Es ist sein „Baby“. Und entsprechend aufgeregt ist Johannes Teyssen. Werden die E.On-Aktionäre den Strategiewechsel beim Energieriesen E.On mittragen? Am 8. Juni auf der Hauptversammlung in Essen kommt für den Konzernchef die Stunde der Wahrheit. Von den Anteilseignern, die sich auf den Weg zur Abstimmung in die Grugahalle machen, müssen 75 Prozent der Aufspaltung des Energieriesen in zwei Teile zustimmen.
Durch die halbe Welt ist Teyssen in den vergangenen Wochen getingelt, um in London, New York, Frankfurt und Boston bei den Investoren für einen Neuanfang bei E.On zu werben. Bei den großen erntete er viel Zustimmung. Kleinere, wie der für seine aggressiven Attacken bekannte Hedgefonds Knight Vinke, fordern einen noch größeren Umbau bei E.On. Eric Knight, Chef des Investmentfonds, schrieb in einem Brief an seine Investoren, er habe den E.On-Vorstand und Aufsichtsrat zu überzeugen versucht, auch Gas-Pipelines und Energienetze abzuspalten.
Ihr Wert als eigenständige Infrastruktur-Unternehmen sei weit aus größer als bei einem Energieversorger. Der Fonds hält allerdings nur rund ein Prozent der E.On-Anteile. Wirklich Einfluss nehmen kann er damit nicht. Rein aus einem finanztechnischen Blickwinkel wäre eine solche Abtrennung von Pipelines und Netzen vielleicht sogar sinnvoll, heißt es aus Konzernkreisen. Unternehmerisch mache ein Verkauf der Infrastruktur allerdings keinen Sinn.
Die Aktionärsstruktur von E.On
2,43 Prozent
2,25 Prozent
2,02 Prozent
1,91 Prozent
1,84 Prozent
1,75 Prozent
1,65 Prozent
1,60 Prozent
1,03 Prozent
97,57 Prozent
Für Konzernchef Teyssen sind die Energienetze ein wichtiges Wachstumsgeschäft für seine neue E.On. Im Dezember 2014 entschied der Vorstandschef, den größten deutschen Energieversorger in zwei Teile aufzuspalten: Die „alte“ E.On trennt sich von den unrentablen Gas- und Kohlekraftwerken und fokussiert sich ganz auf Wind- und Solarstrom, kümmert sich um die abzuwickelnden Atomkraftwerke und betreibt das Geschäft mit Energienetzen. Die fossile Energieerzeugung und der Energiehandel werden in die neue selbstständige Tochtergesellschaft Uniper ausgelagert. Als Befreiungsschlag feierten Investoren die mutige Entscheidung von Konzernchef Teyssen damals.
Die neue Tochtergesellschaft Uniper will Teyssen im zweiten Halbjahr an die Börse bringen und 53 Prozent der Papiere den Aktionären ins Depot buchen. Teyssen verspricht mit der Aufteilung ein stärkeres Profil für die „alte“ E.On, das neue Investoren anlocken soll.
Ob sich allerdings, wenn die Aktionäre auf der Hauptversammlung zustimmen, diese Aufteilung rentiert, das bleibt völlig offen. Bisher hat das Riesen-Projekt nur viel Geld und Zeit gekostet. Seit eineinhalb Jahren arbeiten hunderte von E.On-Mitarbeitern und Beratern an der rechtlichen und organisatorischen Teilung des Energieversorgers. Bisher sind dem Vernehmen nach dafür rund 300 Millionen Euro an zusätzliche Kosten angefallen. Geld, was der Düsseldorfer Konzern eigentlich nicht hat. In der Stromerzeugung geht es weiter bergab. Im ersten Quartal fiel der operative Gewinn mit Kohle- und Gaskraftwerken um knapp ein Drittel auf 529 Millionen Euro.
Der große Sprung ist fraglich
Einen großen Sprung nach vorn wird Teyssen mit der strategischen Neuausrichtung nicht sofort machen – das wird eher Jahre als Monate dauern.
Erstens steht eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) an. Die Reform der Bundesregierung sieht vor, dass es statt einer staatlich garantierten Vergütung für die Erzeugung von Ökostrom, zukünftig Ausschreibungen für neue Windenergie geben soll. Der Anbieter, der das günstigste Angebot macht, erhält den Zuschlag, den Wind- oder Solarpark zu bauen. Noch ist die Reform nicht beschlossen, die Wind-Lobbyisten wehren sich gegen mehr Wettbewerb und auch Umweltverbände sind gegen die Reformpläne von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD).
Eckpunkte aus E.Ons Bilanz 2015
781 Milliarden Kilowattstunden setzte E.On 2015 ab. Zum Vergleich: 2014 waren es 736 Milliarden Kilowattstunden
2015 waren es 1722 Milliarden Kilowattstunden, im Jahr zuvor 1161.
E.On machte 2015 116,2 Milliarden Euro Umsatz. (2014: 111,6)
7,6 Milliarden Euro in 2015, 8,3 Milliarden Euro in 2014.
2015 waren das -6,377 Milliarden Euro, im Jahr davor lag das Defizit bei 3,13 Milliarden Euro.
Nettoschulden zum 31.12.2014: 33,4 Milliarden Euro – ein Jahr später waren es noch 27,7 Milliarden Euro.
E.On hatte zum zum 31.12.2015 56.490 Beschäftigte. Im Vorjahr waren es noch 58.500 gewesen.
Gabriel will mit der Reform die Kosten für die Energiewende senken. So würde die Reform des EEG für E.On bedeuten: In das regulierte Geschäft mit Wind- und Sonnenstrom kommt mehr Wettbewerb und das wird auf die Renditen im Geschäft mit Ökostrom drücken.
Atomkosten belasten Neuausrichtung von E.On
Die zusätzlichen Atomkosten belasten außerdem die Neuausrichtung von E.On. Die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs (KfK) hatte Ende April vorgeschlagen, dass die Verantwortung für den Abriss der Meiler bei den Energieversorgern verbleibt. Für die Zwischen- und Endlagerung des Atommülls sollen die Atomkraftwerksbetreiber E.On, RWE, Vattenfall und EnBW insgesamt rund 23 Milliarden Euro in einen öffentlich-rechtlichen Fonds einzahlen.
Die bisherigen Rückstellungen der Konzerne dafür in Höhe von 17,2 Milliarden Euro sollen sofort in Bar nach der Einrichtung des Fonds gezahlt werden, was spätestens 2017 der Fall sein könnte. Für den geplanten Aufschlag in Höhe von sechs Milliarden Euro, falls die Kosten für den Atom-Folgekosten steigen, haben die Energiekonzerne bis 2022 Zeit. Um diesen Aufschlag wird weiter gestritten.
Während E.On signalisierte, den Kompromiss zu tragen und den Aufschlag zu zahlen, ist Konkurrent RWE aus Essen nicht bereit, diesen Risikoaufschlag zu zahlen. Teurer wird es auf jeden Fall für E.On & Co.