Aufspaltung des Energieriesen Kommt E.Ons Notbremse zu spät?

E.On-Aufspaltung als Offenbarungseid: Der Atomausstieg könnte die Energieriesen mehr kosten, als sie zurückgelegt haben. Das schürt die Angst, dass am Ende der Steuerzahler blutet. Experten sehen die Konzerne am Ende.

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E.On Energiewende Quelle: dpa, Montage

Vorausdenken gehört zu den Stärken des Johannes Teyssen, Schnelligkeit weniger. Fast vier Jahre hat der 55-Jährige seit seinem Antritt als E.On-Chef gebraucht, um ein Konzept zu entwerfen, wie Deutschlands größter Energiekonzern mit der Energiewende fertigwerden könnte.

Sein wichtigstes Kalkül, so zumindest die offizielle Lesart: In den kommenden Jahren gehen in Deutschland so viele Kraftwerke vom Netz, dass der Strom langsam knapp wird. Allein bis Ende des Jahrzehnts schalten drei dicke Atommeiler ab, gefolgt von drei weiteren in den 24 Monaten danach.

Welche deutschen Atomkraftwerke demnächst vom Netz gehen

Zudem sind gut 40 Kohleblöcke zur Stilllegung angemeldet. Und schließlich will Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel auch noch acht Kohlekraftwerke dichtmachen, um den C02-Ausstoß zu mindern.

Da wäre es doch gelacht, wenn der Strompreis nicht irgendwann einmal wieder stiege – und so mancher E.On-Kohlemeiler, der heute vom Ökostrom aus dem Geschäft gedrängt wird, nicht wieder in die Gewinnzone käme.

„Mir hat noch niemand gezeigt, wie Energieversorgung ohne diese klassische Energie gehen soll“, frohlockte Teyssen Anfang der Woche im „Handelsblatt“ und erklärte: „Ich glaube an die Koexistenz dieser beiden Welten.“

Teyssens Ausflug ins Polit-Philosophische und sein Strompreiskalkül sollen eine epochale Entscheidung begründen, die erst in ein paar Jahren zur vollen Entfaltung kommen wird, dann aber so manchen die Augen öffnen wird: den Mitarbeitern bei E.On und den drei anderen Stromriesen RWE, EnBW und Vattenfall, den Politikern und den deutschen Steuerzahlern.

Neue Gesellschaft ohne Namen

Denn Teyssen will das Düsseldorfer Unternehmen auf ganz besondere Weise aufteilen. Das rund 60 Milliarden Euro schwere Geschäft mit den Atom- und Kohlekraftwerken soll ausgegliedert werden in ein noch namenloses Unternehmen. Das soll am später wieder teurer werdenden konventionellen Strom mitverdienen.

Der künftige E.On-Konzern hingegen soll, in der Rechtsform einer europäischen Aktiengesellschaft, auf dem wachstumsträchtigen Feld der erneuerbaren Energien, Stromnetze und Dienstleistungen neu aufblühen.

Deutsche Energieversorger im Vergleich

Experten wie Martin Sonnenschein, Chef von A.T. Kearney Deutschland („Mutig, aber richtig“), zollen der Entscheidung Respekt. Aber die Aufteilung des Energieriesen ist alles andere als simpel. Und Teyssen leistet damit einen Offenbarungseid, und das gleich in zweierlei Hinsicht.

Zum einen gesteht er ein, dass er und seine Vorgänger lange versäumt haben, auf die Energiewende zu reagieren. Zum anderen signalisiert Teyssen mit der Ausgliederung des Atoms, dass er unkalkulierbaren Folgen der Kernkraft vorbaut, indem er sie aus dem Konzern schiebt, bevor die Stilllegung der Meiler richtig losgeht. Anders ist der Coup für Experten nicht zu interpretieren:

E.Ons halbe Wahrheit

So betont Teyssen, die neue Gesellschaft mit den Atom- und Kohlemeilern werde ohne Schulden an den Start gehen und „finanziell so solide aufgestellt sein wie keine andere in Europa“. Und er fügt hinzu, eine Reduzierung auf die Kernenergie würde „der Wirklichkeit dieses neuen Unternehmens nicht gerecht“.

Doch dies ist höchstens die halbe Wahrheit. „Die Herauslösung der Atomkraftwerke dient eindeutig dazu, den künftigen E.On-Konzern von der Haftung für die Folgen der Kernenergie zu befreien“, sagt ein langjähriger Top-Manager des Düsseldorfer Energieriesen.

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