Deutlich weniger als ein Jahr hat es gedauert, bis die ersten LNG-Terminals in Deutschland betriebsbereit waren. Nach Wilhelmshaven gibt Kanzler Scholz nun auch in Lubmin den Startschuss.
Erst das niedersächsische Wilhelmshaven, nun Lubmin in Vorpommern – Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will am Samstag das zweite deutsche Terminal zum Import von Flüssigerdgas offiziell eröffnen. Zur Übergabe der letzten ausstehenden Genehmigung an die Betreiber wird auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) erwartet. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ist erkrankt und nimmt daher nicht an der Eröffnung teil.
Wie das Terminal in Niedersachsen steht die Lubminer Anlage für die Bemühungen Deutschlands, Alternativen zu schaffen für ausbleibende russische Gaslieferungen. Die Terminals stehen ebenso für das hohe Tempo, das die Verantwortlichen beim Aufbau einer eigenen deutschen Import-Infrastruktur für Flüssigerdgas (LNG) an den Tag gelegt haben. Innerhalb von Monaten wurden die Terminals geplant, genehmigt und gebaut.
Wie das Terminal in Niedersachsen steht die Lubminer Anlage für die Bemühungen Deutschlands, Alternativen zu schaffen für ausbleibende russische Gaslieferungen. Die Terminals stehen ebenso für das hohe Tempo, das die Verantwortlichen beim Aufbau einer eigenen deutschen Import-Infrastruktur für Flüssigerdgas (LNG) an den Tag gelegt haben. Innerhalb von Monaten wurden die Terminals geplant, genehmigt und gebaut.
Der Weg zu Deutschlands erstem LNG-Terminal
27. Februar: Als Reaktion auf den Krieg in der Ukraine und die Abhängigkeit von russischem Erdgas kündigt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in seiner „Zeitenwende“-Rede den schnellen Bau von zwei LNG-Terminals in Deutschland an. Er nennt dabei die Standorte Brunsbüttel in Schleswig-Holstein und Wilhelmshaven in Niedersachsen.
14. März: Niedersachsens damaliger Energieminister Olaf Lies (SPD) kündigt nach einem Treffen der „Taskforce LNG Wilhelmshaven“ an, dass über ein geplantes Terminal in Wilhelmshaven noch vor dem Winter 2023 Flüssigerdgas importiert werden könnte.
8. April: Der Gastnetzbetreiber Open Grid Europe (OGE) erklärt, eine rund 26 Kilometer lange Anbindungs-Pipeline von einem noch zu bauenden LNG-Terminal bei Wilhelmshaven bis an den nächsten Anschluss an das Gas-Fernleitungsnetz im Landkreis Wittmund bauen zu wollen.
14. April: Die Bundesregierung gibt bekannt, für vier schwimmende LNG-Terminals in den kommenden zehn Jahren bis zu drei Milliarden Euro ausgeben zu wollen. Später folgen noch Pläne für ein weiteres staatlich organisiertes schwimmendes Terminal.
5. Mai: In Anwesenheit von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) werden mit dem ersten Rammschlag in Wilhelmshaven die Bauarbeiten für den Anleger des schwimmenden LNG-Terminals begonnen.
19. Mai: Der Bundestag beschließt ein Gesetz, um die Genehmigung von LNG-Terminals zu beschleunigen. Bestimmte Verfahrensschritte etwa bei der Umweltverträglichkeitsprüfung können so ausgelassen werden.
4. Juli: Das staatliche Gewerbeaufsichtsamt Oldenburg gibt dem Energiekonzern Uniper grünes Licht für den vorzeitigen Baustart für das LNG-Terminal in Wilhelmshaven.
19. Juli: Die Bundesregierung teilt mit, dass zwei Spezialschiffe als schwimmende Importterminals noch zum Jahreswechsel 2022/2023 für die Einsatzorte Wilhelmshaven und Brunsbüttel zur Verfügung stehen.
4. August: Die Bauarbeiten an der neuen Anbindungs-Pipeline beginnen.
12. August: Mehrere hundert Aktivisten der Gruppierung „Ende Gelände“ besetzen vor einem geplanten Besuch des niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) eine Terminal-Baustelle.
16. August: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck unterzeichnet eine Absichtserklärung mit Energieunternehmen, dass die Terminals in Wilhelmshaven und Brunsbüttel bis zum März 2024 „vollausgelastet“ Gas zur Verfügung gestellt bekommen.
15. November: Der Anleger für das LNG-Terminal ist fertiggestellt.
9. Dezember: Betreiber Uniper teilt mit, dass am 22. Dezember das erste Gas über das neue LNG-Terminal ins Erdgasnetz eingespeist werden soll.
12. Dezember: Das letzte Teilstück der neuen Anbindungs-Pipeline wird mit einer Schweißnaht an das Fern-Gasnetz angeschlossen.
15. Dezember: Das Spezialschiff „Höegh Esperanza“ und technisches Herzstück der Anlage trifft in Wilhelmshaven ein und macht am Anleger fest.
16. Dezember: Die zuständige Behörde in Niedersachsen gibt die letzte noch ausstehende wasserrechtliche Erlaubnis für den Betrieb des Terminals. Geregelt ist auch die Einleitung von chlorhaltigen Abwässern ins Meer. Umweltschutzverbände kritisieren das.
