Ende des Tankrabatts „Das Tanken wird teurer und darauf müssen wir uns einstellen“

Ende des Tankrabatts könnte zu einem Run auf die Tankstellen führen. Quelle: dpa Picture-Alliance

Duraid El Obeid ist Chef der Tankstellen-Kette Sprint und Vorsitzender des Bundesverbands Freie Tankstellen. Für Ende August erwartet der Unternehmer einen Run auf die Tankstellen – und steigende Preise.

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WirtschaftsWoche: Herr El Obeid, vor dem 1. Juni haben Sie vor einem historischen Ansturm gewarnt, weil die Bundesregierung die Bevölkerung mit einem Tankrabatt versorgt hat: 33 Cent auf Benzin, 17 Cent auf Diesel. Ist das Chaos damals am 1. Juni eingetreten?
Duraid El Obeid: Im Nachhinein war der Ansturm nicht so stark ausgeprägt, wie ich es erwartete hatte. Aber einige Tankstellen sind trotzdem beim Benzin oder Diesel leergelaufen. 15 freie Tankstellen aus meinem eigenen Netz waren etwa beim Diesel teilweise ausverkauft. Aber einen flächendeckenden Leerverkauf haben wir nicht erlebt. Da war ich zuvor wohl etwas zu pessimistisch. 

Ab dem 1. September wird der Tankrabatt nun wieder zurückgedreht. Benzin und Diesel werden dann wieder teurer. Die Mineralölwirtschaft hat schon vor einem Ansturm auf die Reste der begünstigten Kraftstoffe Ende August gewarnt. Schwenken Sie darauf ein oder sind Sie – aufgrund Ihrer Erfahrungen vom 1. Juni – entspannter?
Das Tanken wird teurer und darauf müssen wir uns einstellen. Die Gesellschaft wird die steigenden Energiepreise natürlich antizipieren. Je näher wir an den 1. September heranrücken, desto mehr Kunden wollen ihre Tanks noch vollmachen. Ich gehe davon aus, dass im Vorfeld des 1. September ein hoher Tankkonsum stattfinden wird. Aber ich erwarte keinen Run am letzten Tag des Augusts, sondern ein allmähliches Volltanken. Die Leute werden ihr Auto schon eine Woche vorher voll machen und dann vielleicht noch mal die verfahrenen zehn bis 15 Liter nachtanken.

Der Rhein hat kaum noch Wasser. Ein Großteil des Benzins und Diesels wird per Binnenschiff transportiert. Welche Folgen hat das Niedrigwasser auf das Kraftstoffangebot an den Tankstellen?
Es ist gut möglich, dass die Versorgung im August an Grenzen kommt. Die Mineralöllieferanten geben den Tankstellenbetreibern nur noch die minimal garantierten Mengen. In der Regel haben Freie Tankstellen mit den Lieferanten Bandbreiten vereinbart. Sie können dann etwa fünf bis zehn Prozent mehr oder weniger Kraftstoffmengen abnehmen – je nach saisonaler Nachfrage. Doch wegen des Niedrigwassers können Tankstellen im Südwesten der Republik keine Mengen nachordern. Deshalb erhöhen einige Mittelständler schon die Preise an den Zapfsäulen, um ja nicht irgendwann in die Situation zu kommen, dass sie ihren Kunden gar kein Benzin oder Diesel mehr verkaufen können. Denn das wollen alle Tankstellenbetreiber unbedingt vermeiden.  



Das heißt, die Preise steigen schon jetzt?
Bei einigen Tankstellen ist das der Fall. Normalerweise sind Freie Tankstellen im Schnitt circa einen Cent preiswerter als die Tankstellenketten von Konzernen. Derzeit kann es umgekehrt sein, weil einige freie Tankstellenbetreiber wegen der angespannten Versorgungslage die Preise erhöht haben, um ja nicht leerzulaufen. Andere Tankstellen suchen auch gerade Nachschub etwa in Bayern. Die Lkw-Transporte erhöhen die Preise ebenfalls.

