Atomkraft Höchstleistung trotz Atomausstieg

Bis 2022 sollen alle deutschen Atomkraftwerke vom Netz sein. Dennoch sind heimische Atommeiler leistungsstark wie kaum andere.

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Deutsche Atomkraftwerke gehören zu den leistungsstärksten weltweit. In gut neun Jahren soll die aber abgeschaltet und Deutschland frei von Atomstrom sein. Quelle: dpa

In neun Jahren soll Schluss sein mit der Energie aus Kernspaltungen, bis dahin produzieren die deutschen Kernkraftwerke aber noch mit Höchstleistung. Gleich vier deutsche Kernkraftmeiler stehen in der internationalen "Top Ten" der leistungsfähigsten AKWs ganz oben. So gab es das Deutsche Atomforum bekannt. Gleich nach zwei Meilern aus Frankreich und einem Kraftwerk aus den USA folgt Isar 2 mit einer Stromerzeugung von mehr als zwölf Milliarden Kilowattstunden, drei weitere Meiler liegen auf den Plätzen fünf, sechs und zehn.

Für Heinz Smital, Atomphysiker und Experte für Kernenergie bei Greenpeace, ist die hohe Energieerzeugung heimischer Meiler nicht verständlich: "Es ist gar nicht nötig, so viel Energie zu erzeugen, da Deutschland ohnehin Strom exportiert."

Die vier deutschen Kernkraftwerke erzeugen zusammen rund 46 Milliarden Kilowattstunden, ein großer Teil davon geht nach seiner Meinung in das Ausland: "Das Argument, dass leistungsstarke Kraftwerke zur Grundsicherung von Nöten sind, ist nicht richtig, da viel exportiert wird."

Das sind die größten Stromverbraucher weltweit

Dass deutsche Kernkraftwerke verhältnismäßig leistungsstark sind, ist nichts Neues, jedoch führt der im März 2011 beschlossene Ausstieg aus der Kernkraft schnell zu der Frage, ob Deutschland seine "Supermeiler" Isar 2, Grohnde, Emsland und Neckarwestheim 2 überhaupt noch braucht.

"Nein, findet Atomphysiker Smital: "Nur weil diese Kraftwerke so viel Energie erzeugen können, heißt das nicht, dass wir sie auch erzeugen müssen." Atomkraftwerke sorgen an sonnenarmen und weniger windigen Tagen zwar dafür, dass es in Deutschland keine Stromausfälle gibt, ob diese enormen Leistungen jedoch dafür von Nöten sind, ist fraglich.

Maik Luckow, Sprecher des deutschen Atomforums, sieht die Lage jedoch ganz anders: "Die Stromproduktion der deutschen Kernkraftwerke spielt bei der zuverlässigen, witterungsunabhängigen Sicherung der Grundlast eine ebenso große Rolle wie beim Reagieren auf das schwankende Angebot von Solar- und Windstrom." Dadurch würden die Atommeiler auch den Ausbau erneuerbarer Energien unterstützen.

