Daily Punch Wappnet euch gegen Putin: Spart Energie!

Teure Energiequelle: Für das Kochen gibt es schon gute Alternativen zum Gas, beim Heizen können elektrische Wärmepumpen helfen. Quelle: dpa

Russisches Erdgas ist knapp und könnte noch knapper werden, die USA sondieren sogar Hilfsmöglichkeiten. Aber das Angebot wird kaum reichen, um den Markt zu beruhigen. Kurzfristig hilft nur: Die Nachfrage zu drosseln. Ein Kommentar.

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Nein, das ist jetzt kein kaltherziger Aufruf, wie ihn Thilo Sarrazin einst gestartet hat: Habt euch nicht so, zieht einen dicken Pullover an, wenn’s fröstelt. So spart ihr Energiekosten. Das ist der Versuch, ein geopolitisches Problem zu beschreiben, das insbesondere Deutschland mittlerweile hat: Die Abhängigkeit vom russischen Erdgas ist so groß, dass das Land kurzfristig keine vernünftige Alternative hat, den eigenen Bedarf auf anderem Weg zu decken und den Markt mit seinen erdrückenden Energiepreisen zu beruhigen. Das Einzige, was helfen könnte, ist die Nachfrage zu drosseln: Über das Energiesparen und damit, klar, notgedrungen auch über das Heizen.

Historische Tiefstände bei Erdgas-Speichern

Seit dem vergangenen Herbst hat der russische Präsident Wladimir Putin Europa mit seiner Gas-Politik im Griff. Ein Drittel der europäischen Importe stammt aus Russland, Deutschland importiert mehr als die Hälfte. Der russische Staatskonzern Gazprom liefert seit dem vergangenen Jahr exakt so viel wie zugesagt, aber nicht mehr, obwohl die Nachfrage viel höher ist. Die Füllstände der Erdgasspeicher in Deutschland sind gleichzeitig auf historischen Tiefständen. Die Folge: Großhandelspreise für Gas auf Rekordniveau, explodierende Kosten für Verbraucher, enorme Belastungen für energieintensive Unternehmen, Pleiten, vor allem von jenen Versorgern, die kurzfristig bei den Preisen gezockt haben, wiederum mit erheblichen Konsequenzen für Kunden, etwa von Gas.de.

USA sondieren Gas-Hilfen

Geostrategisch gehört diese Energiekrise zu Russlands Drohkulisse, vor der auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock am Montag nach Kiew und dann nach Moskau reist. Im Januar ist die Not dadurch etwas gelindert worden, dass US-Konzerne verstärkt LNG, also Flüssiggas, nach Europa geschickt haben. Das hat im ersten Schritt rein ökonomische Gründe. In Asien ist der Winter wärmer als erwartet, die Preise in Europa hoch. Da lohnt es sich, die Schiffe wenden zu lassen. Im zweiten Schritt könnte dann doch Politik dahinterstecken. Am Wochenende meldete die Nachrichtenagentur Reuters, dass Amos Hochstein, der Energiespezialist des US-Außenministeriums, bei Energieunternehmen sondiert, ob es eine Möglichkeit gibt, das Angebot zu erhöhen, um einen möglichen Ausfall der russischen Lieferungen abzufedern. Dem Bericht zufolge fielen die Reaktionen der Unternehmen verhalten aus: schwierig.

Was das mit Heizungen zu tun hat

Ansonsten können die Europäer und insbesondere die Deutschen die Nachfrage – und damit Putins Drohpotenzial – nur mindern, indem sie weniger Gas verbrauchen. Langfristig ist das in der Energiewende angelegt, durch den immer größeren Anteil an erneuerbaren Energien am Energiemix, durch die Umstellung auf elektrisch betriebene Wärmepumpen, durch die Diversifizierung der Energielieferanten, vor allem beim grünen Wasserstoff. Aber in diesem Winter, der bislang auch in Europa verhältnismäßig mild verlief, wird das noch nichts helfen. Schon im Oktober haben die Energie-Experten Simone Tagliapietra und Georg Zachmann vom Brüsseler Thinktank „Bruegel“ ein Meinungsstück mit der Zeile überschrieben: „Die einzige schnelle Lösung, Europas Energiepreiskrise zu lösen, ist es, Energie zu sparen.“ Darin schlugen die Wissenschaftler unter anderem vor, die Bürger zu bitten, ihre Heizungen um ein einziges Grad herunter zu drehen oder ihnen finanzielle Anreize fürs Energiesparen anzubieten. Seit der Veröffentlichung des Artikels hat sich die Lage nur noch zugespitzt.

Die Weltpolitik lastet so immer mehr auf Unternehmen und Verbrauchern. Aus deutscher Sicht ist das geostrategisch ernüchternd. Dazu bergen die hohen Preise eine soziale Sprengkraft, die nur staatliche Hilfen und ein milder Winter abfedern können. Auch das ist ernüchternd.

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