Discounter-Preiskämpfe "Bei bestimmten Produkten Grenze erreicht"

Netto-Chef Franz Pröls über die Folgen der Plus-Übernahme, den Drill der Mitarbeiter in den Filialen und ein mögliches Ende des Preiskampfes im Lebensmittelhandel.

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Netto-Chef Franz Pröls Quelle: Martin Hangen für WirtschaftsWoche

Herr Pröls, schön dass wir Sie nachmittags interviewen dürfen. Ihre Mitarbeiter müssen auf Ihr Geheiß ja schon mal samstagmorgens um 7 Uhr bei Ihnen in der Zentrale in Ponholz antreten. Gehört das raue Betriebsklima zum Geschäftsmodell von Netto?

Bei uns herrscht kein raues Betriebsklima, aber eine klare Sprache: Wenn ein Markt nicht unseren Standards entspricht, dann muss ich mit den zuständigen Mitarbeitern offen und direkt reden – und Samstag ist im Einzelhandel ein normaler Arbeitstag.

Mitarbeiter aller Hierarchiestufen klagen über den Kasernenton und Drill bei Netto. Die Arbeitsbelastung sei extrem. Beschäftigte der ehemaligen Plus-Läden, die nun zu Netto gehören, würden gezielt aus dem Unternehmen gedrängt. Was sagen Sie zu den Vorwürfen?

Erst einmal: Die überwiegende Mehrheit der Mitarbeiter ist sehr zufrieden mit der neuen Situation. Ich habe äußerste Hochachtung vor den Leistungen unserer Mitarbeiter. Gerade in der Umbauphase haben sie sehr viel geleistet. Wir haben immerhin über 2300 Plus-Märkte auf Netto umgestellt. Dass Vorgesetzte dabei in Einzelfällen auch mal über die Stränge schlagen oder es Missverständnisse gibt, ist bedauerlich, lässt sich bei der Größe des Unternehmens leider nicht völlig vermeiden. Wir haben über 64 000 Mitarbeiter...

...Umgangsformen können doch aber keine Frage der Unternehmensgröße sein.

Das sehen wir auch so. Deshalb haben wir klare Regeln, an die wir uns halten. Darüber hinaus sind bei uns einige Punkte ganz klar geregelt: Überstunden werden ausgezahlt, im Krankheitsfall wird der Lohn weiter gezahlt, und es gibt selbstverständlich keine Anweisungen, Beschäftigte aus dem Unternehmen zu drängen.

Wie erklären Sie sich dann die Vielzahl von Beschwerden etwa in Online-Foren?

Wir nehmen das ernst. Man muss aber auch wissen, Online-Foren sind anonym, da wird vieles schnell mal geschrieben. Vielleicht haben wir die Mitarbeiter an der einen oder anderen Stelle durch die Geschwindigkeit der Veränderung und unsere hohen Leistungsstandards tatsächlich irritiert. Viele Mitarbeiter mussten sich daran erst gewöhnen. Inzwischen hat sich die Lage nach der Umstellungsphase entspannt. Natürlich hat auch die Angst eine Rolle gespielt, dass wir die alten Plus-Arbeitsverträge antasten. Aber diese Angst war unbegründet.

Hat sich die Übernahme von Plus gelohnt?

In den umgestellten Filialen verzeichnen wir ein Umsatzplus von zwölf Prozent. Dies zeigt: Wir haben unser Unternehmen so aufgestellt, dass wir Arbeitsplätze langfristig sichern und unsere Kunden zufrieden mit unserer Leistung sind.

Das Netto-Logo Quelle: Martin Hangen für WirtschaftsWoche

In der Branche heißt es, Netto hätte deutlich höhere Umsatzsteigerungen erwartet, vor allem in Berlin und im Ruhrgebiet soll es nicht rund laufen.

