E.On-Hauptversammlung Die Kernspaltung kommt

E.On-Chef Teyssen reiste um die halbe Welt, um für die Aufspaltung zu werben. Die ungeliebten Kohlekraftwerke landen bei Uniper, die neue E.On konzentriert sich auf die zukunftsträchtigen Erneuerbaren Energien. Jetzt schlägt die Stunde der Wahrheit: Stimmen die Aktionäre zu? Und wer soll eigentlich in Uniper investieren?

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E.On-Chef Johannes Teyssen und Uniper-Chef Klaus Schäfer: E.On zerlegt sich selbst. Quelle: REUTERS

Es soll ein „epochales Ereignis“ sein. Nicht weniger als „die dritte große Zäsur“ in der Unternehmensgeschichte: Nach der Privatisierung der Veba und der Fusion mit Viag will der E.On-Konzern auf der Hauptversammlung am Mittwoch seine Aufspaltung beschließen.

Mit einer Roadshow, wie sie vor einem Börsengang üblich ist, hat E.On-Chef Johannes Teyssen bei Investoren in London, New York, Frankfurt und Boston für den Neuanfang geworben. Dutzende Präsentationen hat er gehalten, Gespräche geführt, unzählige Hände geschüttelt.

Ob sich der Trip durch die halbe Welt gelohnt hat, wird sich nun zeigen. In der Essener Grugahalle steht Teyssen am Mittwoch vor seinen versammelten Aktionären, um ein letztes Mal für seinen Plan zu werben. 75 Prozent müssen der Aufspaltung eines der größten Energiekonzerne Deutschlands zustimmen. Das zukunftsträchtige Geschäft mit Erneuerbaren Energien und den Netzen bleibt bei der „neuen“ E.On, die Gas- und Kohlekraftwerke hingegen werden an die neue Gesellschaft Uniper ausgelagert.

Die wichtigsten Fragen zur E.On-Aufspaltung

„Mit der größten Transaktion in der jüngeren europäischen Industriegeschichte schaffen wir heute nichts weniger als eine neue E.On, die sich mit jeder Faser der Energiezukunft verschrieben hat“, wirbt Teyssen auf der Hauptversammlung. „Sie können künftig selbst entscheiden, ob Sie lieber in die neue oder die klassische Energiewelt oder in beide investieren wollen.“

Kohlekraftwerke bleiben unrentabel

Die Aktionäre sind sich uneins. „Die Aufspaltung ist eine Wette auf kommende Kapazitätsmärkte und steigende Strompreise, was ich aber beides nicht sehe“, sagt etwa Thomas Hechtfischer, Geschäftsführer der deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) im Gespräch mit der WirtschaftsWoche . „Ein Kohlekraftwerk wird nicht rentabler, weil es plötzlich unter der Uniper-Flagge segelt.“

Die Fondsgesellschaft Union Investment hingegen begrüßt die Aufspaltung. Portfoliomanager Thomas Deser nennt sie „alternativlos, um beide Unternehmensteile für die nächsten Jahre über Wasser zu halten“. Die Aufspaltung sorge für „trennschärfere Geschäftsmodelle und mehr Transparenz, wodurch die Kapitalmarktfähigkeit erhalten bleibt.“ Alte und neue Energiewelt unter einem Dach erschwere E.On den Zugang zu Eigen- und Fremdkapital deutlich.

Eckpunkte aus E.Ons Bilanz 2015

Doch genau an dieser Stelle sehen Kritiker den großen Geburtsfehler der „neuen“ E.On: Der 188 Seiten starke Spaltungsbericht, den das Unternehmen Anfang April vorgestellt hatte, führt aus, wie Assets und Schulden zwischen den beiden Gesellschaften aufgeteilt werden. Einer der Vermögenswerte der neuen E.On sind die deutschen Atomkraftwerke – obwohl sich E.On eigentlich auf die Erneuerbaren Energien konzentrieren soll. Sämtliche anderen konventionellen Kraftwerke werden an Uniper übertragen. Bis auf die Atommeiler eben – das hat die Politik verhindert.

Für Union Investment konterkariert der Verbleib der Atomkraftwerke „die grüne Wachstums- und Zukunftsstory“. „Die Atomausstiegskommission hat den Weg geebnet, dass man sich von der Ewigkeitshaftung freikaufen kann. Damit gehören die deutschen Kernkraftwerke nach einer umso zwingenderen Logik ins Uniper-Portfolio“, sagt Deser. „Sie sind der Klotz am Bein der neuen E.On“.

In Essen dreht sich alles um die Aufspaltung – doch es gibt auch reichlich Redebedarf über andere Themen. Unterm Strich musste Teyssen für 2015 einen Nettoverlust von fast sieben Milliarden Euro verbuchen – nach bereits 3,2 Milliarden Euro Miese im Vorjahr. Zudem werden wichtige Posten im Aufsichtsrat neu besetzt und über ein neues Vergütungssystem abgestimmt.

