Buchveröffentlichung Gazprom und die Mafia

Skandal-Autor Jürgen Roth ist bekannt für seine harten Recherchen gegen organisierte Kriminalität. Ab heute ist sein Buch über Gazprom in Handel. Ein Werk der spitzen Thesen.

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Gazprom-Logo Quelle: dapd

Jürgen Roth weiß, wie es geht. Um einer Flut von Unterlassungsbegehren und anderen rechtlichen Unbilden zu entgehen, schreibt er ein sehr persönliches Buch in „Ich“-Form und deutlich markiert als Sammlung von subjektiven Erfahrungen, Eindrücken und Schlussfolgerungen. Diese sind im strengen Sinn keine Tatsachenbehauptungen, und sowohl Roth als auch der Westend-Verlag sind auf der eher sicheren Seite, wenn die vielen, zum Teil haarsträubenden Schilderungen im Gazprom-Buch von interessierter Seite beklagt oder sonstwie bekämpft werden. Die Darstellung Roths über einen düster und machtlüstern wirkenden Konzern aus Russland, der einer Riesenkrake gleich, nach westlichen Expansionsgelegenheiten dürstet und dabei Politiker und Manager für sich einzuspannen versteht, hat es in sich. Sie ist überaus spannend zu lesen. Es scheint kein Zuckerschlecken zu sein, in der westeuropäischen Energiewirtschaft tätig zu sein und dadurch mit Gazprom in Berührung zu kommen.

Jürgen Roth: Gazprom – Das unheimliche Imperium Quelle: Presse

Man liest das Buch sowohl als Energieexperte als auch als Laie, der an Wirtschaft interessiert ist, mit großer Spannung, Kapitel für Kapitel. Die gilt sowohl für die Schilderung der Entstehung des Energiemonopolisten, der vor allem Erdgas nach Westeuropa leitet, als auch für die jüngsten Entwicklungen. Auch Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder, der nach seiner Kanzlerschaft als Aufsichtsratsvorsitzender von Nord Stream in die Dienste von Gazprom getreten war und den in Russland auch gefürchteten Wladimir Putin einen „lupenreinen Demokraten“ genannt hat, bekommt sein Fett weg: „Der Wechsel Gerhard Schröders vom Staatsamt zum Gazprom-Konzern hatte nicht nur bei kritischen Bürgern und in den Medien, sondern auch im Bundestag für Empörung gesorgt.“

Buch der spitzen Thesen

Ein Kapitel beschäftigt sich mit den „deutschen und europäischen Amigos des Systems Putin-Gazprom“. Darin analysiert Roth das System amerikanischer PR-Agenturen, die für Gazprom arbeiten. Angeblich hat eine Agentur den Titel „Putin, Mann des Jahres“ im Time Magazin plaziert. Roth zitiert vorsichtig die russische Zeitung Kommersant, Gazprom habe mit einem Konsortium von PR-Unternehmen in Moskau einen Dreijahresvertrag für eine Reihe von Kampagnen in den USA abgeschlossen: Allein im Jahr 2007 seien elf Millionen Dollar dafür bezahlt worden, zitiert Roth die russische Zeitung. Vorsicht, ist die Mutter der Porzellankiste, sagt sich der investigative Autor Roth.

Sogar mit der italienischen Mafia bringt Roth Gazprom indirekt in Verbindung. Sein Buch lebt von der spitzen These, dass es bei Gazprom nicht mit rechten Dingen zugehen kann. Dunkle Mächte sind am Werk, an diesem Geländer hält sich Roth 317 Seiten lang fest.

Unter den Tisch fällt bei dieser Lesart allerdings, dass Gazprom und beispielsweise E.On-Ruhrgas und seine Vorgängerunternehmer, aber auch die BASF-Tochter Wingas mit den Russen über Jahrzehnte verlässliche Geschäfte abschlossen, als Politiker des Kalten Krieges sich noch in den Haaren lagen. Das Verhältnis Gazprom und Westeuropa hat sich erst verschlechtert, als viele deutsche Erdgas-Exporteure aufwachten, als sich die Märkte liberalisierten, Gas auf den Spotmärkten in Rotterdam billiger wurde und die Langfristverträge mit Gazprom, die deutsche Manager selbst unterschrieben hatten, plötzlich sehr unvorteilhaft für die Rechnung der deutschen Versorger wurden.

Seitdem lässt sich überall die Story vom Sündenbock Gazprom ganz hervorragend verkaufen. Roth schwimmt auf dieser Anti-Gazprom-Welle in den deutschen Medien kräftig mit.

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