CO2-Freikauf im Selbstversuch Moderner Ablasshandel für Klimasünder

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Martin Gerth, Der grüne Bertug, erscheint im Dezember 2009, 240 Seiten

So viel Strom wird der Italiener auf dem Düsseldorfer Karlsplatz kaum brauchen, um meine Pasta zu kochen. Mit oder ohne Parmesan, will der Kellner wissen? Ein wenig Dolce Vita im Novembergrau könnte nicht schaden. Was aber sagt das Sündenkonto? Ich hatte es geahnt: Ein Kilo Käse herzustellen verursacht genussfeindliche 8,3 Kilogramm CO2. Schuld daran hat vor allem das in CO2-Einheiten umgerechnete Methan, das die Rinder als Wiederkäuer an die Umwelt abgeben. Und Experten warnen: Methan wirke 25-mal klimaschädlicher als Kohlendioxid.

Es ist nicht einerlei, was auf den Teller kommt. Ein Fünftel der privaten CO2--Emissionen entfallen auf Ernährung. Inzwischen schmückt eine kleine Schneewehe aus Hartkäse die Nudeln. Zu spät, um wegen des Klimas zu protestieren.

15.30 Uhr Kurze Pause Nach Pasta und Parmesan wäre etwas Gesundes nicht schlecht. Liegt nicht noch ein Apfel in der Schublade? Ist überhaupt die richtige Saison? Das Freiburger Öko-Institut empfiehlt saisonale und regionale Lebensmittel. Die müssen nicht um den halben Erdball transportiert oder nach der Ernte monatelang gekühlt werden, was weniger CO2-Ausstoß bedeutet.

Ein Blick auf den ökologisch korrekten Ernte-Kalender von Greenpeace zeigt: Die Apfelernte endet Mitte November. Danach kommen sie aus dem Lager. Mein Apfel ist noch knapp im grünen Bereich. Dass er aus Tönisvorst bei Krefeld stammt, nur etwa 30 Kilometer von Düsseldorf entfernt, treibt mein Konto für gute Klimataten in ungeahnte Höhen.

Nach Irland lieber fliegen

19.30 Uhr zu Hause Der bestellte Irland-Reiseführer ist eingetroffen. Nach einem flugfreien 2009 sollte 2010 ein kurzer Flug auf die Grüne Insel drin sein. Von Düsseldorf nach Dublin und zurück sind es 1930 Kilometer. Mit Zug und Schiff wäre ich 15 Stunden unterwegs und müsste sechs Mal umsteigen. Ein zu hoher Preis fürs Klima.

Bleibt also nur, die Sünde eines Irland-Flugs zu schultern. Pro Flugkilometer und Person berechnet die Klimaagentur Atmosfair 269 Gramm CO2, was bei zwei Personen einer Tonne CO2 für die gesamte Reise entspricht. Das ist in etwa ein Fünftel unserer jährlichen Heizkosten. Für 26 Euro, oder zwei Tickets für Stehplätze in der Arena meines Vereins Schalke 04, wäre ich die Klimasünde los.

Ob Schalke etwas für den Klimaschutz tut? Keine Ahnung. Zu einer anderen Fußballreligion werde ich sicher nicht konvertieren, auch wenn die Kicker des Freiburger SC mit Solarstrom warm duschen. Der Fußballgott wird mir sicher verzeihen.

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