
Die Blöcke 4 und 5 des Gaskraftwerks Irsching gehören zu den modernsten Anlagen in Europa. Doch die Energiewende setzt Gas- und Kohlekraftwerke immer stärker unter Druck. So stark, dass sich laut einem Medienbericht für die Eigentümer selbst der Betrieb in Irsching nicht mehr lohnt. Nach Informationen der ARD wollen der Energieversorger E.On, die Frankfurter Mainova, N-Ergie aus Nürnberg und die Darmstädter HSE noch im März einen Antrag stellen, das Kraftwerk stillzulegen.
E.On wollte den Bericht nicht bestätigen, erklärte aber in einer Stellungnahme: "Die wirtschaftliche Perspektive des Gaskraftwerks Irsching ist äußerst kritisch." Die Kosten könnten wegen der energiepolitisch veränderten Rahmenbedingungen kaum noch erwirtschaftet werden. "Da sich die Marktbedingungen in den letzten Jahren weiter zugespitzt haben, ist der Weiterbetrieb nach dem Auslaufen der bisherigen vertraglichen Regelung gefährdet."
Die künftige E.On-Struktur
E.On will das Geschäft mit der Stromerzeugung aus Atom-, Kohle- und Gaskraftwerken sowie der Energiehandel 2016 mehrheitlich an die eigenen Aktionäre verschenk und an die Börse bringen. Die übrigen Anteile will E.On danach in kleineren Schritten über die Börse verkaufen. Der verbleibende Konzern besteht dann eigenen Angaben zufolge mit insgesamt 40.000 Mitarbeitern und 33 Millionen Kunden aus den drei Säulen: Erneuerbare Energien, Energienetze und Kundenlösungen.
Quelle: Nachrichtenagentur Reuters (Stand: Dezember 2014)
Im Bereich Erneuerbare Energien steht E.On nach eigener Einschätzung weltweit auf Platz drei der Offshore-Windkraftbetreiber. In europäischen Gewässern betreibt E.On Anlagen mit einer Kapazität von 0,7 Gigawatt (GW). An Land betreibt der Versorger derzeit Windparks mit einer installierten Kapazität von 3,6 GW, davon 1,1 GW in Europa und 2,5 GW in den USA. Vorstandschef Johannes Teyssen kündigte an, im Zuge der Neuausrichtung das Solargeschäft auszubauen. Die Wasserkraftwerke sollen dagegen mit den Atom- und Kohlekraftwerken in die neue Gesellschaft ausgegliedert werden. 2013 setzte E.On im Bereich Erneuerbare Energien mit rund 1700 Mitarbeitern 2,436 Milliarden Euro um, das Ebitda belief sich auf 1,431 Milliarden Euro.
E.On verfügt über mehr als eine Million Kilometer Stromnetze, davon 411.000 Kilometer in Deutschland, 136.000 in Schweden, 314.000 im übrigen Europa und 200.000 Kilometer in der Türkei. Neben Investitionen ins Netz plant Teyssen Zukäufe in ausgewählten Regionen.
Der Geschäftsbereich Kundenlösungen umfasst rund 33 Millionen Kunden, 7,7 Millionen in Großbritannien, 6,1 Millionen in Deutschland, 10,4 Millionen im übrigen Europa und neun Millionen in der Türkei. E.On will durch die Modernisierung seiner Netze den Kunden künftig neue Produkte und Dienstleistungen rund um das Thema Energieeffizienz und dezentrale Erzeugung liefern.
Bei den ausgegliederten Geschäftsteilen - Stromerzeugung aus Atom-, Kohle- und Gaskraftwerken sowie der Energiehandel - werden künftig noch 20.000 Mitarbeiter beschäftigt sein. Das Ebitda auf Basis von 2013 beträgt gut vier Milliarden Euro.
Bereits 2013 stand die wenige Jahre alte Anlage auf der Kippe. Die Netzagentur setzte sich seinerzeit aber für den Weiterbetrieb ein, um die Stromversorgung in der Region zu sichern. Der Netzbetreiber Tennet erhielt die Betriebshoheit über die beiden Blöcke 4 und 5 mit einer Gesamtleistung von rund 1400 Megawatt. Im Gegenzug bekommen die Eigentümer je Block pro Jahr insgesamt einen zweistelligen Millionenbetrag. Block 4 gehört E.On alleine, an Block 5 sind zur Hälfte auch Mainova, N-Ergie und HSE beteiligt.
Netzagentur muss über Stilllegung entscheiden
Die mit Tennet geschlossene Vereinbarung läuft im März 2016 aus. Eine Stilllegung der Anlage muss zwölf Monate zuvor bei der Bundesnetzagentur angemeldet werden. Die Behörde entscheidet, welche Anlagen für eine sichere Stromversorgung am Netz bleiben müssen. Die Energiekonzerne habe bereits etliche Kraftwerke zur Stilllegung angemeldet.
Der Preisverfall beim Strom macht E.On stark zu schaffen. Nach einem Nettoverlust von 835 Millionen Euro nach neun Monaten hieß es, das Management gehe für das Gesamtjahr von einem "erheblichen Konzernfehlbetrag" aus. Wie das "Handelsblatt" berichtete, sollen sich die Verluste unterm Strich auf drei Milliarden Euro summieren. Der Konzern wollte den Bericht nicht kommentieren und verweist auf die Vorlage der Bilanz am 11. März.
Da sich der Schuldenberg des Energiekonzerns auf inzwischen 31 Milliarden Euro erhöht hat, ist E.On auf der Suche nach Erlösquellen. Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet, hat das Unternehmen die Investmentbanker der Bank of America damit beauftragt, bei einem möglichen Verkaufsprozess des Gasfördergeschäfts in der Nordsee beratend tätig zu werden. Der Verkauf könnte den mit den Vorgängen vertrauten Kreisen zufolge, auf die Bloomberg sich beruft, bis zu zwei Milliarden Euro einbringen.
Im Zuge des angekündigten radikalen Strategiewechsels Ende November war auch bekannt geworden, dass E.On das Fördergeschäft in der Nordsee auf den Prüfstand stellen will. Da der Konzern in der Gasförderung in Russland ein größeres Potenzial sieht, soll diese im Gegensatz zu der Nordsee-Förderung auf jeden Fall in der neuen Gesellschaft, welche die Kohle-, Gas- und Atomgeschäfte bündeln soll, verbleiben.
Konkurrent RWE hatte Anfang der Woche den lange geplanten Verkauf seiner Öl- und Gasfördertochter Dea an ein Konsortium des russischen Oligarchen Michail Fridman abgeschlossen. Die britische Regierung hat dagegen wegen der politischen Spannungen mit Russland Bedenken vorgebracht.