EM-Gastgeber Gut aufgestellt: Elf Unternehmen jenseits von Schweizer Klischees

Die Schweiz hat mehr zu bieten als Käse und Uhren. In unserer Aufstellung zum Durchklicken finden Sie Porträts von elf spannenden Unternehmen, die unter eidgenössischer Flagge Erfolge feiern.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Herzog de Meuron

Sie gehören zu den Postars unter den weltweit tätigen Architekten – Jaques Herzog und Pierre de Meuron, zwei spröde Basler, die auf der ganzen Welt ihre Bauten wie Duftmarken setzen: Von der Münchner Allianz-Arena über die in Hamburg geplante Elbphilharmonie und das Basler Fußballstadion St. Jakob Park bis zum Bird’s Nest getauften Olympiastadion von Peking werden sie beauftragt, wenn es groß, edel und teuer werden soll. Ihre Entwürfe sind längst mehr als Häuser, sie mutieren zu Wahrzeichen, zu Logos von Orten und Ereignissen.

Tate Museum in London: Für Quelle: AP

Vor 30 Jahren gegründet, beschäftigt ihr auf dem Areal einer ehemaligen Zahnpastafabrik untergebrachtes Büro heute gut 200 Mitarbeiter; aktuell treiben die Jugendfreunde weltweit mehr als 40 Projekte voran. Den Durchbruch erzielten HdM, die 2001 die höchste Arichtekten-Ehrung, den Pritzker-Preis, erhielten, 1995 in London mit dem Umbau eines alten Kraftwerks zum Tate Modern Museum. Für den Pharmakonzern Roche planen HdM gerade das höchste Gebäude der Schweiz, dessen Form an eine Doppelhelix erinnern soll.

Reederei MSC

In der Avenue Eugène-Pittard Nummer 40 in Genf sitzt die zweitgrößte Containerschiffreederei der Welt – und damit ausgerechnet in der Schweiz, die keinen noch so winzigen Streifen eigene Meeresküste besitzt. 1970 vom italienischen Kapitän Gianluigi Aponte gegründet, ist die in Privatbesitz befindliche Mediterranean Shipping Company (MSC) heute die Nummer zwei hinter dem dänischen Kisten-Mogul Maersk.

MSC Pamela, eines der Quelle: dpa-dpaweb

 Im vergangenen Jahr transportierten die mittlerweile 376 Schiffe der MSC-Flotte mehr als zehn Millionen Container über die Weltmeere. MSC deckt alle Kontinente ab und unterhält 170 regelmäßig verkehrende Verbindungen. MSC gibt keine Geschäftszahlen bekannt, der Umsatz dürfte jedoch bei mehr als 4,5 Milliarden Franken liegen, 90 Prozent davon stammen aus dem Containergeschäft.

Die übrigen zehn Prozent steuert die Tochter MSC Cruises bei, einer der großen Kreuzfahrtveranstalter der Welt. Weltweit arbeiten für MSC insgesamt mehr als 30000 Mitarbeiter in 390 Niederlassungen in 146 Ländern – in der Genfer Zentrale, eine weitere Besonderheit, arbeiten ausschließlich Frauen.

Bally

Die edlen Schuhe und Taschen ebenso wie der mittlerweile wieder gute Ruf der schweizerischen Luxusmarke brachten das traditionsreiche Label aus dem Süden der Schweiz im vergangenen Jahr ins Visier von Hugo Boss, dem größten deutschen Modekonzern. Boss wollte Bally, eines der ersten Unternehmen weltweit, das Schuhe industriell fertigen ließ, schlucken, doch daraus wurde nichts: Im April verkaufte der Finanzinvestor TPG Bally mit seinen 1100 Mitarbeitern und einem Umsatz von rund 310 Millionen Euro an die Labelux-Gruppe. Zum Preis wurden keine Angaben gemacht.

TPG hatte die verlustträchtige Firma 1999 als Sanierungsfall gekauft und wieder in Schuss gebracht. Nach Angaben des Finanzinvestors ist Bally, das Mitte des 19. Jahrhunderts aus einer Gummiband- und Hosenträgerfabrik hervorgegangen war, in den vergangenen Jahren jeweils um bis zu 20 Prozent gewachsen.

Mammut

Mittlerweile sieht man sie immer häufiger auch in der Stadt – Jacken und Shirts mit dem charakteristischen schwarzen Dickhäuter auf rotem Grund, dem Logo des Schweizer Outdoor-Herstellers Mammut. Wer etwas auf sich hält, greift zu Mammut. Zur Mammut Sports Group, die zur Zürcher Conzzeta Holding gehört und im vergangenen Jahr mit 308 Mitarbeitern einen Umsatz von umgerechnet gut 110 Millionen Euro erzielte, gehört auch der Schuhhersteller Raichle.

Hervorgegangen ist Mammut aus einer bereits 1862 gegründeten Seilwarenfabrik, die synthetische Kletterseile für Begsteiger, aber auch Schoten für Segelboote herstellte. Die erste Bekleidungskollektion, die heute für die Hälfte des Umsatzes sorgt, kam 1981 auf den Markt. Mammut stellt seine Kletterseile bis heute in der Schweiz her.

