Xing, das in Deutschland bereits 2005 (gut vier Jahre früher als LinkedIn) gestartet ist, hat nach eigenen Angaben derzeit 8,8 Millionen Mitglieder in Deutschland; weitere 1,6 Millionen User kommen in den beiden Alpenländern Österreich und Schweiz dazu. Doch der Vorsprung Xings gegenüber den Amerikanern schmilzt rasant: Noch Anfang 2013 hatte Xing doppelt so viele Nutzer im deutschsprachigen Raum wie LinkedIn; inzwischen beträgt der Abstand noch 13 Prozent.
LinkedIn, das derzeit vom Softwareriesen Microsoft gekauft wird, aber ein eigenständiges Unternehmen bleiben soll, steigerte seine Mitgliederzahl in den drei deutschsprachigen Ländern in den letzten sieben Monaten um eine Million Nutzer. Seit Anfang 2015 ist das Karrierenetzwerk um drei Millionen Mitglieder gewachsen. Weltweit sind 450 Millionen Menschen über die Plattform vernetzt.
Hatten die Geschäftsführer von LinkedIn-Deutschland vor einem halben Jahr noch die Möglichkeit eines einträglichen Nebeneinanders zwischen Xing und LinkedIn in Deutschland betont, gibt sich Barbara Wittmann, Mitglied der LinkedIn-Geschäftsführung, im Interview mit der WirtschaftsWoche nun angriffslustiger: „Es gibt viele, die auf beiden Netzen aktiv sind; aber auf die lange Sicht werden sich die meisten Menschen für ein berufliches Onlinenetzwerk entscheiden“, sagte Wittmann, „da LinkedIn sehr viel globaler aufgestellt ist und die meisten Menschen in ihrem beruflichen Alltag nicht mehr nur deutsche Kontakte haben, hoffen wir natürlich, dass sie sich für LinkedIn entscheiden.“
Der Großteil der LinkedIn-Mitglieder sei unter 35 Jahre alt, so Wittmann, „die Mehrzahl von ihnen verfügt über ein mehr oder weniger internationales Netzwerk, das bei Praktika oder Universitätsaufenthalten im Ausland entstanden ist.“
Die LinkedIn-Geschäftsführerin sieht das Ende des Nutzerwachstums für LinkedIn in Deutschland, Österreich und der Schweiz noch nicht erreicht: „Wir gehen von einem Potenzial von rund 25 Millionen Mitgliedern in der DACH-Region aus“, sagte Wittmann. Derzeit seien erst rund 30 bis 40 Prozent der deutschen Fach- und Führungskräfte auf LinkedIn präsent; in den USA oder UK liege diese Quote bei über 80 Prozent.
Nicht nur die Internationalere Ausrichtung mache LinkedIn für viele User interessanter als Xing, so Wittmann, sondern auch das weit höhere Aktivitätslevel seiner User. Salopp ausgedrückt: Auf LinkedIn passiert mehr als auf Xing. So sind die Mitglieder aktiver beim Teilen und Diskutieren beruflicher Inhalte wie zum Beispiel von Branchennews, Fachartikeln oder wissenschaftlicher Beiträge.
Allerdings hinkt LinkedIn in Deutschland in Sachen aktive Nutzer dem internationalen Vergleichsmaßstab noch weit hinterher: amerikanische, skandinavische, französische oder britische LinkedIn-Mitglieder seien im Schnitt viel aktiver als die deutschen, heißt es aus München. Um das zu ändern, will LinkedIn-Deutschland nach dem US-Vorbild ein eigenes redaktionelles Angebot aufbauen, in dem News, Artikel, Blog-Beiträge der Mitglieder und Essays der so genannten Influencer (prominente Mitglieder wie Barack Obama, Bill Gates oder Richard Branson) in die Timeline der Mitglieder einfließen. Allerdings bekam Konkurrent Xing von den Plänen im Sommer Wind und versucht seitdem, ein ähnliches Autoren-Angebot aufzubauen.
LinkedIn versucht darüber hinaus, seine Mitglieder ständig mit neuen Funktionen bei Laune zu halten. Die meisten sind auf die engere Kern-Zielgruppe latent und akut wechselwillige Fach- und Führungskräfte zugeschnitten. Anders als Xing verdient LinkedIn sein Geld fast ausschließlich mit Marketing- und Personalsuche-Software sowie mit Big-Data-Anwendungen rund um die eigenen User-Daten. Die eigentliche Mitgliedschaft mit weitreichenden Funktionen ist bei LinkedIn dagegen kostenlos.
Neu in den USA - und in einigen Monaten auch in Deutschland aktiv - ist die Funktion Open Candidates, die es Mitgliedern erlaubt, Headhuntern und Personalern zu signalisieren, dass sie auf Jobsuche sind – ohne dass dies sichtbar für Recruiter aus dem eigenen Unternehmen wird.