E.On, RWE, EnBW, Vattenfall Wer zahlt am Ende für den Atomausstieg?

Die Energiekonzerne werden die Kosten des Ausstiegs wohl nicht alleine tragen können. Nun wird ein neues Modell diskutiert: für rund 50 Milliarden Euro könnten sie sich von allen Kosten und Nachzahl-Risiken freikaufen.

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Deutschlands Atomausstieg kostet Energiekonzern und Steuerzahler. Quelle: dpa Picture-Alliance

Harald Rubner meinte es gut mit den Energiekonzernen. Im Eichensaal des Bundeswirtschaftsministeriums in Berlin wirft der Energieexperte der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) Tabellen und Zahlen an die Wand und resümiert: Die beste Lösung im Streit darüber, wer die milliardenschweren Atomfolgekosten schultern soll, sei eine Stiftung nach dem Vorbild der Ruhrkohle-Stiftung (RAG). Letztere trage die Kosten für das ständige Abpumpen der Stollen nach Beendigung der Steinkohleförderung 2018, falls das nicht reicht, springe der Staat ein.

Entsprechend solle eine Stiftung die Atommeiler von E.On, RWE, EnBW und Vattenfall samt aller Rückstellungen in Höhe von 38 Milliarden Euro übernehmen. Um die Haftung zu mildern, könne der Staat sich ja an E.On und RWE beteiligen und von möglichen Kurssteigerungen der Aktien profitieren.

Die Atomklagen der Energiekonzerne

Doch bei seinen Zuhörern, den 19 Mitgliedern der von der Bundesregierung eingesetzten Atomkommission, kam Rubner mit seinem Plädoyer für eine Rettung von RWE und E.On durch Verstaatlichung nicht gut an. Das sei mindestens „unredlich“ urteilte ein Kommissionsmitglied. „BCG hat den Atombetreibern damit absolut keinen Gefallen getan.“

Bis Februar 2016 soll die Kommission unter dem grünen Ex-Umweltminister Jürgen Trittin, Brandenburgs früherem Landesvater Matthias Platzeck (SPD) und Hamburgs einstigem Regierungschef Ole von Beust (CDU) vorschlagen, wie die Begleichung der Atomfolgekosten gesichert werden solle. Zwar sind die vier Atombetreiber E.On, RWE, EnBW und Vattenfall dafür verantwortlich. Doch in der Atomkommission verfestigt sich die Erkenntnis, dass die Rückstellungen der Konzerne in Höhe von 38 Milliarden Euro nicht reichen. „Die Schere zwischen Soll und Haben geht auseinander“, sagt ein hochrangiges Kommissionsmitglied.

Wie die Rückstellungen gesichert werden können

Wie die Rückstellungen der Konzerne gesichert und das Risiko des Staates minimiert werden können, darüber kursieren in der Atomkommission zwei Modelle:

  • Abriss plus Endlagerung. Die Konzerne bringen ihre Rückstellungen von 38 Milliarden Euro für den AKW-Abriss und die Endlagerung des radioaktiven Mülls in eine Stiftung oder einen Fonds ein. Dazu müssten sie Vermögen in diesem Wert abtreten. Dies könnten sie über einen längeren Zeitraum machen, zum Beispiel über zehn Jahre. Denn die Kosten des Rückbaus der Atommeiler fallen über viele Jahre an. Zahlen würde diese Kosten der Fonds oder die Stiftung. RWE etwa hat rund zehn Milliarden Euro für die Atomfolgekosten zurückgestellt, müsste also jährlich maximal eine Milliarde davon einbringen.
  • Nur Endlagerung. Die Konzerne bringen niedrigere Rückstellungen in einen Fonds oder eine Stiftung ein, die damit nur die schwer kalkulierbaren Endlagerkosten übernimmt. Für den AKW-Abriss blieben die Versorger operativ wie finanziell voll verantwortlich. Hier müssten die Konzerne weniger Vermögenswerte einbringen – nach Schätzung einiger Kommissionsmitglieder rund 20 Milliarden Euro. Verglichen mit dem ersten Modell, müsste RWE nur knapp die Hälfte abtreten, fünf Milliarden Euro.

Die große, politisch zu lösende Frage lautet in beiden Modellen: Wer haftet, wenn das ausgegliederte Vermögen nicht ausreicht? Hier gibt es in der Kommission Überlegungen, die Konzerne könnten sich von einer Nachschusspflicht freikaufen. Als Vorbild dienen würde die Schweiz. Die Eidgenossen verlangen für ihre Haftung einen pauschalen Zuschlag von 30 Prozent auf die von den Schweizer Atombetreibern berechneten Stilllegungs- und Entsorgungskosten. Dieser soll einer erwarteten zusätzlichen Kostensteigerung bei den Atomkosten von 1,5 Prozent über 18 Jahre entsprechen.

Ein solcher Freikauf in Form eines 30-prozentigen Zuschlags hieße für die deutschen Atombetreiber auf Basis ihrer heutigen Atomrückstellungen: Sie müssten zusätzlich zu den 38 Milliarden noch mal rund zehn Milliarden Euro für die Beendigung der Atomära in Deutschland aufbringen. Vor allem bei RWE müssten dafür wohl im Wege einer Kapitalerhöhung die Aktionäre oder neue Investoren aufkommen.

Ziel der Kommission ist eine einvernehmliche Lösung. Wolfgang Irrek, Professor für Energiewirtschaft an der Hochschule Ruhr West in Bottrop, bezweifelt allerdings, ob die kommt. Die Kommission müsse sich entscheiden, wessen Interessen sie den Vorrang gebe, denen der Anteilseigner oder denen der Steuerzahler und Stromkunden: „Beides gleichzeitig wird nicht funktionieren.“

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