Milde Kritik am neuen Aufsichtsrat

Doch hier schien bereits im Vorfeld der Hauptversammlung Konsens zu herrschen. Wie das „Handelsblatt“ berichtet, sind bei dem Konzern keinerlei Gegenanträge eingegangen. In den vergangenen zwei Jahren seien jeweils eine Handvoll Gegenanträge eingereicht worden. Darunter waren im vergangenen Jahr auch schon welche, die sich gegen die Aufspaltung gerichtet hatten, obwohl der Beschluss noch gar nicht anstand.

von Angela Hennersdorf, Jürgen Salz

Dieses Jahr beschränkt sich die Kritik auf einige Wortbeiträge. So fordert Union-Investment-Redner Deser den neuen E.On-Aufsichtsratschef Karl Ludwig Kley dazu auf, weitere Mandate niederzulegen. „Die extrem fordernde Aufgabe bei E.On erfordert Ihre ganze Aufmerksamkeit, Herr Kley, deshalb sollten Sie die Zahl Ihrer anderweitigen Mandate künftig reduzieren.“ Bei einer Hauptversammlung inmitten der größten Krise der Konzerngeschichte noch eine sehr milde Form des Widerspruchs.

Soll sich E.On auch von den Netzen trennen?

In einem anderen Punkt sind sich die Aktionäre jedoch nicht einig. Der für sein aggressives Vorgehen bekannte Hedgefonds Knight Vinke hat in einem Brief an Investoren für einen noch tiefergreifenden Umbau geworben – indem E.On auch Gas-Pipelines und Energienetze abstoßen sollte. Ihr Wert als eigenständige Infrastruktur-Unternehmen sei weitaus größer als bei einem Energieversorger.

Der Fonds hält allerdings nur rund ein Prozent der E.On-Anteile. Wirklich Einfluss nehmen kann er damit nicht. Rein aus einem finanztechnischen Blickwinkel wäre eine solche Abtrennung von Pipelines und Netzen vielleicht sogar sinnvoll, heißt es aus Konzernkreisen. Unternehmerisch mache ein Verkauf der Infrastruktur aber keinen Sinn.

Die Aktionärsstruktur von E.On

Union-Investment-Manager Deser widerspricht selbst der finanztechnischen Ansicht: „Das regulierte Geschäft hat eine große Bedeutung für die Ratingeinstufung, somit ist auch das Netzgeschäft ein wichtiger Stabilitätsanker“, meint Deser. „Wir glauben nicht, dass man die anderen Geschäfte losgelöst von den Netzgeschäften voranbringen oder alleine aufstellen kann. Die Fähigkeit, Schulden zu bedienen, ist überlebenswichtig für E.On und Uniper, deshalb muss ein stabiles Investment-Grade-Rating oberstes Ziel für beide Gesellschaften sein.“

Das sieht auch Teyssen so. Nicht nur, dass die Netze ein wichtiges Wachstumsgeschäft für seine neue E.On sind. Auch die Schulden ist der E.On-Chef im vergangenen Jahr konsequent angegangen: Im Geschäftsbericht 2015 weist der Konzern eine Nettoverschuldung von 27,7 Milliarden Euro aus, rund sechs Milliarden Euro weniger als ein Jahr zuvor.


Bald wird sich Teyssen von weiteren 4,7 Milliarden Euro Schulden trennen können. Die muss Klaus Schäfer, ehemaliger E.On-Finanzchef und seit Januar 2016 Vorstandsvorsitzender von Uniper, in seine Bilanz aufnehmen. Anders als ursprünglich gedacht muss Uniper doch mit Schulden an den Start gehen.

Selbst ohne die Milliarden-Altlasten im Geschäftsbericht wird der Auftakt für Schäfer und seine 14.000 Mitarbeiter (bei E.On bleiben etwa 40.000 Angestellte) nicht einfach. Wegen der stetig wachsenden Produktion grüner Energie – die per Gesetz vorrangig ins Netz eingespeist werden muss – dümpeln die Großhandelspreise für Strom inzwischen bei 22 Euro je Megawattstunde. 2014 erlöste E.On noch 30 Euro, 2011 vor der Atomkatastrophe in Fukushima sogar 60 Euro. Strom, den Uniper auf Termin verkauft hat, also erst 2017 und 2018 liefern muss, bringt 20 Euro pro Megawattstunde.

Lohnen sich Großkraftwerke noch?


Die Grenzkosten, also die Preise, ab denen sich die Produktion überhaupt lohnt, liegen bei den Kohlemeilern zwischen 25 und 55 Euro pro Megawattstunde und bei Gaskraftwerken sogar zwischen 45 und 55 Euro. Wirtschaftlich betreiben lassen sich die Kraftwerke nicht mehr.

„Wenn dieser Preisverfall nicht durch politische Stützungsmaßnahmen gestoppt wird und keine Kapazitätsmärkte eingeführt werden, ist nicht nur Uniper in Gefahr, sondern auch die Versorgungssicherheit in Deutschland!“ Das sagt kein Lobbyist oder E.On-Chef Teyssen, sondern Thomas Deser. „Andere Länder haben bereits erkannt, dass Versorgungssicherheit nicht zum Nulltarif zu haben ist“, betont der Portfoliomanager. „Nur mit einem tragfähigen Strommarktdesign kann die Energiewende gelingen, ganz ohne konventionelle Großkraftwerke wird es auch künftig nicht gehen!“

Eine Aussage, der auf der Hauptversammlung wohl nur Wenige widersprechen werden. Ob die Großkraftwerke aber auch für Kleinaktionäre interessant bleiben, bezweifelt DSW-Geschäftsführer Hechtfischer. „Bezeichnend ist, was die beiden Chefs machen: Sowohl Herr Terium bei RWE als auch Herr Teyssen gehen zu den Erneuerbaren. Als Aktionär würde ich das auch tun.“

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