Einzelhandel Online-Aufstand gegen Netto Marken-Discount

Nach der Veröffentlichung brach ein Internetsturm los: Hunderte Kunden, Beschäftigte und ehemalige Mitarbeiter des Netto Marken-Discounts haben seit Mitte September die WirtschaftsWoche-Titelgeschichte zur Personalpolitik des Billigheimers kommentiert. Auch andernorts häufen sich die Proteste.

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Sorgt für heftige Quelle: AP

Der Bericht schlug Wellen: 1500 mal haben Kunden, Beschäftigte und ehemalige Mitarbeiter des Netto Marken-Discounts seit September die Titelgeschichte der WirtschaftsWoche (Ausgabe 36/2010) kommentiert. Darin wurde im Detail die umstrittene Personalpolitik des nach Aldi und Lidl drittgrößten deutschen Discounters beschrieben. „Das Pensum sei kaum zu schaffen, die Gehälter unterdurchschnittlich und die Wertschätzung gering“, hatte die WirtschaftsWoche in dem Artikel zahlreiche ehemalige Mitarbeiter zitiert. Der Tenor der meisten Online-Kommentare: Die Vorwürfe treffen zu - trotz aller Dementis der Netto-Spitze. Mehr noch: Nach Ansicht vieler Kommentatoren ist die Lage weit schlimmer als dargestellt.

So schreibt ein Leser: "Bin schon seit 7 Jahren im Unternehmen Netto. ich kann diesen Berichten nur zustimmen. […] Es geht nicht ohne unbezahlte Überstunden, ständiger Wechsel unter den Angestellten, wer nicht spurt wird hin und hergeschoben in anderen Filialen untergebracht, bis man dann von sich aus selber kündigt."

"Prügel von oben und unten"

Eine Aushilfe berichtet: "Was da abgeht ist nicht mehr normal und vor allem höchst mitarbeiterfeindlich. […] Abends sind die Märkte nur dünn besetzt, von acht bis neun ist man meist nur zu zweit. All die Arbeit die getan werden muss ist dann kaum zu schaffen wenn der normale Ablauf gewährleistet sein soll. Nach der Übernahme durch Netto wurden viele Mitarbeiter ''gegangen'' und Verträge nicht verlängert, wenn dann nur noch auf 325 EUR Basis. Ist echt mies wie die mit ihren Mitarbeitern umgehen, kommt an Schlecker, Lidl und KIK schon gut ran wenn nicht sogar noch schlimmer."

Auch der Führungsnachwuchs übt Kritik: „Viele schreiben hier von Marktleitern und Filialpersonal jedoch ist es doch auch in den Ebenen drüber nicht besser", schreibt beispielsweise ein Kommentator unter dem Pseudonym "VL-Ausbeute". "Als VL", also Verkaufsleiter, der für mehrere Filialen zuständig ist, "bekommt man Prügel von oben und unten alle schlagen auf einen ein […] Nicht wir sind die Schuldigen wir werden selbst gemobbt. Ich wünsche uns einfach eine neue Spitze und eine Stukutur die funktioniert […]."

Die verheerende Kritik, die sich in vielen Kommentaren zeigt, dürfte vor allem in der Geschäftsführung des Discounters, aber auch beim Netto-Eigentümer Edeka, für Diskussionsstoff sorgen. Geändert hat sich nach Ansicht der Netto-Basis bisher allerdings wenig. Immerhin: Bei so genannten Teamtagen in den Regionen äußerte sich die Netto-Spitze zur Personalpolitik des Unternehmens und soll dabei auch Fehler eingeräumt haben.

Auf Anfrage zu den wiwo.de-Kommentaren teilt das Unternehmen schriftlich mit: „Selbstverständlich prüft Netto Marken-Discount diese Kritik und bespricht eventuelle Maßnahmen intern.“ Die „Verantwortung und Fürsorgepflicht für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nimmt Netto Marken-Discount stets sehr ernst“, konstruktiver Kritik seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehe man „immer offen gegenüber“.

Dafür würden zahlreiche Ansprechpartner zur Verfügung stehen – etwa Betriebsräte oder eine Mitarbeiter-Hotline, teilt der Discounter mit. Im Übrigen lege Netto Marken-Discount „sehr großen Wert auf die Einhaltung der gesetzlichen und tariflichen Vorgaben zum Schutz der Mitarbeiter wie beispielsweise des Arbeitszeitgesetzes oder Arbeitsschutzbestimmungen der Tarifverträge bei Nacht- und Sonntagsarbeiten“.

Die Realität sieht nach den Aussagen in etlichen Foren-Beiträgen allerdings anders aus. So schrieb ein Netto-Mitarbeiter unter dem Pseudonym „edelweiss“ erst am 2. Dezember: „unabhängig von meinen vertraglichen stunden, soll ich erst dann heim gehen, wenn der laden steht, bezahlte überstunden gibt es nicht“.

Dass es an der Basis brodelt, lässt sich nicht nur bei der Lektüre der wiwo.de-Beiträge erahnen. Auch Medien wie das „Hamburger Abendblatt“ und „ZDF“ haben inzwischen über die Vorgänge bei Netto berichtet. Auf der Internetseite iwobanet.de werden Arbeitszeitnachweise veröffentlicht, die die Arbeitsbelastung der Mitarbeiter belegen. In den Foren von discountfan.de und wiwi-treff.de häufen sich kritische Berichte und auch auf der Online-Seite handeln-ausgezeichnet.de ist Netto längst Thema.

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