Wohnungsvermietung Airbnb & Co. geraten in Paris zunehmend unter Druck

In keiner Stadt der Welt gibt es so viele Airbnb-Angebote wie in Paris. Doch der Widerstand der Anwohner gegen die Internetplattform wächst.

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Die französische Hauptstadt ist eines der beliebtesten Reiseziele weltweit. Quelle: dpa

Paris Die ersten zahlenden Gäste für die Wohnung im Erdgeschoss waren noch völlig harmlos: Eine Familie hatte sich über das Internetportal Airbnb eingemietet, um Paris kennenzulernen - so wie Millionen andere Touristen. Doch für Franck Briand, der in der Wohnung darüber wohnt, war es der Beginn dessen, was er als seinen persönlichen „Airbnb-Albtraum“ bezeichnet.

Denn in den folgenden vier Jahren gab es in der Wohnung ständig feuchtfröhliche Partys bis tief in die Nacht. Und immer wieder ratterten die Rollkoffer neuer Gäste über das Kopfsteinpflaster des Innenhofs. Eigentlich wolle er weg, sagt Briand. Aber er sehe auch nicht ein, jetzt aufzugeben.

Jedes Jahr bringen Touristen aus aller Welt Milliarden Euro nach Paris. Rund 300.000 Jobs sind in der französischen Hauptstadt vom Tourismus abhängig. Doch zunehmend wächst bei den Einwohnern und im Rathaus das Unbehagen, so viele Besucher in seiner Mitte zu haben – und zwar nicht in Hotels, sondern in online gemieteten Privatunterkünften Seite an Seite mit den Bürgern.

Noch hat der Widerstand gegen die private Vermietung von Unterkünften an Touristen nicht das Ausmaß anderer Top-Reiseziele wie Venedig oder Barcelona erreicht, wo es schon wiederholt öffentliche Proteste gab. Aber die Befürchtungen sind in nahezu allen Metropolen Europas gleich: Der Massentourismus mit seinen Online-Plattformen vertreibt die Einwohner durch höhere Preise, höhere Mieten und ganz offener Belästigung.

Jacques Boutault, Bürgermeister des 2. Arrondissements, gehört zu jenen, die Alarm schlagen. In seinem Stadtteil befinden sich einige der größten Sehenswürdigkeiten, darunter das Museum Centre Pompidou. Seit Airbnb Paris im Sturm erobert hat - keine andere Stadt weltweit ist auf der Plattform mit mehr Mietangeboten vertreten - geht die Zahl der Anwohner zurück, wie er sagt.

„Die Bevölkerung ändert sich komplett – von denjenigen, die jahrelang hier waren, hin zu denen, die nur auf der Durchreise sind“, sagt Boutault, der seit 17 Jahren im Amt ist. Sein Stadtteil habe in den vergangenen Jahren rund 3000 Bewohner verloren, das entspreche einem Anteil von zehn Prozent, darunter viele Familien. Drei Schulen hätten deswegen bereits Klassen geschlossen.

„Ich will nicht der Bürgermeister eines Museums sein, in dem Menschen ein bisschen Zeit verbringen und dann wieder gehen“, sagt er. „Es ist wichtig, dass die Innenstädte authentisch und lebendig bleiben. Deswegen kommen ja auch die Touristen.“

Im Jahr 2012 waren bei Airbnb 4000 Quartiere im Raum Paris gelistet. 2015 wurde Airbnb-Chef Brian Chesky im Rathaus empfangen, da waren es bereits 40.000 Wohnungsangebote. Heute sind es allein im Stadtgebiet von Paris 65.000. Aber die Beziehungen zwischen Rathaus und Unternehmen haben sich verschlechtert.

Der stellvertretende Bürgermeister von Paris, Ian Brossat, ist zuständig für das Ressort Wohnen. 20.000 Wohnungen und Häuser habe Paris in den vergangenen fünf Jahren verloren, sagt er. Dort hätten einst Pariser gelebt, jetzt seien es Touristen. „Das sind getarnte Hotels.“

Airbnb habe sich von seinem ursprünglichen Modell entfernt, sagt er. „Wir haben die Sharing Economy verloren, dafür gibt es jetzt eine Art Raubtier-Kapitalismus, bei dem Geschäftsleute Wohnungen, manchmal ganze Gebäude kaufen, um sie in Gelddruckmaschinen zu verwandeln. Unsere Rolle ist es, wieder etwas Ordnung herzustellen.“

Um das Wachstum von Airbnb und ähnlichen Plattformen zu regulieren, hat die Stadt Eigentümer verpflichtet, sich online zu registrieren. Nur Pariser, die in der Unterkunft auch selbst leben, dürfen sie an Touristen vermieten – und das auch nicht länger als 120 Tage im Jahr. Wenn sie noch andere Immobilien in Paris besitzen, dürfen sie diese nicht an Touristen vermieten.

Doch selbst mit Inspektionsteams, die von Tür zu Tür gehen und Strafen verhängen, werden diese Vorschriften immer wieder umgangen. Brossat fordert deswegen ein komplettes Verbot für die Vermietung ganzer Privatquartiere an Touristen im Zentrum von Paris. Nur wenn der Besitzer in der Unterkunft lebe, solle er leerstehende Räume auch vermieten dürfen.

Airbnb Frankreich nennt Brossats Vorschlag in einer Erklärung „ohne Bezug zur öffentlichen Meinung“ und „losgelöst von der legalen Realität“. Wenn die Pariser ihr Eigentum auf Airbnb vermieteten, „erhöht das ihre Einkommen und ermöglicht ihnen, ihre Lebenshaltungskosten in ihren Gemeinden zu decken, wo der Wohnraum schon seit Jahrzehnten nicht mehr den Bedarf deckt“.

Mehr Druck auf die entsprechenden Online-Plattformen soll mit einem neuen Gesetz ausgeübt werden, das noch vom Parlament abgesegnet werden muss. Es ermöglicht hohe Geldstrafen bei Verstößen gegen die französischen Vermietungsregeln.

Brossat hofft, dass das Gesetz einen Wendepunkt markiert. „Die Gentrifizierung von Paris hat nicht mit Airbnb begonnen. Aber Airbnb ist ein Beschleuniger der Gentrifizierung“, sagt er. „Das Risiko ist, dass Paris nicht länger eine Stadt ist, die von seinen Bürgern bewohnt wird, sondern nur noch von Touristen und ausländischen Investoren.“

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