensichtlich nach wie vor die Interessen seines früheren Arbeitgebers. Das verstößt gegen Treu und Glauben gegenüber den Anteilseignern der Air Berlin, von denen auch INTRO mit rund 500.000 Aktien einer ist. Herr Winkelmann weiß sehr genau, welche Erfahrungen und welch guten Ruf die INTRO auf dem Gebiet der Luftfahrt hat. Dass wir diesen guten Ruf nicht um eines PR-Gags Willen riskieren würden, weiß auch er!

Aufstieg und Niedergang von Air Berlin
Kim Lundgren (l), Mitgründer und Präsident der 'Air Berlin Inc.' und Pilot, mit seinem Sohn Shane Lundgren, ebenfalls Pilot bei Air Berlin Inc. Quelle: airberlin
Joachim Hunold Quelle: airberlin
Einstieg ins Linienfluggeschäft Quelle: airberlin
Service an Bord von Air Berlin 2003 Quelle: airberlin
Niki Lauda (2009) Quelle: dpa
Airbus A 320 (2005) Quelle: airberlin
dba Air Berlin Quelle: AP

Was halten Sie von den diversen Erklärungen der Regierung?
Um ehrlich zu sein, bin ich entsetzt! Was in den letzten Tagen passierte, ist einer marktwirtschaftlich ausgerichteten und demokratischen Nation unwürdig. Ich kann gar nicht aufzählen, gegen wie viele Regeln verstoßen wurde und vermutlich noch wird. Es drängt sich der Eindruck auf, dass wir in Deutschland auf dem besten Weg zu einer sozialistischen Planwirtschaft sind, bei der nur noch Großbetriebe erwünscht sind.

Das klingt nach Verschwörung.
Da ich mich hüte, Dinge zu behaupten, die ich nicht beweisen kann, nur so viel; es würde mich nicht wundern, im Spiegel einmal einen ähnlich ausführlichen Bericht über diesen Fall, wie über den Flughafen Berlin, zu lesen wäre.

Wie sähe Wöhrls Air Berlin 2019 aus?

Was würden Sie tun, wenn INTRO-Verwaltung am Ende doch den Zuschlag bekäme?
Die Übernahme der kompletten Firma bedeutet zwangsläufig, dass der Geschäftsbetrieb zunächst unverändert fortgeführt wird. Details können erst nach einer genauen Ist-Analyse genannt werden. Air Berlin war ja zu Zeiten von Joachim Hunold mit dem Konzept: „Von der Provinz in die Welt“ sehr erfolgreich. Nach dem Einstieg von Etihad hat man, in der Hoffnung ein internationales Drehkreuz in BER aufbauen zu können, dieses Erfolgsmodell Stück für Stück aufgegeben. Dafür konnte Air Berlin herzlich wenig, aber darüber spricht heute kaum noch jemand. Unser Bestreben wäre es, teilweise zu den Wurzeln zurückzukehren, was den touristischen Verkehr anbetrifft. Dann würden wir uns intensiver wieder mit dem innerdeutschen und den europäischen Kurzstreckenverkehr befassen, denn eine so große Airline braucht Ganzjahresziele. Ein Punkt aber ist wichtiger als alles andere und diesen positiv zu belegen wäre schon die halbe Miete. Wir würden alles tun, um das Vertrauen der Mitarbeiter und damit das Vertrauen der Kunden wieder zu gewinnen. Air Berlin verliert Millionenumsätze, weil die Leute der Airline nicht mehr vertrauen. Das muss sich als erstes ändern und das können wir!


Was würde INTRO für die Mitarbeiter bedeuten?
Auch wenn ich nicht als Freund der Gewerkschaften gelte, so bin ich kein Feind meiner Mitarbeiter. Ganz im Gegenteil! Bei keiner unserer Beteiligungen haben wir die Sanierung auf dem Rücken der Belegschaft ausgetragen. Lediglich bei der dba haben die Mitarbeiter freiwillig auf 15 bis 20 Prozent ihres Gehaltes für ein Jahr verzichtet. Das war verbunden mit der Zusage, dass dieser Verzicht im Falle einer Kündigung zurückbezahlt worden wäre. Wir haben das Versprechen eingehalten, nach einem Jahr gab es bereits wieder neue Jobs und die alten, hohen Gehälter. Bei der LTU und allen anderen Sanierungen gab es keine Einschnitte für die Belegschaft! Unser Prinzip ist es, durch Produktivitätssteigerung sowohl den Personalstand als auch die Gehälter beizubehalten. Mit motivierten Mitarbeitern ist das kein Problem!