Versorgungssicherheit ist die Herausforderung

Kuriose Folgen der Energiewende
Schwierige Löschung von Windrad-BrändenDie schmalen, hohen Windmasten sind bei einem Brand kaum zu löschen. Deshalb lassen Feuerwehrleute sie meist kontrolliert ausbrennen – wie im April in Neukirchen bei Heiligenhafen (Schleswig-Holstein). Quelle: dpa
Tiefflughöhe steigtDie Bundeswehr hat die Höhe bei nächtlichen Tiefflügen angepasst. Wegen Windradmasten kann die Tiefflughöhe bei Bedarf um 100 Meter angehoben werden. Der Bundesverband Windenergie (BWE) begrüßt, dass dadurch Bauhöhen von bis zu 220 Meter realisiert werden können. Die Höhe des derzeit höchsten Windradtyps liegt bei etwa 200 Metern. Quelle: dpa
Dieselverbrauch durch WindräderViele neue Windkraftanlagen entstehen – ohne ans Netz angeschlossen zu sein. Solange der Netzausbau hinterherhinkt, erzeugen die Windräder keine Energie, sondern verbrauchen welche. Um die sensible Technik am Laufen zu halten, müssen Windräder bis zu ihrem Netzanschluss mit Diesel betrieben werden. Das plant etwa RWE bei seinem im noch im Bau befindlichen Offshore-Windpark „Nordsee Ost“. Quelle: AP
Stromschläge für FeuerwehrleuteSolarzellen lassen sich meist nicht komplett ausschalten. Solange Licht auf sie fällt, produzieren sie auch Strom. Bei einem Brand droht Feuerwehrleuten ein Stromschlag, wenn sie ihren Wasserstrahl auf beschädigte Solarzellen oder Kabel halten. Diese Gefahr droht nicht, wenn die Feuerwehrleute aus sicherer Entfernung den Wasserstrahl auf ein Haus richten – aber, wenn sie dabei ins Haus oder aufs Dach gehen. Stromschlagsgefahr gibt es ebenso für Feuerwehrleute, wenn sie nach einem Straßenunfall Personen aus einem beschädigten Elektroauto bergen müssen. Quelle: AP
Störende SchattenWindräder werfen Schatten – manche Anwohner sehen darin eine „unzumutbare optische Bedrängung“, wie es das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen ausdrückte. Es gab einer Klage recht, die gegen ein Windrad in Bochum gerichtet war. Im Februar wies das Bundesverwaltungsgericht die Revision des Investors ab. Das Windrad wird nun gesprengt. Quelle: dpa
Gestörte NavigationAuf hoher See wird es voll. Windparks steigern nicht nur das Kollisionsrisiko mit Schiffen. Die Rotoren stören auch das Radarsystem. Der Deutsche Nautische Verein schlägt daher vor, dass Windparks nur genehmigt werden, wenn die Betreiber auch neue Radaranlagen an den Masten installieren. Quelle: dapd
Windrad-LärmWindräder drehen sich nicht nur, dabei machen sie auch Geräusche. Je stärker der Wind, desto lauter das Windrad – und das wollen viele Bürgerinitiativen nicht hinnehmen. Ein Beschwerdeführer aus dem westfälischen Warendorf erreichte im September 2011 vorm Verwaltungsgericht Münster zumindest, dass eine Windkraftanlage nachts zwischen 22 und 6 Uhr abgeschaltet wird. Quelle: dpa

Deutschland ist nach Frankreich der zweitgrößte Produzent von Atomstrom und hat 2012 so viel Energie exportiert wie schon lange nicht mehr. Und dieses Land soll schon in weniger als einem Jahrzehnt frei von Atomenergie sein? Ja, sagen zumindest die Grünen. Sie sehen in den hohen Exporten einen Beleg für den Wandel weg von Atomstrom, hin zu regenerativen Energieträgern.

Das sind die größten Energieversorger der Welt

Eines lässt sich aus der hohen Stromproduktion in Deutschland auf jeden Fall ableiten: Trotz Energiewende droht hierzulande wenig Gefahr von Versorgungsengpässen und auch die Preise dürften verhältnismäßig nur moderat steigen.

"Die Kraftwerke erzeugen durch relativ niedrige Betriebskosten günstige Energie welche die deutschen Strompreise dämpft und auch für den Betreiber lukrativ ist", erklärt Hubertus Bardt, Energieexperte beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln gegenüber der Wirtschaftswoche Online. Denn gerade die Preise für Energie sorgen bei vielen Bürgern zu Kopfzerbrechen.

Eine Umfrage von Infratest aus de Sommer 2012 zeigt: 52 Prozent der Befragten wären sogar für eine Verschiebung des Atomausstiegs um einer Explosion der Strompreise entgegen zu wirken.

Jedoch warnt Energieexperte Bardt davor, die Preise als Hauptproblem zu sehen. "Der Umstieg kostet Geld, jedoch sind nicht die Kosten die Herausforderung sondern die Versorgungssicherheit." Es sollte also auch in einer windstillen Nacht Strom verfügbar sein, der Preis ist dabei zunächst zweitrangig.

Sollte also in neun Jahren auch wirklich das letzte, noch so leistungsfähige, Kernkraftwerk vom Netz gehen, ist noch einiges an Investitionen notwendig.

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