Die Kritik nach dem 1. Juni war, dass der Tankrabatt nicht eins zu eins weitergegeben wurde. Am 1. September dürften die Preiserhöhungen aber ganz bestimmt um den gleichen Betrag erhöht werden, oder?
Ich betreibe 144 Tankstellen unter der Marke Sprint. Wir haben den Rabatt damals komplett weitergegeben und enorme Verluste gemacht. Denn wir haben die Kraftstoffe billiger verkauft, als wir sie wenige Tage und Wochen zuvor eingekauft haben. Jetzt gleicht sich der Effekt natürlich aus, das heißt, wir verkaufen das Benzin und den Diesel ab September dann teurer, als wir ihn zuvor beschafft haben. Wir werden jedenfalls fair bleiben. Wir erhöhen am 1. September um 33 Cent pro Liter Benzin und 17 Cent pro Liter Diesel – exakt um die Höhe des Tankrabatts.  

Spüren Sie eigentlich schon jetzt ein verändertes Mobilitätsverhalten an Ihren 144 Tankstellen, weil sich die Verbraucherpreise generell erhöhen?
Wir spüren im Osten schon jetzt eine Konsumzurückhaltung. Es gibt weniger Trinkgeld, die Kunden ordern die preiswerteren Autowaschprogramme. Im Westen haben Inflation und drohende Rezession offenbar noch zu keinen Verhaltensänderungen geführt. Zumindest kann ich das an unseren Tankstellen noch nicht erkennen.

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Sie betreiben einen Großteil der Sprint-Tankstellen in Berlin und Brandenburg und werden von der PCK Raffinerie in Schwedt beliefert. PCK ist eine Tochter des russischen Staatskonzerns Rosneft. Es gibt noch kein Embargo auf russisches Öl. Spüren Sie denn trotzdem etwas von der veränderten politischen Lage?
Wir spüren noch keine Veränderungen. Solange es kein Embargo gibt, erfüllen beide Seiten ihre Verträge: PCK liefert, wir nehmen ab. Die Verträge mit PCK werden zu 100 Prozent erfüllt. Aber wir wissen natürlich, dass die Situation endlich ist. Deutschland will mittelfristig kein Rohöl aus Russland mehr importieren.

Was erwarten Sie?
PCK wird über eine Pipeline aus Russland beliefert. Es wird schwierig sein, die Pipeline durch Schiffstransporte und eine kleinere Pipeline ab Rostock zu ersetzen. Ich gehe davon aus, dass die Kraftstoff-Mengen aus Schwedt zurückgehen werden. Darauf stellen wir uns ein. Aber irgendeine wirtschaftliche Lösung wird es geben. Ein neuer Eigentümer, neue Beschaffungswege – mal schauen, was kommt. Ich halte weiterhin an PCK fest.

Müssen Sie Benzin und Diesel für den Osten dennoch bald im Westen der Republik ein- oder zumindest zukaufen?
Wir kaufen schon heute teilweise im Westen ein, um unsere Tankstellen im Osten zu beliefern. Es ist dann aber teurer. Die Transportwege zwischen Raffinerie beziehungsweise Tanklager und Tankstelle betragen in der Regel 100 Kilometer. Es kann gut sein, dass sich die Transportwege in Zukunft verdoppeln. Das hätte natürlich Folgen: Es gibt Personalmangel bei Spediteuren und Engpässe bei der Bahn. Die Kraftstoffe werden teurer.

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Das heißt, der Sprit im Osten wird teurer als im Westen?
Es kann gut sein, dass Benzin und Diesel im Osten teurer werden als im Westen. Aber für den Kunden werden die Preisunterschiede von Tankstelle zu Tankstelle marginal sein. Den Verbraucherpreis bestimmen ja nicht nur die Beschaffungskosten, sondern auch der Wettbewerb an den Zapfsäulen. Wir haben weltweit gesehen genug Rohöl. Wenn das Rohöl transportiert werden kann, dann in alle Richtungen. Öl und seine Derivate werden den Weg dahin finden, wo sie gebraucht werden. Es gibt gut laufende Raffinerien in Amsterdam und Rotterdam. Ein Teil der Produktion könnte vom Westen in den Osten transportiert werden.

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