Häberli

Vorn herum Argentinier, nach hinten raus Schweizer: Der Zürcher Industriedesigner Alfredo Häberli vereint schon in seinem Namen klischeehafte Gegensätze. Bekannt wurde der 1964 geboren, der zur ersten Liga der europäischen Kreativ-Szene zählt, als er für den finnischen Kultkonzern Iittala Becher und Schalen mit bunten Streifen verzierte.

Vorne Argentinier, hinten rum Quelle: dpa

Zu den Kunden des graumelierten Schweizers gehören edle Möbel-Hersteller wie Moroso, Thonet, Classicon und Zanotta. Für Häberli ist Design vor allem ein Werkzeug: „Jedes Produkt muss ich in drei oder vier Sätzen erklären können.“

Diogenes

Setzt man die Zahl der Mitarbeiter ins Verhältnis zum größten Erfolg des kleinen Zürcher Verlagshauses (Umsatz 2007: 37 Millionen Euro), ist Diogenes ein wahrer Riese: Von Patrick Süskinds Schauer-Roman „Das Parfum“ verkaufte Eigentümer-Verleger Daniel Keel mit seinen gerade mal 60 Mitarbeitern weltweit sage und schreibe 16 Millionen Exemplare.

Diogenes-Verlag: besonders Quelle: dpa-dpaweb

Doch auch neben Süskind hat Keel, 77, der den Verlag 1952 gründete, eine glückliche Hand: Zum Stall seiner Autoren gehören John Irving („Garp“), der Eso-Schlumpf Paulo Coelho, Donna Leon und Friedrich Dürrenmatt.

Strellson

Es ist gerade mal zwei Winter her, da war sie unter Männern eines der begehrtesten Teile der Saison: Eine Jacke mit eingebauter Schweizer Armeedecke plus original Schweizer Taschenmesser an einer kleinen Kette – befeuert von dem Erfolg geht der Kreuzlinger Modehersteller Strellson in die Offensive. Mit Business- und Freizeit-Klamotten setzt Strellson auf modisch interessierte Männer, die sich nicht verkleiden wollen.

Wie das geht, wissen neben Strellson-Chef Reiner Pichler die Männer im Hintergrund: Jochen und Uwe Holy, die in den 80er Jahren für den Aufstieg von Hugo Boss verantwortlich waren. 1984 machten die Brüder aus der Mantelfabrik Straehl die Modemarke Strellson.

Tube

Mit Zahnpasta-Behältern haben die beiden Jungs nichts am Hut – „Tube“ wie Schlauch heißt die Marke, unter der Marc Lounis und Steve Henseler ihre Produkte anbieten. Aus gebrauchten Fahrradschläuchen lassen sie coole Gürtel herstellen, die vor allem bei Bike-Freaks ankommen.

Vom Erfolg der Zürcher Freitag-Brüder inspiriert, die aus LKW-Planen Kuriertaschen nähen, erweitert Tube sein Angebot: Seit kurzem git es USB-Sticks in Velo-Optik.

Mindset

Ein Autohersteller aus der Schweiz? Gut möglich, das es ab kommendem Jahr so weit ist. Dann will der ehemalige Chefdesigner des Volkswagen-Konzerns gemeinsam mit dem Schweizer Ex-Banker und Millionär Lorenzo Schmid den Six50 auf die Straße schicken. Am idyllischen Vierwaldstädter See werkeln die beiden unter dem Dach der Mindset AG an einem schicken zweisitzigen Hybrid-Flitzer.

Im September 2009 soll der Verkauf des Six50 – der Wagen soll 650 Kilogramm wiegen – starten. Mindestens 10 000 Exemplare jährlich will Günak dann fertigen – zu Preisen ab umgerechnet rund 31000 Euro.

Pilatus

Da sind die Schweizer weltweit bekannt für ihre Uhrenmanufakturen – und dennoch gibt es im Lande nur einen einzigen Flugzeugbauer, der die Liebe zur Präzision und Mechanik in fliegende Bauten umsetzt.

Pilatus-PC-21 in der Quelle: REUTERS

Die Firma Pilatus baut seit 69 Jahren einmotorige Flugzeuge, die wegen ihres vergleichbar geringen Preises – um die drei Millionen Euro – auch bei Geschäftsreisenden mit Flugschein immer beliebter werden. Das Unternehmen steigerte damit seinen Umsatz in den vergangenen fünf Jahren von 436 Millionen Franken auf 656 Millionen.

Samih Sawiris

Der Ägypter ist eine heiß umstrittene Nummer: Für umgerechnet fast 700 Millionen Euro will er in Andermatt eine Ferienressort aus dem Boden stampfen: bis zu sieben Hotels, 400 Ferienwohnungen, 70 Villen, Restaurants, Mode-Boutiquen, ein Sportzentrum und ein 18-Loch-Golfplatz sollen am Gotthard entstehen.

Gemeinde Andermatt im Quelle: dpa

Kommendes Jahr sollen die Baumaschinen loslegen – und damit den Startschuss geben für einen der größten Umbauten, der je in den Alpen stattfand: in zahlreichen Schweizer Urlaubsregionen rollen die Bagger an, entstehen zum Teil riesige touristische Anlagen. Gut 3,7 Milliarden Franken sollen allein in die 20 größten Projekte fließen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%