Wie lange glauben Sie würde es dauern, bis Air Berlin verlustfrei fliegen könnte?
Das hängt davon ab, wie schnell das Verfahren durchgezogen werden kann und wie der Vergleich mit den Gläubigern aussieht. Wenn ich meine Erfahrungen als Ansatz nehme, dann wird der Winter 2017/2018 hohe Verluste bringen, der Sommerflugplan 2018 könnte mit ein wenig Glück eine schwarze Null zeigen. Dann folgen noch einmal sechs schwierige Monate, die aber der Sommer 2019 ausgleichen könnte. Dann sollte/könnte Air Berlin gut dastehen.


Wie sähe Ihre Air Berlin 2019 aus?
Neben einem leistungsfähigen innerdeutschen Netz würde der touristische Verkehr das Programm klar dominieren. Wir würden nicht die billigste Airline sein, aber mit uns würde der Urlaub zwei Tage länger werden, weil wir Hin- und Rückflug zu einem Vergnügen machen werden. Bei der Langstrecke stünden ausschließlich touristische Ziele im Flugplan, möglichst solche die man 52 Wochen im Jahr anfliegen kann. Es gäbe eine teilweise Rückverlagerung in die „Provinz“, um - falls er bis dahin fertig sein sollte - über BER und Palma mit den Inlandsstrecken auch ein zusätzliches Passagieraufkommen zu generieren.

Das Versagen der Chefs
Joachim Hunold Quelle: dpa
Hartmut Mehdorn Quelle: dpa
Wolfgang Prock-Schauer Quelle: REUTERS
Stefan Pichler Quelle: dpa
Thomas Winkelmann Quelle: dpa


Manche bezeichnen Sie als jemanden, der Firmen kauft, um sie möglichst schnell wieder mit Gewinn zu verkaufen. Haben Sie das auch mit Air Berlin vor?
Die Firma Wöhrl wurde 1933 gegründet, war immer in Familienhand, nur leider hat mein Bruder (er übernahm sie nach 2004 in zwei Schritten zu 100 Prozent von mir) massiv auf Expansion gesetzt und sich dabei übernommen. Das Ergebnis: Vor einem Jahr musste er unter den Schutzschirm schlüpfen, hat es aber leider nicht geschafft, ein erfolgversprechendes Fortführungskonzept zu unterbreiten. Er hat den größten Teil seines Vermögens verloren und am Ende war es mein Sohn Christian Greiner, der mit meiner Unterstützung die Firma als Ganzes retten konnte. Wenn es uns ums Geld ginge, hätten wir das in dieser schwierigen Zeit für den Handel sicherlich nicht getan. Nichts anderes war es beim NFD. Wir nahmen 1989 mit Karstadt und ILG zwei vermutlicher Partner auf. Als durch die Insolvenz von ILG (Air Europe) auch der NFD bedroht war, kauften wir alle Anteile zurück. Das kostete viel Geld, war extrem riskant, aber ich fühlte mich gegenüber meiner Mitarbeitern in der Verantwortung.
Ich bin ziemlich emotional, aber ich bin auch Realist. Daher beteilige ich mich, wo ich eine Chance sehe, aber ich bin auch bereit, mich von einem Engagement zu trennen, wenn es keine Zukunft hat. Da muss man auch mal eine verlustreiche Schließung in Kauf nehmen. Im Normalfall aber gibt es strategische Lösungen, die genau eine solche verhindern. Kaufen und Verkaufen gehören einfach zusammen, wer darin etwas Schlechtes sieht, der hat von Wirtschaft keine Ahnung!

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