Blackout-Gefahr Quallen sind eine Gefahr für Europas Kraftwerke

Die Erwärmung der Meere führt zur Quallen-Plage. Diese werden immer größer, suchen die wärmende Nähe von Kraftwerken und verstopfen die Kühlsysteme.

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Wo der Strom herkommt
BraunkohleNoch immer der mit Abstand bedeutendste Energieträger Deutschlands: Im Jahr 2013 ist die klimaschädliche Stromproduktion aus Braunkohle auf den höchsten Wert seit 1990 geklettert. Mit 162 Milliarden Kilowattstunden macht der Strom aus Braunkohlekraftwerken mehr als 25 Prozent des deutschen Stroms aus. Das geht aus vorläufigen Zahlen der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen hervor. Quelle: dpa
SteinkohleAuch die Stromproduktion in Steinkohlekraftwerken stieg im Jahr 2013 – um 8 Milliarden auf mehr als 124 Milliarden Kilowattstunden. Damit ist Steinkohle der zweitwichtigste Energieträger und deckt fast 20 Prozent der deutschen Stromproduktion ab. Vor allem Braun- und Steinkohle fangen also offenbar den Rückgang der Kernenergie auf. Quelle: dpa
Kernenergie Die Abschaltung von acht Atomkraftwerken macht sich bemerkbar. Nur noch 97 Milliarden Kilowattstunden stammten 2013 aus Kernerenergie, drei weniger als im Vorjahr. Das sind allerdings noch immer 15 Prozent der gesamten Produktion. Damit ist Atomstrom nach wie vor die drittgrößte Energiequelle. Quelle: dpa
ErdgasDie CO2-arme Erdgasverbrennung ist - anders als Kohle - wieder rückläufig. Statt 76 Milliarden kamen im vergangenen Jahr nur noch 66 Milliarden Kilowattstunden Strom aus Erdgaskraftwerken. Das sind gerade mal zehn Prozent der Stromproduktion. Dabei war Erdgas vor drei Jahren schon einmal bei 14 Prozent. Quelle: dpa
WindkraftDer größte erneuerbare Energieträger ist die Windkraft. Mit 49,8 Milliarden Kilowattstunden in 2013 ist sie allerdings leicht Rückläufig. Insgesamt steigt der Anteil der erneuerbaren Energien jedoch stetig. Zusammengenommen produzierten sie 23,4 Prozent des deutschen Stroms. Quelle: dpa
BiomasseFast genauso viel Strom wie aus Windkraft stammte aus Biomasse. Die Produktion stieg auf 42 Milliarden Kilowattstunden. Damit steht Biomasse auf Platz sechs der bedeutendsten Energieträger. Quelle: ZB
PhotovoltaikEs reicht zwar nur für knapp fünf Prozent der deutschen Stromproduktion, aber Solarenergie ist die mit Abstand am schnellsten wachsende Energieform. Im Jahr 2000 gab es in Deutschland noch gar keinen Sonnenstrom. Und seit 2007 hat sich die Produktion auf 28,3 Milliarden Kilowattstunden in 2013 beinahe verzehnfacht. Quelle: dpa

Es wird Sommer und nicht jeder Kraftwerksdirektor sieht dieser Jahreszeit mit Gelassenheit entgegen. Nicht weil weniger Strom verbraucht wird und der Minderverbrauch die Meiler ausbremst, sondern weil Quallen, die sich immer stärker vermehren, in die Rohrsysteme der Kühlanlagen eindringen und dort einen Pfropfen bilden. Diese setzen dann das Kraftwerk Schach Matt. Deutsche Kraftwerke sind weniger betroffen, weil sie an Flüssen liegen, in die das Glibbergetier nicht vordringt. Aber weltweit haben viele Kraftwerke ihren Standort direkt am Meer, weil das Meerwasser das beste Kühlwasser ist. Doch die Abwärme, die durch das Rohrsystem ins Wasser geleitet wird, werden auch viele Wasserplagen geradezu magisch angezogen. Teilweise müssen die Kühlrohre aufgebrochen werden und die Quallenmasse mit Baggern herausgehoben werden. Eine kostspielige und vor allem eklige Angelegenheit.

So haben Quallen vor Monaten ein schottisches Kraftwerk außer Betrieb gesetzt. Gleich zwei Reaktoren des Atomkraftwerks Torness bei Dunbar an schottischen Südküste musste heruntergefahren werden, weil tausende von Quallen und auch Algen die Filtersysteme dichtmachten. Der Betreiber EdF-Energy war alarmiert und ließ aufwändige Fangnetze vor den Abwärmerohren installieren. Mit Schaufeln musste die gallerartige Masse weggeschafft werden. Im Atomkraftwerk Hinkley-Point im Südwesten Englands fand sich zwischen der Quallen-Algen-Mischung eine quietschlebendige Robbe, die dort auf Nahrungssuche war. Das AKW konnte erst nach Wochen wieder in Betrieb genommen werden. In Schweden passierte im vergangenen Jahr Ähnliches. Das Kernkraftwerk Oskarshamm 340 Kilometer südlich von Stockholm wurde im Sommer 2013 von einer Quallen-Invasion heimgesucht. Der Betreiber musste den 1400-Megawatt-Block abschalten. Und auch in Israel wurde ein Kraftwerksblock ausgebremst. Im Kraftwerk Hadera an der Mittelmeerküste setzten sich Quallenschwärme fest und bildeten einen festen Korken im Kühlsystem. „Wir wurden von Quallen angegriffen“, erklärte der blasse Kraftwerksdirektor dem örtlichen Fernsehen. Hadera wurde umgehend abgeschaltet.

Quallen haben zwar einen hohen Wassergehalt (95 Prozent), aber der Rest besteht aus einer gallertartigen Masse, aus denen das Verdauungssystem, der Schirm und die Fangarme bestehen. Als auf den Philippinen vor zehn Jahren ein Kraftwerk wegen einer Qualleninvasion ausfiel und eine nahegelegene Stadt ins Dunkle fiel, fürchteten die örtlichen Behörden schon einen Militärputsch. Pro Sekunden wurden 200 Tiere mit dem Kühlwasser angesaugt. Mit 50 Lastwagen wurden die Quallen dann zu einer Gift-Deponie abtransportiert. Zur Zeit werden neue Filtersysteme entwickelt, die der größer werdenden Quallenplage vor den Kraftwerken wirksam begegnen soll. Ob es funktioniert, wird der kommende Sommer zeigen.

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