Die Geschäftsentwicklung liegt sogar über unseren Erwartungen. Wir sehen, dass nach einer Anlaufzeit unser Konzept von Kunden und Mitarbeitern anerkannt wird, sonst hätten wir nicht so großen Erfolg. In einigen Bundesländern war Netto vorher nicht präsent, da gibt es sicherlich längere Anlaufzeiten. Die Kunden haben gefragt: Wer seid ihr überhaupt? Verkauft ihr Reifen oder Lebensmittel? Aber mit der Zeit wird sich das einpegeln, und durch die Expansion wird Netto auch immer bekannter.

Das Land ist jetzt schon zugepflastert mit Discountern. Wie viel Platz sehen Sie noch für weitere Filialen?

Wir haben deutschlandweit jetzt rund 4000 Filialen, und wenn es sich nicht rechnen würde, würden wir auf neue Standorte verzichten. Aber das Gegenteil ist der Fall: Unser Ziel ist es daher, 2010 und 2011 jeweils rund 300 Filialen zu eröffnen, ein Drittel sind Ersatzstandorte für alte Filialen, der Rest neue Märkte.

Wann steht die Expansion ins Ausland an?

Das ist momentan kein Thema für uns. Aber man soll niemals nie sagen.

Ihr Konkurrent Lidl hat weniger Filialen in Deutschland, macht aber mehr Umsatz. Wie kommt das?

Lidl hat in vielen Bereichen andere Flächenstrukturen. Zudem setzen wir stärker auf Lebensmittel und verzichten auf große Gebrauchsartikel-Aktionen aus dem Nonfood-Geschäft. Wenn Sie heute etwa Computer oder Elektrogeräte verkaufen, können Sie natürlich sofort den Umsatz hochtreiben. Aber das ist nicht unser Kerngeschäft. Wir sind ein Lebensmittelspezialist und halten unsere Nonfood-Quote bei lediglich zwei bis drei Prozent vom Umsatz.

Umso härter traf Sie der Preisrückgang bei Lebensmitteln, der 2009 begann und sich in diesem Jahr fortsetzt. Gerade erst hat Lidl bei Markenartikeln den Rotstift angesetzt. Wie lange geht die Preisschlacht noch weiter?

Ich glaube, für bestimmte Produkte ist langsam eine Grenze erreicht. Das verstehen auch unsere Kunden. Wenn man sich die Situation auf den Rohstoffmärkten, etwa bei Getreide, Kaffee und Kakao, ansieht, wenn man die Unwetterkatastrophen in Russland und anderen Ländern betrachtet, die ganze Ernten vernichtet haben, dann dürften einzelne Waren im Herbst sogar wieder etwas teurer werden.

Haben Ihnen die Preisrunden das Geschäft verhagelt?

Wir geben Rohstoffpreissenkungen natürlich an unsere Kunden weiter, und wir verkraften das genauso gut wie unsere Wettbewerber. Unser Ziel ist es, 2010 mindestens den Gewinn des Vorjahres zu erreichen.

Wenn es so gut läuft, warum herrscht dann so ein Spardruck in den Filialen?

Geringe Kosten sind Voraussetzung für den Erfolg im Discountgeschäft. Und schließlich hat Netto als Discounter gegenüber den Kunden die Verpflichtung, die Kosten niedrig zu halten, sonst könnten wir keine niedrigen Preise bieten.

Dass Ihre Mitarbeiter die Arbeitskleidung teilweise selber kaufen müssen, in den Filiallagern mitunter die Beleuchtung gedrosselt wird, Pausenräume beim Umbau oft nicht mitrenoviert wurden, ist schon ungewöhnlich – selbst für Discounter.

Dies sind Einzelfälle. Es gab bei Plus einen Investitionsstau, der bei uns zu Engpässen in den Umbaukapazitäten geführt hat. Umgerechnet haben wir rund 100 000 Euro in den Umbau jeder Plus-Filiale investiert. Das ist eine Größenordnung, die sich in unserer Branche durchaus sehen lassen kann.  

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