Morgens kurz vor zehn, Wolfgang sitzt – nach vier Eingewöhnungswochen neben dem Vater – an einem Schreibtisch in der Einkaufsabteilung von Trigema. „Wolfgang Grupp Junior“, meldet er sich am Telefon, um nicht mit dem Senior aus den Talkshows verwechselt zu werden. Wolfgang checkt heute viel Klein-Klein, von den Dispositionslisten für Knöpfe über Reißverschlüsse und Schleifchen bis zu den Zahlen der firmeneigenen Tankstellen. Seine nächste Station wird die Verkaufsabteilung sein, wo gerade eine Stelle frei geworden ist.
Schwester Bonita arbeitet dort bereits. Sie kümmert sich um den Online-Shop, den Grupp vor gut zehn Jahren einrichten ließ. Inzwischen trägt das Internet, darunter auch Handelsplattformen wie Zalando und Otto.de, zwölf Prozent zu den Firmeneinnahmen bei. Während Grupp persönlich sich dem Web verweigert und nicht einmal E-Mails schreibt oder empfängt, sieht Bonita in der Digitalisierung ihre große Leidenschaft. „Ich habe mich immer sehr für Social Media interessiert“ , sagt sie. Heute überprüft sie, ob die Artikel des neuen Trigema-Katalogs richtig im Internet eingespielt sind, und unterstützt die Online-Abteilung beim Relaunch des firmeneigenen Web-Shops.
Das bisher größte Erfolgserlebnis der Geschwister bei Trigema war ein T-Shirt, das sie zwischen dem Halbfinale und dem Titel-Gewinn der deutschen Nationalelf bei der Fußball-WM in Brasilien kreierten und nach dem Sieg gegen Argentinien blitzschnell über das Internet auf den Markt warfen. Die Idee für den Aufdruck „Wir können alles, auch Weltmeister“ hatte Wolfgang, die Platzierung auf der Web-Site besorgte Bonita. Mehrere Tausend Stück à 29 Euro habe Trigema in wenigen Tagen verkauft. „Das konnten wir nur“, sagt Bonita, weil wir in Deutschland und auf Lager produzieren und damit sehr flexibel sind.“ Als Nächstes darf sie den Online-Verkauf von Trigema-Shirts in China betreuen, den Grupp gerade perfekt gemacht hat.
Kinder als Konzernlenker
Doch was bringen die beiden Fabrikantenkinder mit, um einmal Trigema zu führen, außer Englisch wie Muttersprachler zu beherrschen, Master-Arbeiten über die Textilindustrie verfasst zu haben und Vater und Mutter abgöttisch zu lieben? Diese Kernfrage kann kein stundenlanges Gespräch, keine Begegnung am Arbeitsplatz und vermutlich nicht einmal der Vater oder die Mutter sicher beantworten. Belastbare Hinweise können eher diejenigen geben, die Wolfgang und Bonita über Jahre begleiteten und Momente erlebten, die nur sie mit ihnen teilten.
Huma Kabakci, 24, ist die Tochter eines reichen türkischen Kunstsammlers. Fast acht Jahre verbrachte sie mit Bonita, von 2004 im Internat in der Schweiz bis zum Ende des Studiums in London 2013. Bonita pflege ein „sehr gesundes Verhältnis“ zu Bruder Wolfgang und zeichne sich durch außergewöhnliche Empathie aus. „Als mein Vater 2009 starb, war Bonita immer für mich da“, sagt Kabakci. Sie besitze einen „starken Charakter“ und die „Fähigkeit, zu integrieren“. Als Bergführerin bei Wanderungen in den Alpen etwa habe sie „viel Feingefühl“ gegenüber Mitschülern bewiesen, sei aber auch „energisch und motivierend zugleich“ aufgetreten. Wenn Bonita von Trigema und dem Geschäft spreche, sei sie „sehr leidenschaftlich“, aber auch „very down to earth“, sehr geerdet, nicht vom angelsächsischen Kapitalismus infiziert. Wer sie kenne, spüre die „Verwurzelung in den Anschauungen des Vaters“.
Charlotte de Brabandt, 27, kennt Bonita noch länger, seit 2001. Die Tochter zweier Gynäkologen aus Bielefeld, die inzwischen bei Porsche arbeitet, betont den Hang ihrer Freundin „zum Perfektionismus“. Seit Bonita sich für das Leben in Burladingen entschieden habe, sei sie die Woche über „komplett auf die Arbeit fokussiert“. Ebenso „komplett“ stehe sie „hinter ihrem Papa“, sagt de Brabandt, „ihr Vater ist ihr Idol“.
Auch an Wolfgang fällt langjährigen Weggefährten auf, wie sehr er „den Vater bewundert und zu ihm aufschaut“. Das sagt die Araberin Dania Champs, 23, die ihn erstmals 2002 im Internat traf. Er sei „super organisiert“, alles, was er anpacke, klappe. Der Franzose Anthony Comas, 23, hat fünf Jahre mit Wolfgang das Zimmer im Internat geteilt. Er findet, sein deutscher Freund mache „keine halben Sachen, immer alles zu 120 Prozent“. Die Entscheidung, nach der Schweiz und London „gleich nach Burladingen gegangen zu sein“, sei allerdings „sehr mutig“ gewesen.