Discounter Das strategische Dilemma des Aldi-Imperiums

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Grafik: Die Auslandsaktivitäten von Aldi Nord und Aldi Süd

Kurz zuvor hatten die Albrechts die Republik unter sich aufgeteilt. Sie sollen sich nicht darüber einig geworden sein, ob Zigaretten ins Sortiment gehören.

Also bekam Karl den Süden und schlug sein Hauptquartier in Mülheim auf, Theo beackerte fortan von Essen aus den Norden. Die Demarkationslinie, der soge-nannte Aldi-Äquator, verläuft mitten durch Hessen und Nordrhein-Westfalen.

Dem Siegeszug tat die Grenzziehung keinen Abbruch. Die Brüder Karl und Theodor Albrecht wurden Multimilliardäre – und Aldi zu einer der größten Erfolgsgeschichten im deutschen Handel.

Statt teure Markenartikel in die Regale zu stellen, erfand das Unternehmen Eigenmarken, die nicht der damals geltenden Preisbindung durch die Industrie unterlagen – und entsprechend billiger angeboten wurden. Konkurrenten wie Lidl tauchten auf, Aldi wuchs weiter und eroberte neue Kundenschichten. In den Neunzigerjahren standen Kunden oft vor Ladenöffnung Schlange, um Computer des Discounters zu ergattern. Aldi wurde in Deutschland Kult und begann sukzessive auch das Ausland zu erobern.

Billigprimus gerät an Wachtumsgrenzen

Auch jenseits der Landesgrenzen teilten die Albrechts ihre Einflusssphären brüderlich auf. Doch neuerdings stößt der Billigprimus an seine Wachstumsgrenzen. Der Ritt nach Kroatien und in die Slowakei wurde abgeblasen. Aus Griechenland wird sich Aldi Süd am Jahresende zurückziehen.

Vor allem aber lahmen die Geschäfte in der Heimat. Kein Wunder: Fast jeder Deutsche kann inzwischen in ein paar Autominuten den Discounter seiner Wahl erreichen. Noch mehr Aldi-Läden braucht kein Mensch, zumal Lidl und Netto ihre Filialzahl kräftig aufgestockt haben.

Die Folgen lassen sich im Zahlenwerk des Marktführers besichtigen. Seit Jahren verliert Aldi nach Angaben von Konsumforschern in Deutschland Marktanteile.

Laut aktuellen Zahlen der Nürnberger GfK, die der WirtschaftsWoche vorliegen, büßten Aldi Nord und Süd im ersten Halbjahr 2010 insgesamt rund 3,7 Prozent Umsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ein. Aldi war im Juni "erneut der stärkste Verlierer", schreiben die GfK-Forscher, "nicht nur im Discountsegment, sondern im Lebensmitteleinzelhandel insgesamt“. Schon 2009 sollen die Umsätze laut GfK spürbar gesunken sein.

Brisant: Alle anderen Discounter haben mit einem Rückgang von zusammen 1,1 Prozent im ersten Halbjahr deutlich weniger verloren als Aldi, Erzrivale Lidl legte laut GfK sogar um 3,1 Prozent zu.

Aldi Süd setzt auf mehr Personal und Auswahl

Doch die Daten sind nicht unumstritten. "Wir haben eine positive Umsatzentwicklung in 2010 und sind damit zufrieden", hieß es erst vor wenigen Wochen aus dem Aldi-Süd-Reich als Reaktion auf frühere GfK-Zahlen.

Tatsächlich werden die Daten nicht nach Nord- und Süd-Reich aufgeschlüsselt. Doch Experten gehen davon aus, dass vor allem Aldi Nord zu kämpfen hat. Das Geschäft mit Aktionsartikeln laufe zäh, heißt es in der Branche. Zusätzlich drückt der selbst angezettelte Preiskampf auf die Marge.

Sicher, noch ist der Umsatzrückgang kaum mehr als eine kleine Delle in der Erfolgsgeschichte. Die Vorsteuerrendite lag nach den letzten verfügbaren Daten von 2008 bei 3,2 Prozent im Norden. Im hart umkämpften deutschen Einzelhandel ist das eine stattliche Größe. Das brüderliche Unternehmen glänzte sogar mit 4,9 Prozent. Auch wenn die Zahlen nur schwer vergleichbar sind, weil im Süden die Ergebnisse zweier Kaffeeröstereien sowie Gewinne aus Immobilienvermögen einfließen, werden die Unterschiede zwischen den beiden Unternehmen immer offensichtlicher.

Lange Zeit glichen sich die Aldi-Läden und -Sortimente ebenso wie Organisation und Kultur. Erst Mitte der Neunzigerjahre entwickelten sich die beiden Unternehmen auseinander. Damals zog sich Karl aus dem aktiven Geschäft zurück und übergab Managern die Verantwortung.

Inzwischen unterscheiden sich nicht mehr nur die Logos auf Hamburger und Münchner Aldi-Tüten. Die Läden im Süden wirken meist größer und aufgeräumter als die im Norden. Karls Reich setzt auf mehr Personal und mehr Auswahl.

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