Am heutigen Dienstag geht es los: erst London, dann New York, dann Singapur. Klaus Schäfer wird Ende April um die halbe Welt reisen. Der Topmanager soll Investoren sein Unternehmen schmackhaft machen. Seit Januar führt er es, im Herbst soll es an die Börse.
Eine Vergnügungsreise wird die Roadshow nicht. Der 48-Jährige muss Uniper verkaufen. Der Kunstname ist die Abkürzung für Unique Performance („einzigartige Leistungsfähigkeit“), er ziert die neue Tochter, die der Düsseldorfer Energiekonzern E.On gerade abspaltet. In ihr sind künftig alle Kohle- und Gaskraftwerke von E.On sowie der Handel mit Strom, Gas und Kohle zur Stromerzeugung untergebracht.
Die Muttergesellschaft E.On wäre damit von der alten fossilen Last befreit. Am liebsten hätte E.On-Konzernchef Johannes Teyssen Uniper auch noch die deutschen Atomkraftwerke aufgeladen. Der Plan aber scheiterte am Widerstand der Politik. Teyssen will E.On dennoch jetzt ganz auf das Geschäft mit Ökostrom ausrichten. Um Geld in die Kasse zu bekommen, soll sein Ex-Finanzchef Schäfer 53 Prozent von Uniper für möglichst viel Geld an Investoren verkaufen.
Die Aussichten, dass dies gelingt, stehen schlecht. Anders als ursprünglich geplant, wird Uniper (14.000 Beschäftigte, rund 92 Milliarden Euro Umsatz) mit Schulden an den Start gehen. Die alte E.On hat 27 Milliarden Euro Schulden. Uniper übernimmt davon 4,7 Milliarden Euro, wie das Unternehmen am Dienstag mitgeteilt hat. Zudem kündigte Schäfer ein umfangreiches Einsparprogramm an – auch beim Personal. In welchem Umfang die Stellenstreichungen ausfallen werden, sei noch nicht festgelegt. Verkauft werden sollen außerdem Unternehmenswerte in Höhe von zwei Milliarden Euro.
Auch ohne Schulden kann von „Unique Performance“ keine Rede sein. Uniper ist eher Sanierungsfall denn Story, die Anleger begeistern könnte.
Globaler Handel
Der globale Handel ist aktuell bescheiden, weil die Rohstoffpreise im Keller sind und bis auf Weiteres dort bleiben dürften. Der Ölpreis etwa belasten schwache Nachfrage aus China und die Tatsache, dass die Produzenten sich nicht auf Fördermengen einigen können. Profitiert hat das Geschäft in 2015 von höheren Handelsmengen für Gas.
Kohle- und Gaskraftwerke
Noch düsterer sieht es bei den Kohle- und Gaskraftwerken aus. Wegen der stetig wachsenden Produktion grüner Energie dümpeln die Großhandelspreise für Strom inzwischen bei 22 Euro je Megawattstunde. 2014 erlöste E.On noch 30 Euro. Strom, den Uniper auf Termin verkauft hat, also erst 2017 und 2018 liefern muss, bringt 20 Euro pro Megawattstunde. Die Grenzkosten, also die Preise, ab denen sich die Produktion überhaupt lohnt, liegen bei den Kohlemeilern zwischen 25 und 55 Euro pro Megawattstunde und bei Gaskraftwerken sogar zwischen 45 und 55 Euro. Wirtschaftlich betreiben lassen sich die Kraftwerke nicht mehr.
Sieben Milliarden Euro Verlust verbuchte E.On in 2015
Ausländische Beteiligungen
Auch die Hoffnung, im Ausland zu punkten, dürfte Investoren nur begrenzt vom Hocker reißen.
Sicher, längst noch nicht überall auf der Welt sind Wind- und Sonnenstrom auf dem Vormarsch. In der Türkei etwa kommen 28 Prozent des Stroms aus Kohle, die türkische Regierung plant laut einer Studie des Istanbul Policy Centers sogar den Neubau von Kohlemeilern. Doch die bisherigen Erfahrungen relativieren die Aussichten. Mit ausländischen Beteiligungen, etwa in der Türkei oder in Brasilien, hat sich der Uniper-Mutterkonzern E.On vor allem Verluste eingehandelt.
Seit 2010 musste E.On außerplanmäßig elf Milliarden Euro auf ihre Auslandsinvestitionen abschreiben. Wegen zu hoher Finanzierungs- und Strombeschaffungskosten will sich E.On wieder von Teilen des Türkeigeschäfts verabschieden. Für die türkische Energietochter Enerjisa ist ein Börsengang im Gespräch.
Rosig ist auch die Lage in Russland nicht. Sechs fossile Kraftwerke betreibt E.On dort, die nun Uniper zugeschlagen werden. Die westlichen Sanktionen belasten die russische Wirtschaft und den Rubel. Wegen der Rubel-Schwäche fiel das Ergebnis von E.On in Russland 2015 um ein Drittel auf 361 Millionen Euro.
Wasserkraft
Nicht einmal das Geschäft mit Wasserkraft, das künftig zu Uniper gehört, läuft gut. Die Wasserkraftwerke in Spanien und Italien hat E.On-Chef Teyssen noch schnell vor der Abspaltung in 2015 verkauft. Wegen sinkender Großhandelspreise ist das Geschäft mit Wasserkraft in Schweden ebenfalls unter Druck.
Bleibt eine vage Hoffnung auf die Zeit ab 2022. Bis dahin werden in Deutschland die letzten acht Atommeiler abgeschaltet. Sollte Strom danach häufiger knapp werden – etwa weil der Wind nicht genügend weht oder die Sonne zu wenig scheint –, könnten die Gaskraftwerke von Uniper wieder gebraucht werden. Das funktioniert aber nur, wenn sich die politischen Rahmenbedingungen ändern und der Staat nicht Reserven subventioniert, um die Stromversorgung zu sichern. Subventionen gibt es etwa für Braunkohlekraftwerke. Dafür, dass Betreiber wie RWE eine bestimmte Anzahl von Kraftwerken als Reserve bereithalten, bekommen sie Millionenprämien vom Staat.
Die Nachfrage nach Strom aus Gaskraftwerken könnte auch zulegen, wenn der Preis für CO2-Zertifikate stiege. Diese Emissionsrechte muss kaufen, wer eine bestimmte Menge CO2 in die Luft blasen will. Mit steigenden Preisen würde die Verfeuerung von Braunkohle teurer und das sauberere Gas lukrativ. „Braunkohle profitiert von den niedrigen Preisen für CO2-Zertifikate“, sagt Schäfer.
Unterstützung bekommt er vom grün angehauchten Berliner Thinktank Agora Energiewende: „Läge der Preis für CO2-Verschmutzungsrechte bei 30 Euro pro Tonne statt bei aktuell fünf Euro, kämen die klimafreundlicheren Gaskraftwerke in Europa wieder zum Zuge“, sagt Agora-Chef Patrick Graichen. Eine Reform des EU-Emissionshandels ist geplant, aber nicht umgesetzt. Investoren, die glauben, dass Uniper tatsächlich einmal davon profitieren könnte, verlangt Schäfer eine Menge Optimismus ab.