Zwischen Stehplatz und Luxusbett Der Wahnwitz der neuen Flugzeugsitze

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Die neuen Wege der Flugzeug-Designer

In der lange tot gesagten First Class hatte die Renovierungswelle bereits Erfolg. Laut einer Studie der britischen Marktforschungsfirma OAG verkauften die Airlines im noblen Vorderteil mit gut 86 Millionen Tickets im Jahr 2014 gut ein Drittel mehr Tickets als fünf Jahre zuvor. Trotz Billigboom wuchs das Luxusfliegen fast genauso schnell wie der Flugverkehr insgesamt.

In der Holzklasse ist das Ziel, mehr Umsatz pro Quadratmeter Fläche zu machen, schwieriger zu erreichen. Zwar fallen die Kosten eines Sitzes gering aus und betragen selten mehr als 2000 Euro pro Stück. Doch viele der einfachen Verbesserungen sind bereits ausgereizt. Seit Jahren gehen die Airlines den einfachsten Weg: sie magern die Rückenlehnen ab und bringen bei gleicher Beinfreiheit mehr Reihen unter.

So ist die Lehne der Lufthansa von gut 15 Zentimetern Ende der neunziger Jahre bis heute auf deutlich unter zehn Zentimetern geschrumpft. Da gleichzeitig noch die Bordküchen verkleinert und ein paar Toiletten ausgebaut wurden, passen heute bis zu drei Reihen mehr mit 18 zahlenden Passagieren in die Maschine. Das entspricht einem Umsatzsprung von gut zehn Prozent. „Viel enger geht es nicht ohne dass sich die Leute entweder die Knie stoßen oder ihren Vorderleuten ständig in den Steiß rammen“, so ein Airliner.

Also versuchen die Designer, neue Wege zu gehen. Die meisten davon arbeiten relativ konventionell und drücken vor allem die Rückenlehne auf teilweise nur noch drei Zentimeter zusammen. Sie drucken die Sicherheitskarten auf die Lehne und machen die Fächer so eng, dass kaum mehr als die Übelkeitstüten rein passt. Doch es gibt auch mutigere Ansätze.

Skycouch

Den vorhandenen Platz besser zu nutzen, das praktiziert bereits seit gut drei Jahren Air New Zealand. Der Lufthansapartner hat einen Teil seiner Sitze zur Skycouch erweitert. Dabei können Reisende vor einer klassischen Dreierreihe ein Polster hochklappen, bis an die Vorderreihe schieben und so ein Himmelssofa machen, auf dem Eltern mit Kindern oder Paare mit angezogenen Beinen ruhen können.

Breiter Mittelsitz

Eine einfache Idee hat auch der US-Billigflieger Frontier. Weil Passagiere auf dem Mittelsitz in der Regel besonders unzufrieden waren, ist bei der sonst für besondere Strenge bekannten Linie der Zentralsessel fast drei Zentimeter breiter als die Gang- oder Fensterplätze.

Gegen die Flugrichtung

Noch nicht im Einsatz, aber besonders radikal ist die Idee des französischen Sitzriese Zodiac. Der schrumpft bei seinem Hexagon-Sessel nicht nur die Rückenlehne auf die Stärke eines Wartesessels im Busbahnhof. Er dreht auch jeden zweiten Platz in einer Reihe gegen die Flugrichtung und verzichtet komplett auf Armlehnen. Das spart nochmal zwei Zentimeter Abstand zwischen den Reihen, weil größere Passagiere schrägsitzen und ihre Beine nun unter den Platz des gegenüber sitzenden packen können.

Der Clou ist, dass parallel sitzende Passagiere mit ihren Schultern enger an einander rücken können. Damit passt in jede Reihe ein Platz mehr auf der Kurzstrecke und bei großen Langstreckenfliegern sogar zwei. Und der Kunde fühlt sich wohl, so Zodiac. Er hat zwar nun ein Gegenüber – knapp 40 Zentimeter vor der Nase. Dafür entfällt der Streit um die Armlehne.

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