E.On Stromriese hat keinen Anspruch auf Schadensersatz

Nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima musste E.On zwei Atommeiler zwischenzeitlich herunterfahren. Schadensersatz für die entgangenen Einnahmen erhält der Konzern aber nicht, entschied das Landgericht Hannover.

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Zwangspause im Atomkraftwerk - Kein Schadenersatz für Eon. Quelle: dpa

Der Energieriese E.On hat trotz der Zwangspause zweier Atommeiler nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima keinen Anspruch auf Schadenersatz. Das Landgericht Hannover wies am Montag eine Klage über rund 380 Millionen Euro ab. Zur Begründung hieß es, dass der Energiekonzern gegen den damaligen Verwaltungsakt vor ein Verwaltungsgericht hätte ziehen müssen.

Da diese Anfechtung ausblieb, sah sich das Landgericht nicht veranlasst, über Schadenersatzfragen inhaltlich zu entscheiden. Denn eine Schadenersatzpflicht entfalle, „wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden“.

Im Kern folgte die 19. Zivilkammer unter Vorsitz von Martin Schulz damit dieser Linie: E.On habe damals nicht das Naheliegende versucht, nämlich vor das Verwaltungsgericht zu ziehen, und dürfe sich daher über die Folgen im Nachhinein auch nicht beschweren. Ein Sprecher des E.On-Konzerns sagte: „Wir prüfen die Entscheidung des Gerichts.“ E.On sehe seinen verlangten Schadenersatzanspruch im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung am Bundesgerichtshof BGH, daher sei „eine Berufungseinlegung wahrscheinlich“, teilte er mit.

Wer übernimmt die Zukunft, wer den Ballast?
Eon übernimmt 33 Millionen Kunden – in Deutschland, Großbritannien, Skandinavien, Osteuropa oder der Türkei. Das Geschäft ist solide, die Margen sind aber dünn. Neue Produkte und Dienstleistungen müssen her. Das Problem: Eon wird sich mit neuen, schlagkräftigen Konkurrenten messen. Die heißen, Google, Apple oder Samsung. Fazit: Hoffnungswert. Quelle: AP
Jahrzehntelang produzierten Kohle- und Gaskraftwerke nicht nur Strom, sondern auch Unmengen an Geld. Strom wurde eben in großen, zentralen Anlagen produziert. Jetzt hat per Gesetz grüner Strom Vorrang im Netz und drängt die großen Kraftwerke aus dem Markt. Allein in den ersten neun Monaten brach das Ebitda der Sparte um 32 Prozent ein. Uniper muss retten was noch zu retten ist. Fazit: Sanierungsfall. Quelle: dpa
Eon stieg spät in das Geschäft mit erneuerbaren Energien ein. Inzwischen hat das Unternehmen aber schon Windanlagen mit mehr als vier Gigawatt Leistung installiert – das entspricht rund vier Kernkraftwerken. Bei Offshore-Wind sieht sich Eon weltweit an Nummer zwei, bei Onshore auf Position zwölf. Bald schon wird beim Ebitda die Milliardenmarke geknackt – kein Wunder das Eon die Sparte behält. Fazit: Zukunftsgeschäft. Quelle: obs
Eons Stromleitungen reichen theoretisch 25 Mal um die Erde. Eine Million Kilometer hat der Konzern verlegt. Das Netz will Eon auch behalten und hat gute Gründe: Die Renditen werden zwar von Regulierungsbehörden gedeckelt, aber lieber kleine Renditen als gar keine Renditen wie bald in der Stromproduktion. Fazit: Solides Geschäft. Quelle: dpa
Den Großhandel gibt Eon ab, damit Uniper den Strom aus den Kraftwerken wenigstens selbst vermarkten kann. Die Tochter bewegt Milliarden, kauft Kohle zum Verfeuern ein und bringt russisches Gas in Europa unter. Das war früher einmal ein einträgliches Geschäft, aber auch die Zeiten sind längst vorbei. Fazit: Spekulationsobjekt. Quelle: AP
Jahrelang hat Eon gekämpft, um einen eigenen Zugang zu den russischen Gasfeldern zu bekommen, jetzt übernimmt Uniper das Geschäft. Die neue Gesellschaft ist an einem lukrativen Feld in Westsibirien beteiligt, Juschno Russkoje, fördert dort pro Jahr knapp sechs Milliarden Kubikmeter Gas und fährt solide Gewinne ein. Dumm nur, dass neben dem Strompreis auch der Ölpreis im Keller ist, aber das muss ja nicht so bleiben. Fazit: Dauerbrenner. Quelle: obs
Jahrzehntelang haben die Atomkonzerne mit ihren Reaktoren unverschämt viel Geld verdient, jetzt sind die Anlagen nur noch eine einzige Last. Die Reaktoren müssen teuer abgebaut und die Brennelemente noch teurer entsorgt werden. Kein Wunder, dass Eon die Aufgabe gerne Uniper überlassen hätte. Daraus wird aber nichts: Mit einem neuen Gesetz schob die Bundesregierung dem einen Riegel vor, Eon muss sich um die drei noch aktiven und fünf bereits im Rückbau befindlichen Reaktoren kümmern. Fazit: Ballast. Quelle: dpa



Im März 2011 hatte die Politik unter dem Eindruck des Reaktorunglücks an der japanischen Ostküste sieben deutsche Meiler herunterfahren lassen. Nach dem dreimonatigen Moratorium folgte die Änderung des Atomgesetzes mit dem endgültigen Aus für zunächst acht Kraftwerke und dem Ausstiegsszenario für die übrigen Anlagen bis Ende 2022.

Geklagt in Hannover hatte die inzwischen in PreussenElektra umbenannte Tochter E.On Kernkraft GmbH. Sie wandte sich gegen die von Bayern und Niedersachsen 2011 verhängte vorübergehende Betriebseinstellung der Atomkraftwerke Isar 1 und Unterweser. In der Klage ging es um Ansprüche gegen Bayern, Niedersachsen und die Bundesrepublik.

Das Urteil des Gerichts steht vor dem Hintergrund einer politischen Gemengelage über das Für und Wider und die Sicherheit der Atomkraft. Die Kammer argumentiert, dass E.On die aufschiebende Wirkung mit dem Gang zum Verwaltungsgericht durchaus zumutbar gewesen sei: „Für die betroffenen Kernkraftwerke lagen Betriebsgenehmigungen vor.“ Erst kurz vor der Fukushima-Katastrophe sei eine Laufzeitverlängerung für die Kernkraftwerke beschlossen worden.

„Die Klägerin trägt zudem selbst vor, die Situation der deutschen Kernkraftwerke sei mit der in Japan nicht vergleichbar.“ Die Kammer ließ daher auch das Argument nicht gelten, dass der öffentliche Druck damals zu groß gewesen sei, um ein Weiterlaufen der Meiler durchzuziehen. Die Kernenergie sei in Deutschland schon immer umstritten, was E.On auch gewusst habe.

E.On dagegen sieht sich bei Isar 1 und Unterweser enteignet und verlangt daher eine Entschädigung. „Ich erwarte Gerechtigkeit“, hatte Konzernchef Johannes Teyssen im Frühjahr zu den Atomklagen bei der Vorlage seiner Jahreszahlen gesagt. Diese waren - nicht zuletzt wegen der Folgen der Energiewende - tiefrot. Die deutschen Energieriesen kämpfen seit dem Start des Atomausstiegs um neue Geschäftsmodelle.

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