17. Dezember: Das Terminal in Wilhelmshaven wird als erstes deutsches Importterminal für Flüssigerdgas in Anwesenheit von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eröffnet.
In den vergangenen Jahren hatte Deutschland einen Großteil seines Erdgases über die deutsch-russische Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 bezogen. Nach vorhergehenden Drosselungen kommt gar nichts mehr über diesen Weg. Außerdem ist die Leitung wie die nie in Betrieb gegangene Schwesterleitung Nord Stream 2 durch mutmaßliche Sabotage stark beschädigt.
Einspeisekapazität von etwa fünf Milliarden Kubikmeter Erdgas
Flüssigerdgas (LNG) wird aus mehreren Regionen der Welt per Schiff geliefert, wieder in Gas umgewandelt und in das Gasnetz eingespeist. Neben einem stärkeren Bezug etwa von Pipeline-Gas aus Norwegen soll LNG ausbleibende russische Lieferungen ersetzen. Wie in Wilhelmshaven nimmt in Lubmin ein Spezialschiff das LNG auf, wandelt es um und speist es ein. Diese schwimmenden Terminals konnten schneller in Stellung gebracht werden als feste Anlagen, die auch geplant sind. Der Bund hat mehrere schwimmende Terminals gechartert. Ein weiteres soll in Kürze in Brunsbüttel in Schleswig-Holstein an den Start gehen.
Die bereits eingesetzten oder eingeplanten schwimmenden Terminals haben je nach örtlichen Gegebenheit eine Einspeisekapazität von etwa fünf Milliarden Kubikmeter Erdgas jährlich. Allein über Nord Stream 1 kamen 2021 fast 60 Milliarden Kubikmeter. Nach früheren Angaben will Deutschland im Winter 2023/24 etwa ein Drittel des bisherigen Gasbedarfs über die schwimmenden LNG-Terminals decken. Dafür sollen bis dahin weitere an den Start gehen - etwa in Stade in Niedersachsen und ein zusätzliches vor Lubmin.
Zuletzt wurde etwa von Umweltverbänden kritisiert, dass Deutschland langfristig Überkapazitäten für den Gasimport schafft und so auch den angestrebten Ausstieg aus fossilen Energieträgern behindert. Das Bundeswirtschaftsministerium hatte darauf verwiesen, dass es bei geplanten Projekten auch Unsicherheiten gebe und man Sicherheitspuffer für mögliche Ausfälle schaffen wolle. Zudem gehe es auch um eine Erweiterung der Infrastruktur auf europäischer Ebene, von der auch andere Länder profitieren könnten.
War vergangenes Jahr noch vor einer Gasmangellage in diesem Winter gewarnt worden, erscheint das Szenario derzeit unwahrscheinlich. Zuletzt waren die Gasspeicher in Deutschland noch zu über 90 Prozent gefüllt. Unter anderem haben Privathaushalte und Wirtschaft ihren Verbrauch gesenkt.
Die Füllstände nehmen nach Beginn der Heizperiode im Herbst üblicherweise ab. Am Morgen des 14. November wurde ein Füllstand von 100 Prozent verzeichnet. Am 1. Februar sollen die Speicher laut Energiewirtschaftsgesetz noch zu 40 Prozent gefüllt sein. Im vergangenen Jahr spielten zumindest zeitweise auch direkte russische Gasimporte noch eine Rolle. Diese dürfte es bis zum nächsten Winter nicht mehr geben. Auch das Wetter ist ein Einflussfaktor. Ein strenger Winter lässt den Gasverbrauch steigen. Zuletzt waren die Temperaturen vergleichsweise mild.
Proteste angekündigt
Das Lubminer Terminal ist das nach Betreiberangaben bislang einzige komplett privat finanzierte Terminal in Deutschland. Das Unternehmen Deutsche Regas spricht von Kosten in Höhe von etwa 100 Millionen Euro, die aus Eigenkapital und von Investoren stammten. Anfang der Woche war im Rahmen eines genehmigten Testbetriebs erstmals Gas ins Gasnetz eingeleitet worden. In Wilhelmshaven war es Ende vergangenen Jahres bereits soweit gewesen. Nach Erhalt der eigentlichen Betriebsgenehmigung könne man auch jenseits der bisher geltenden Beschränkungen Gas einspeisen, hieß es von der Deutschen Regas.
Die Starts der beiden Terminals sind von Kritik begleitet. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat bereits Widerspruch gegen die Betriebsgenehmigung des Terminals in Wilhelmshaven eingelegt und fordert, die Betriebsdauer von 20 Jahren auf höchstens 10 Jahre zu beschränken. Außerdem kritisiert die DUH das Einleiten von mit Bioziden behandeltem Abwasser ins Meer.
Mit Blick auf Lubmin kritisieren Verbände eine aus ihrer Sicht überstürzte Genehmigung und verweisen darauf, dass derzeit kein Gasmangel drohe. Ihrer Ansicht nach wurden etwa Auswirkungen auf den geschützten Greifswalder Bodden, durch den die Tanker das LNG transportieren, nicht ausreichend berücksichtigt. Zudem gibt es Klagen von Anwohnern über Lärm, den sie mit dem Terminal in Verbindung bringen. Behörden haben bereits Messungen veranlasst. Für die offizielle Eröffnung sind Proteste angekündigt.
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