Yachthafen Rostock Vom Prestige-Objekt zum Sündenfall

Die europäischen Steuerzahler haben vor Jahren den Bau eines neuen Yachthafens samt Hotels in Rostock mit 47 Millionen Euro bezuschusst. Die Staatsanwaltschaft wittert Betrug. Ab Montag wird der Fall vor dem Landgericht in Rostock verhandelt.

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Vor dem Landgericht Rostock einer der spektakulärsten Wirtschaftsprozesse in der Geschichte Mecklenburg-Vorpommerns ,wo sich der Investor Per Harald Løkkevik wegen Subventionsbetrugs verantworten muss. Quelle: dpa

Die Suiten im Wellnesshotel bieten den Bewohnern einen imposanten Blick: Sie schauen aufs Meer, weiße Yachten die im Hafen schippern, eine moderne Promenade mit Sitzbänken und Restaurants. Manchmal landet gar ein Hubschrauber auf dem hoteleigenen Landeplatz und bringt Urlauber aus dem nahegelegenen Heiligendamm vorbei, die in dem mediterranem Ambiente von Rostocks Stadtteil Hohe Düne einen Kaffee trinken wollen.
Ermöglicht wird ihnen das von den europäischen Steuerzahlern. Mit 47 Millionen Euro haben sie den knapp 100 Millionen Euro teuren Bau des Yachthafens samt Wellnesshotel, benachbartem Kongresszentrum zuzüglich Tagungshotel unterstützt. Das ist auch der Grund, warum sich seit dieser Woche das Landgericht Rostock mit dem Bau beschäftigt.
Dabei geht es im Kern um die Frage, ob die Beteiligten - allen voran Bauunternehmer Per Harald Løkkevik tatkräftig unterstützt von Mecklenburg Vorpommerns ehemaligem Wirtschaftsminister Otto Ebnet - das ganze Vorhaben absichtlich so strukturiert hat, dass das Land alleine über die Zuschüsse aus der Staatskasse befinden und EU-Behörden herausgehalten werden konnten. Die Materie ist komplex. Die Beweisführung schwer. Der Ausgang höchst ungewiss.


Vor zwölf Jahren war „Hohe Düne“ noch Niemandsland. Gestrüpp, kleine Bäumchen und Geröll regierten an dem Platz, auf dem heute die Neubauten stehen. Bis sich Leipzig mit Rostock-Warnemünde als Segelrevier um die Olympischen Sommerspiele 2012 bewerben wollte. Ein moderner Yachthafen musste her. Aus internen Dokumenten geht hervor, dass das Projekt im Wirtschaftsministerium eine hohe Priorität und die Regierung durchaus ein großes Interesse daran hatte, den Bau schnell voranzutreiben - gerne ohne die EU einbinden zu müssen.


Dagegen hatte wohl auch Løkkevik nichts. Der soll deshalb, so die Auffassung der Staatsanwaltschaft, das Bauvorhaben rund um den Yachthafen in zwei Projekte geteilt haben. In das Projekt Hafen samt Wellnesshotel und das Projekt Kongresshotel nebst Tagungszentrum. Dadurch blieb das Investitionsvolumen jeweils unter 50 Millionen Euro, wodurch das Land nach damals geltendem Recht ohne Zustimmung der EU entscheiden konnte, ob die Fördermittel fließen. Dass das gesamte Vorhaben in zwei Projekte aufgeteilt wurde, ist erst einmal nichts schlimmes - so lange die Trennung nicht nur auf dem Papier existiert - also tatsächlich zwei Betriebsstätten geschaffen wurden und die Aufteilung nicht allein dazu diente die Notifizierungspflicht zu umgehen.

Die Hotels sind miteinander verbunden

Per Harald Lökkevik ist Vorstand der ODIN AG. Quelle: dpa

Das zu prüfen klingt trivialer, als es ist. Das Gericht muss – vereinfacht ausgedrückt - durchspielen, ob die beiden Betriebe noch funktionstüchtig und wirtschaftlich tragfähig wären, wenn zwischen ihnen eine hohe Mauer gezogen und beide ohne den jeweils anderen weiter existieren müssten. Die Bauweise. Das Wellnesshotel, als auch das Kongresszentrum nebst Tagungshotel sind in unterschiedlichen Gebäuden untergebracht. Beide Einheiten verfügen über eine eigene Warenannahmestellen, Kühlräume, Geschirrlager, Werkstätten und Personalräume. Jeder hat seine eigenen Mitarbeiter und seine eigene Kasse. Das spricht erst mal dafür, dass hier tatsächlich zwei Betriebe existieren.
Die kooperieren allerdings miteinander. Die Gäste des Tagungshotels können kostenlos die Wellnessanlage des anderen Gasthauses nutzen. Beide Hotels sind über Laubengänge miteinander verbunden. Sie teilen sich etwa ein Blockheizkraftwerk, eine Datenzentrale sowie ein Notstromaggregat. Das mache beide Bauten zu einer sich ergänzenden Einheit, meint die Staatsanwaltschaft. „Die einheitliche Architektur und die identische Einrichtung aller Gebäude wurde von dem Angeschuldigten geplant um eine Vermarktung des Gesamtobjektes zu forcieren“, heißt es in der Anklageschrift.


