Drogerie-Familie vor Gericht Das Schweigen der Schleckers

Ein Prozessauftakt wie eine Beerdigung: Wie versteinert und in schwarz verfolgen Anton Schlecker und seine Familie das Verfahren gegen sie. Fraglich ist, ob sie das bis zum Ende des Marathonprozesses durchstehen.

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Manchmal hat es den Eindruck, als bröckele die Fassade. Quelle: dpa

Stuttgart Anton Schlecker, der gefallene Drogeriekönig trägt zum Strafprozess schwarz, fast wie für eine Beerdigung. Die grauen Haare kurz geschoren, Rollkragenpullover und Anzug mit leichten Nadelstreifen lassen den hageren 72-Jährigen noch asketischer wirken. Die Fotografen können nicht genug Bilder von dem Mann bekommen, der sich stets in der Öffentlichkeit rar gemacht hat. Zuvor war es Schlecker gelungen, die Übertragungswagen vor dem Haupteingang des Stuttgarter Landgerichts zu vermeiden, und war durch den Seiteneingang erschienen.

Kurz vor 9 Uhr bittet Richter Roderich Martis die Bildpresse hinaus. Die angeklagte Familie sitzt in vier Reihen hintereinander im Sitzungssaal 18. Direkt hinter Schlecker nimmt seine Frau Christa im schwarzen Kostüm Platz. Die 69-Jährige müht sich, keine Regung zu zeigen. Hinter ihr Sohn Lars, 45, ebenfalls in schwarzem Anzug mit Rollkragenpullover, großer Brille und seinen auffallend gekräuselten langen Haaren. In der letzten Reihe Tochter Meike. Die 43-Jährige sorgt mit ihrem weinroten Kostüm für den einzigen leichten Farbtupfer beim Auftritt der Familie.

Doch die Mienen der einstigen Milliardärsfamilie wirken allesamt zunächst regungslos, als die Staatsanwälte im Wechsel die über 30 Anklagepunkte vorlesen. Und immer wieder wiederholen die Ankläger den Vorwurf, dass die Schleckers überzogen, rücksichtslos, sittlich anstößig und aus Gewinnsucht gehandelt haben. Alles Charakterisierungen, die den besonders schweren Fall des Bankrotts begründen sollen.

Für die Staatsanwaltschaft ist der Fall klar: Schlecker habe vorsätzlich Bestandteile seines Vermögens, das den Gläubigern zugestanden hätte, vor der Insolvenz im Jahr 2012 beiseite geschafft, so der Hauptvorwurf. Laut Anklage soll es sich um mehr als 20 Millionen Euro in vielen Einzelbeträgen handeln. Dabei geht es unter anderem um eine Wohnungsrenovierung seines Sohns Lars Schlecker für etwa eine Million Euro, eine Reise der Kinder für knapp 60.000 Euro sowie Geldgeschenke an vier Enkel in Höhe von insgesamt 800.000 Euro.

Außerdem wirft die Staatsanwaltschaft dem 72-Jährigen vor, den Zustand des Unternehmens im Konzernabschluss falsch dargestellt und vor dem Insolvenzgericht unrichtige Angaben gemacht zu haben. Mit auf der Anklagebank sitzen seine Frau Christa und seine beiden Kinder, Meike und Lars. Bei ihnen geht es um Beihilfe zum Bankrott.

Das nagt dann doch etwas an den versteinerten Gesichtern der Angeklagten. Manchmal hat es den Eindruck, als bröckele die Fassade, als wäre Anton Schlecker doch zerbrechlich. Er schaut an die Decke, faltet die Hände. Doch die Familie hält die Contenance, als die Staatsanwälte ihnen fast eine Stunde lang vorwerfen, Millionen aus dem Unternehmen gezogen zu haben, obwohl sie schon wusste, dass die Insolvenz bevorstand.


Schlecker schweigt zunächst

An diesem ersten von 26 angesetzten Verhandlungstagen spricht Schlecker noch nicht, nur seine Verteidiger. Und die weisen die Vorwürfe zurück. „Der Sachverhalt, um den es hier geht, ist komplex und verschließt sich einer einfachen und schnellen Beurteilung“, betont Schleckers Verteidiger Norbert Scharf. Er bezeichnet Schlecker als schwäbischen Kaufmann. Die Insolvenz sei für den Drogeriemarktgründer unvorstellbar gewesen: „Diese Firma war sein Lebenswerk.“

Wegen möglicher Beihilfe zum Bankrott sitzen Schleckers Frau Christa und die beiden Kinder Meike und Lars mit auf der Anklagebank. Sohn und Tochter müssen sich zudem zu Vorwürfen der Insolvenzverschleppung und Untreue einlassen. Sie sollen das Logistikunternehmen LDG als faktische Geschäftsführer um mehrere Millionen Euro geschädigt haben. Auch zwei Wirtschaftsprüfer stehen vor Gericht.

Europas ehemals größte Drogeriekette hatte im Januar 2012 Insolvenz angemeldet. Mehr als 25.000 Menschen in Deutschland und genau so viele im Ausland verloren ihren Arbeitsplatz.

Der Schlecker-Prozess wird ein Marathon. Und es wird letztendlich darum gehen, was ein Unternehmer darf und was nicht, wenn es seiner Firma immer schlechter geht. Also Anschauungsunterricht für viele Mittelständler. Beim gefallenen Drogeriekönig Anton Schlecker ist es noch ein besonderer Fall, denn als eingetragener Kaufmann haftet er mit seinem Eigenkapital. Sein Verhalten in den letzten beiden Jahren bis sein Drogerieimperium Anfang 2012 zusammenbrach wird ausgeleuchtet.

Und Richter Martis hat schon einmal vorgewarnt, dass der Prozess noch länger gehen könnte. Zwei Schweizer Zeugen hätten sich bislang noch nicht bereit erklärt vor Gericht auszusagen. Dabei soll es sich ausgerechnet um Vertreter der Einkaufsgemeinschaft Markant handeln, über die Schlecker die meisten Orders abwickelte. Markant spielte eine wichtige Rolle. Im Januar 2012 bestand sie auf Barzahlung der Rechnungen. Schlecker konnte damals die die knapp 30 Millionen Euro nicht mehr aufbringen und musste Insolvenz anmelden.

Der Auftakt ist allerdings für Strafverfahren eher ein Spurt. Nach zwei Stunden ist alles vorbei. Fortgesetzt wird die Verhandlung am kommenden Montag. Anton Schlecker nickt anerkennend seinem Anwalt zu, packt seine lederne Aktentasche und verlässt mit seiner Frau den Raum. Die Familie fährt aber nicht zusammen fort. Lars und Meike nehmen in der Nähe ein eigenes Taxi.

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