




Der Strompreis steigt stetig. Kaum erhöhen die Anbieter im Süden, ziehen die im Norden nach - oder umgekehrt. Gleiches gilt für Ost und West. Und eine ist immer irgendwie daran Schuld: die Energiewende. Weil die Netze überlastet sind, weil grüner Strom teurer ist als radioaktiver, weil Offshore-Anlagen gebaut und Solarfirmen subventioniert werden müssen, weil die vier großen Energieversorger verständlicherweise dagegen klagen, dass Schwarz-Gelb ihnen das Stromgeschäft vermiest. Außerdem sorgen Zocker nicht nur für Stromknappheit, sondern auch dafür, dass der Verbraucher immer tiefer in die Tasche greifen muss. Jeden Tag treiben Branche und Politik eine andere Atomsau durch Energie-Wende-Deutschland.
Die gute - oder die schlechte Nachricht: Alle genannten Faktoren haben zumindest eine Teilschuld. Der Strompreis setzt sich schließlich aus mehreren Positionen zusammen. Eine bleibt bei der ganzen Debatte aber gerne unberücksichtigt: der Staat. Der verantwortet nämlich einen Großteil der Energiepreise. 10,30 Euro zahlte 2011 jeder deutsche Haushalt im Monat für die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien, dreimal so viel wie 2008. 20 Prozent verlangen die Kommunen bis 2015 mehr für die Durchleitung von Strom auf ihrem Gebiet. Und auch beim Rohöl langt der Fiskus kräftig zu: 90 Cent pro Liter beträgt der Steueranteil am Benzinpreis 2011, 1990 waren es noch 37 Cent.
Rösler blockiert die Energieeffizienz
Jetzt belegt auch eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), dass der Atomausstieg den Strompreis in Deutschland nicht zwangsläufig in die Höhe treiben müsste. Der Anstieg der Großhandelspreise könne durch eine größere Effizienz beim Stromverbrauch deutlich abgemildert werden, sagte DIW-Energieexpertin Claudia Kemfert. Und Greenpeace-Energieexperte Niklas Schinerl geht sogar noch weiter, in dem er sagt: "Wenn die Strompreise steigen, ist nicht der Atomausstieg der Sündenbock, sondern Wirtschaftsminister Philipp Rösler, der die Energieeffizienz blockiert." Die Politik müsse sich an die Energiesparvereinbarungen halten. Bis zum Jahr 2020 soll sich - laut freiwilliger Verpflichtung der EU-Staaten, der Energieverbrauch von derzeit rund 1750 Millionen Tonnen Öl auf 1473 Millionen Tonnen verringern. Das entspricht einer Minderung von gut 20 Prozent.
Sparvorschläge nicht für alle umsetzbar





Dafür müssen Energieunternehmen pro Jahr 1,5 Prozent Energie einsparen. Dann wäre laut DIW im Jahr 2020 mit einem Börsenpreis von 5,1 Cent pro Kilowattstunde zu rechnen, wenn zugleich der Verbrauch durch Effizienzsteigerungen stabil gehalten würde. Das DIW schlägt vor, den Versorgern die Einsparungen durch Steuererleichterungen für Investitionen in Energieeffizienz schmackhaft zu machen. "Ein Stromversorger kann Zuschüsse für einen energieeffizienten Kühlschrank gewähren, ein Gasversorger könnte die Gebäudesanierung bei seinem Gaskunden unterstützen", heißt es in der Studie. Und weiter: "Mit der jetzigen Einigung wird das Ziel von 20 Prozent jedoch erst zu 15 Prozent erreicht."
Um die nötige Energie einzusparen, müssen auch Gebäude und Wohnungen energieeffizient renoviert werden. In Deutschland ist zumindest der Versuch bereits Realität, der Rest von Europa bummelt hinterher, will sich aber noch im Herbst auf die energetische Gebäudesanierung verständigen. Die Umsetzung würde dann 2014 beginnen. Das erste, was die EU sich auf die Fahnen schreiben müsste, wäre das Streichen von Ausnahmeregelungen. Das gilt auch für Deutschland. "Wenn Rösler den Verbrauch nicht stabil hält, setzt er die Energiewende falsch um, und die Preise stiegen", ist sich Schinerl von Greenpeace sicher.
Rösler hat allerdings einen gewichtigen Gegenspieler: Die deutsche Industrie ist von den Energiesparplänen der Regierung nur mäßig begeistert. „Die deutsche Industrie ist tief enttäuscht von der Einigung über die neue Energieeffizienzrichtlinie“, sagte beispielsweise Markus Kerber, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI). „Absolute Verbrauchsgrenzen bringen uns keinen Schritt weiter“, so Kerber weiter. „Sie können Unternehmen sogar zu unwirtschaftlichen Maßnahmen oder einem Zurückfahren ihrer Produktion zwingen.“
Billiger Strom dank Atomausstieg?
Energie
Die Vorgabe, dass Energieversorger 1,5 Prozent Energie sparen sollen, sei zu unflexibel. Länder wie Deutschland, die bereits über einen hohen Energieeffizienzstandard verfügen, würden benachteiligt. Und - sein Totschlagargument - die neue Energieeffizienzrichtlinie, die diese Einsparung verlangt, verteuert die Energiepreise in Deutschland weiter. Wer Energie spart, macht sie dadurch also teuer. Vielleicht lohnt auch für den BDI ein Blick in die Studie des DIW. Dort heißt es nämlich auch, dass der Atomausstieg bis 2030 einen Preisvorteil gegenüber der ursprünglich vereinbarten AKW-Laufzeitverlängerung bringen kann. Flankiert von Sparmaßnahmen werde die Kilowattstunde im Großhandel an der Leipziger Strombörse dann etwa 6,5 Cent kosten. Mit über 2022 hinaus laufenden Atomkraftwerken und ohne Einsparungen wären es jedoch sieben Cent.
Mit Material von Reuters