Der Anwalt der beiden Hotelbetriebe sieht das anders. Die beiden Unternehmen seien baulich und technisch unabhängig, die Kooperationen ohne großen Aufwand für beide Parteien auflösbar. Einen weiteren Gas- oder Ölkessel oder ein Notstromaggregat sowie eine weitere Datenzentrale zu schaffen „ist technisch problemlos und mit überschaubarem finanziellem Aufwand realisierbar.“
Die Verköstigung. Ein weiteres Argument der Staatsanwaltschaft ist, dass das Kongresshotel kein auf 245 Gäste ausgerichtetes a-la-Carte-Restaurant und auch keine dafür ausgerichtete Küche hat. Somit könnte es vom Wellnesshotel abhängig sein. Das würde dafür sprechen, dass die Hotels in Rostock in Wahrheit nur eine Betriebsstätte darstellen. Oder doch nicht?


Das Kongresshotel hat jedoch ein eigenes Restaurant, das laut Anwalt der Unternehmen laufend als Frühstücksraum und für Abendveranstaltungen genutzt werde. Zwar hat das Tagungshotel selbst in der Tat keine eigene Küche, dafür aber das zum Unternehmen gehörende angrenzende Kongresszentrum das bis zu 1200 Personen verköstigen kann. Das spricht wieder für zwei Betriebsstätten – oder nicht? Die Frage, ob die Küche im Kongresszentrum nicht ausreichen würde, um die Gäste des Tagungshotels zu verköstigen, beantwortete die Staatsanwaltschaft gegenüber der WirtschaftsWoche nicht. Im Hinblick auf die anstehende Hauptverhandlung könnten keine Erklärungen zu einzelnen Anhaltspunkten gemacht werden, heißt es. In der Anklageschrift verweist die Staatsanwaltschaft darauf das Løkkevik ursprünglich geplant hatte, dass beide Hotels „von einem zentralen Restaurant beliefert“ werden – was allerdings so nicht umgesetzt wurde.

Jede Gesellschaft sei profitabel

Yachten in neuem Design
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Das Publikum. Laut Anklageschrift argumentiert die Staatsanwaltschaft weiter, nur beide Hotels hätten gemeinsam Aussicht auf wirtschaftlichen Erfolg. Eine Insolvenz einer der Gesellschaften hätte die Insolvenz der anderen aufgrund der diversen Kooperationen und der Haftungsstrukturen zur Folge. Der Anwalt der Hotels hält dagegen: „Es gibt zahlreiche Hotels gerade auch an der Ostseeküste, die sich ausschließlich entweder an den Individualtouristen im Hochpreissegment“ oder an Tagungsgäste wenden und damit erfolgreich seien. Wenn beide Hotels getrennt am Markt auftreten, „würden sie unterschiedliche Kundenkreise ansprechen, nämlich einerseits Individualgäste im Hochpreissegment“ und Tagungsgäste andererseits. Zudem sei jede Gesellschaft für sich genommen profitabel.
Allein anhand der Argumente beider Parteien wird deutlich, dass wohl eine langwierige Beweisaufnahme nötig sein wird, um den Sachverhalt zu klären. Dabei ziehen sich die Ermittlungen schon bald vier Jahre hin. Die Staatsanwaltschaft Rostock hatte im August 2011 Anklage erhoben. Die Wirtschaftskammer des Landgerichts Rostock lehnte es allerdings ab, ein Verfahren zu eröffnen, weil es eine Verurteilung als nicht wahrscheinlich ansah. Das Oberlandesgericht kippte die Entscheidung des Landgerichts und ermöglichte damit den jetzt stattfindenden Prozess. Unterdessen saß der Angeklagte zehn Monate in Haft. „Die bereits im Ansatz falschen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft“, schimpft sein Verteidiger, hätten zu einem erheblichen Reputationsverlust seines Mandanten als Geschäftsmann geführt.
Wird Løkkevik wegen Betrugs verurteilt, könnte es für die beiden Hotelbetriebe mit mehr als dreihundert Mitarbeitern brenzlig werden, obwohl bislang unklar ist, ob dem Land Mecklenburg Vorpommern ein monetärer Schaden dadurch entstanden ist, dass das Projekt nicht von EU-Behörden abgesegnet wurde. Ob die Mitarbeiter der Brüsseler Behörde das Vorhaben damals abgesegnet oder aber die Fördersummen gekürzt hätten, lässt sich heute nicht mehr rekonstruieren.

Wird Løkkevik verurteilt steht dennoch die gesamte Fördersumme in Höhe von 47 Millionen Euro auf dem Spiel, weil der Unternehmer den kompletten Anspruch im Nachgang verlieren könnte. Das Land könnte die Summe von Løkkevik zurückfordern und wird dies wohl auch tun - selbst wenn sich herausstellen sollte, dass Mitarbeiter des Landes an der Struktur mitgewerkelt haben und selbst ein Interesse daran hatten, das Projekt möglichst zügig durchzudrücken. Würden die Vertreter des Landes Mecklenburg Vorpommern die Summe nämlich nicht zurückfordern, könnte das eine Untreue darstellen. Die Steuerzahler werden aber wohl ohnehin viel von ihrem Geld wiedersehen. Die 47 Millionen Euro wurden komplett verbaut. Die beiden Hotelbetriebe, die zuallererst haften würden, erwirtschaften je 500.000 Euro Überschuss pro Jahr. Damit lässt sich die Schuld auf absehbare Sicht wohl nicht tilgen. Ob Løkkevik ausreichend Geld hätte, um die Summe zurückzuzahlen ist nicht bekannt.

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