40 neue Speicher für grünes Gas Ohne Erdgas wird der Speicherbedarf noch größer

Nein, Rehden ist nicht alles. Und in Zukunft, wenn der Betrieb von Erdgas auf Wasserstoff umgestellt sein wird, könnte es gut sein, dass dieser Porenspeicher auch gar keine zentrale Rolle mehr spielt, dass neue Kavernenspeicher dann übernehmen Quelle: dpa

Rehden? Derzeit dreht sich alles um die Füllstände der Gasspeicher in Deutschland. In Zukunft geht es aber um mehr: Wenn die Energiewende gelingen soll, behauptet eine neue Studie, sind künftig bis zu 40 Wasserstoffspeicher zusätzlich erforderlich.

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Es ist der Erdgasspeicher Rehden in Niedersachsen, der derzeit in aller Munde ist, und der auch der Speicherbranche als solches in den vergangenen Monaten zu einiger Prominenz verholfen hat – weil er so lange leer war, weil er deshalb als Symbol gilt für die Versäumnisse der deutschen Energiepolitik gegenüber Russland. Und weil er kurzfristig, mit dem Blick auf den nächsten Winter, auch entscheidend dazu beitragen soll, dass die Wohnzimmer der Republik dann doch warm bleiben, selbst wenn es Wladimir Putin gefallen sollte, wenn die Deutschen frösteln.

Speicher für die Welt der Erneuerbaren

Dass die Speicher nicht nur kurzfristig für die Energie der Deutschen wichtig sind, sondern dass sie auch in Zukunft, wenn das Land vollends ergrünt, wichtig sein werden, das zeigt nun eine Studie, die eine Gruppe von Branchenverbänden in Berlin vorgestellt hat. Dazu gehören die Initiative Energien Speichern (Ines), der Verband der Speicherbetreiber, der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW) und der Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG).

Durchgeführt hat die Untersuchung mit dem Titel „Wasserstoff speichern – soviel ist sicher“ das DBI Gas- und Umwelttechnik. Ziel sei es gewesen, herauszufinden, was für ein technischer und finanzieller Aufwand genau betrieben werden müsste, um die deutschen Speicher fit für die Wasserstoff-Welt zu machen. „Die zukünftige erneuerbare Welt wird natürlich Speicher erfordern“, sagte etwa Ines-Geschäftsführer Sebastian Bleschke, „Speicher werden für die treibhausgasneutrale Welt eine zentrale Rolle spielen. Sie werden sich aber wandeln müssen von Speichern für Erdgas hin zu Speichern für treibhausgasneutrale Energieträger.“

von Konrad Fischer, Florian Güßgen, Andreas Menn, Jürgen Salz

Die Kosten: 12,8 Milliarden Euro

Das Ergebnis der über 200 Seiten langen Untersuchung lässt sich kurz zusammenfassen: Selbst wenn die Gesellschaft möglichst viele Prozesse elektrifiziert, werden bis zum Jahr 2050 mindestens 40 zusätzliche Kavernenspeicher nötig sein. Auch einen Preis haben die Verbände für die Umwidmung der bisherigen Erdgasspeicher sowie den Neubau genannt, zumindest für eine Variante: 12,8 Milliarden Euro.

Die Wortmeldung der Speicherbranche ist insofern relevant, weil sie darauf aufmerksam macht, dass in der Diskussion über eine Transformation der Wertschöpfungsketten hin zu einer grünen, emissionsarmen Ökonomie bisher vor allem die Fragen des Imports und des Transports von Wasserstoff im Vordergrund gestanden sind, weniger bis gar nicht die Fragen der Speicherung. Zwar gibt es mittlerweile auch Pilotprojekte zur Einspeicherung von Wasserstoff in zuvor als Erdgasspeicher genutzten Anlagen, Uniper versucht das etwa in dem Speicher Krummhörn in Niedersachen. Aber in der weiteren Transformationsdiskussion spielt die Wasserstoff-Speicherung eine bisher untergeordnete Rolle – verständlicherweise allerdings, denn zwar ruhen große Hoffnungen auf dem grünen Gas. Aber trotz vieler Absichtserklärungen ist der so genannten „Hochlauf“ des Wasserstoffmarktes immer noch ein Stück weit ein Hoffnungswert – und auf Ebene der Europäischen Union wird gerade heftig darum gerungen, wie lupenrein der Wasserstoff denn sein muss, um als grün zu gelten.

Knapp 24 Milliarden Kubikmeter Speicherkapazität

Bisher verfügt Deutschland über eine Erdgas-Speicherkapazität von knapp 24 Milliarden Kubikmetern, zur Einordnung: Im Jahr werden in etwa 90 Milliarden Kubikmeter Gas verbraucht. 8,6 Milliarden Kubikmeter werden von 16 so genannten Porenspeichern erfasst, zu denen etwa auch Rehden gehört, 15,1 Milliarden Kubikmeter von 31 so genannten Kavernenspeichern, mit Hohlräumen tief unter der Erde.



Die nun vorgestellte Studie ermittelt zum einen, was technisch nötig ist, um die vorhandenen Gasspeicher umzurüsten, zum zweiten ermittelt sie den künftigen Bedarf. Dabei sind die Autoren so vorgegangen, dass sie sich am Wasserstoff-Bedarf orientiert haben, der aus Langfristszenarien, die die Bundesregierung 2021 vorgestellt hat. Dabei gibt es ein Szenario, das von einer starken Nutzung von erneuerbarem Strom ausgeht (Tn-Strom), ein zweites geht von der starken Nutzung von Wasserstoff (TN-H2-G) aus, das dritte Szenario geht von einer starken Nutzung so genannter synthetischer Kohlenwasserstoffe aus.

Die Studie hat im Kern ergeben, dass langfristig mit einem Speicherbedarf zwischen 47 und 73 Terawattstunden (TWh) zu rechnen ist, die heutigen Gasspeicher aber nur ein Potenzial von etwa 32 Terawattstunden haben. Wasserstoff hat einen geringeren Brennwert pro Volumen als etwa Erdgas. Deshalb muss mehr Wasserstoff eingespeichert werden, um den gleichen Brennwert zu erzielen. Die Differenz von bis zu 41 Terawattstunden müsste langfristig also zugebaut werden, wenn man das so genannte „Strom-Szenario“ der Bundesregierung zugrunde legt. Das bedeute konkret, so die Studie, den Zubau von rund 40 neuen Speichern. In der Studie ist das Modell eines durchschnittlichen deutschen Kavernenspeichers entwickelt worden, um Anhaltspunkte für solche Aussagen zu haben.

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Beachtliche Fülle in Rehden

Ines-Geschäftsführer Sebastian Bleschke verglich die Erdgas-Speicher in seiner Vorstellung mit einem „Chamäleon“, jenem Tier, das sich seiner Umgebung anpasst. Die Speicher, so Bleschkes These, könnten sich auch der Energiewende anpassen – langfristig, auch wenn kurzfristig noch andere Werte zählen: die Füllstände. Zu knapp 54 Prozent sind die deutschen Speicher derzeit übrigens voll, Tendenz steigend. Der Stand im berüchtigten Rehden liegt bei 7,4 Prozent. Das ist, gemessen an den vergangenen Monaten, fast schon atemberaubend.


Lesen Sie auch: Wie funktioniert das Erdgas-Speichergesetz der Bundesregierung? Das erklärt Ines-Geschäftsführer in dieser Folge des Podcasts „High Voltage.“

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