Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat Widerspruch gegen die Betriebsgenehmigung für das Importterminal für Flüssigerdgas (LNG) in Wilhelmshaven eingelegt. Der Verband fordert, den Betrieb des im Dezember eröffneten schwimmenden Terminalschiffes „Höegh Esperanza” auf höchstens zehn Jahre zu beschränken und das Einleiten von mit Bioziden behandelter Abwässer ins Meer zu stoppen.
Stattdessen soll der Terminalbetreiber, der Gasimporteur Uniper, auf umweltverträgliche Reinigungsverfahren ohne Chemikalien setzen. Der zuständige Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) hatte Mitte Dezember die wasserrechtliche Erlaubnis für das Terminal gegeben.
Der Betrieb des Terminals ist derzeit im LNG-Gesetz bis 2043, also auf 20 Jahre begrenzt. Der Deutschen Umwelthilfe und auch anderen Umweltschutzverbänden ist das deutlich zu lange. Aus ihrer Sicht widerspricht die lange Laufzeit den Zielen zur Reduzierung des Ausstoßes klimaschädlicher Gase nach dem Pariser Klimaabkommen.
Der Weg zu Deutschlands erstem LNG-Terminal
27. Februar: Als Reaktion auf den Krieg in der Ukraine und die Abhängigkeit von russischem Erdgas kündigt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in seiner „Zeitenwende“-Rede den schnellen Bau von zwei LNG-Terminals in Deutschland an. Er nennt dabei die Standorte Brunsbüttel in Schleswig-Holstein und Wilhelmshaven in Niedersachsen.
14. März: Niedersachsens damaliger Energieminister Olaf Lies (SPD) kündigt nach einem Treffen der „Taskforce LNG Wilhelmshaven“ an, dass über ein geplantes Terminal in Wilhelmshaven noch vor dem Winter 2023 Flüssigerdgas importiert werden könnte.
8. April: Der Gastnetzbetreiber Open Grid Europe (OGE) erklärt, eine rund 26 Kilometer lange Anbindungs-Pipeline von einem noch zu bauenden LNG-Terminal bei Wilhelmshaven bis an den nächsten Anschluss an das Gas-Fernleitungsnetz im Landkreis Wittmund bauen zu wollen.
14. April: Die Bundesregierung gibt bekannt, für vier schwimmende LNG-Terminals in den kommenden zehn Jahren bis zu drei Milliarden Euro ausgeben zu wollen. Später folgen noch Pläne für ein weiteres staatlich organisiertes schwimmendes Terminal.
5. Mai: In Anwesenheit von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) werden mit dem ersten Rammschlag in Wilhelmshaven die Bauarbeiten für den Anleger des schwimmenden LNG-Terminals begonnen.
19. Mai: Der Bundestag beschließt ein Gesetz, um die Genehmigung von LNG-Terminals zu beschleunigen. Bestimmte Verfahrensschritte etwa bei der Umweltverträglichkeitsprüfung können so ausgelassen werden.
4. Juli: Das staatliche Gewerbeaufsichtsamt Oldenburg gibt dem Energiekonzern Uniper grünes Licht für den vorzeitigen Baustart für das LNG-Terminal in Wilhelmshaven.
19. Juli: Die Bundesregierung teilt mit, dass zwei Spezialschiffe als schwimmende Importterminals noch zum Jahreswechsel 2022/2023 für die Einsatzorte Wilhelmshaven und Brunsbüttel zur Verfügung stehen.
4. August: Die Bauarbeiten an der neuen Anbindungs-Pipeline beginnen.
12. August: Mehrere hundert Aktivisten der Gruppierung „Ende Gelände“ besetzen vor einem geplanten Besuch des niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) eine Terminal-Baustelle.
16. August: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck unterzeichnet eine Absichtserklärung mit Energieunternehmen, dass die Terminals in Wilhelmshaven und Brunsbüttel bis zum März 2024 „vollausgelastet“ Gas zur Verfügung gestellt bekommen.
15. November: Der Anleger für das LNG-Terminal ist fertiggestellt.
9. Dezember: Betreiber Uniper teilt mit, dass am 22. Dezember das erste Gas über das neue LNG-Terminal ins Erdgasnetz eingespeist werden soll.
12. Dezember: Das letzte Teilstück der neuen Anbindungs-Pipeline wird mit einer Schweißnaht an das Fern-Gasnetz angeschlossen.
15. Dezember: Das Spezialschiff „Höegh Esperanza“ und technisches Herzstück der Anlage trifft in Wilhelmshaven ein und macht am Anleger fest.
16. Dezember: Die zuständige Behörde in Niedersachsen gibt die letzte noch ausstehende wasserrechtliche Erlaubnis für den Betrieb des Terminals. Geregelt ist auch die Einleitung von chlorhaltigen Abwässern ins Meer. Umweltschutzverbände kritisieren das.
17. Dezember: Das Terminal in Wilhelmshaven wird als erstes deutsches Importterminal für Flüssigerdgas in Anwesenheit von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eröffnet.
DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner sagte laut Mitteilung vom Mittwoch, es müsse sichergestellt werden, dass der Klimaschutz auch in der aktuellen Energiekrise Bestand habe. „Wenn wir jetzt zahlreiche unbefristete Betriebsgenehmigungen für neue fossile Projekte ausstellen, bringen wir uns von einer fossilen Abhängigkeit in die nächste und gefährden unsere Klimaziele.” Die Laufzeit des Wilhelmshavener LNG-Terminals müsse daher auf höchstens zehn Jahre begrenzt werden. Auch gegen die Betriebsdauer der neu gebauten Anbindungspipeline geht die Umwelthilfe bereits vor. Sie soll ebenfalls auf zehn Jahre beschränkt werden.
Biozide schaden laut Verbänden dem Meer
Umweltschutzverbände kritisieren zudem die Einleitung von mit Bioziden behandelter Abwässer ins Meer. Denn um das von Tankern angelieferte verflüssigte Erdgas wieder in Gas umzuwandeln, muss es an Bord des LNG-Terminals mit Nordseewasser erwärmt werden. Damit die Seewassersysteme des Schiffes nicht mit Muscheln oder Seepocken zuwachsen, muss laut dem Betreiber Uniper zur Reinigung Chlor als Biozid eingesetzt werden. Nach Angaben der Genehmigungsbehörde NLWKN erfüllt die beantragte Menge den gesetzlichen Bestimmungen.
Die Umwelthilfe fürchtet angesichts des Chloreinsatzes Schäden für das angrenzende Wattenmeer. „Die Nutzung von tonnenweise Chlor als Biozid ist eine Katastrophe für die Artenvielfalt der Jade und örtliche Muschelfischer und zeigt auch deutlich auf, was die Versäumnisse von Umweltverträglichkeitsprüfungen bei Infrastrukturprojekten bedeuten”, sagte der DUH-Energieexperte Constantin Zerger. Der Verband fordert, statt auf Chemikalien auf andere, etwa mechanische Säuberungsverfahren zu setzen.
Das LNG-Terminal in Wilhelmshaven ist das erste, das in Deutschland eröffnet wurde. Es ist Teil der deutschen Bemühungen, unabhängig von Erdgas aus Russland zu werden. In dem Antragsverfahren für das Terminal hatte es rund 300 Einwendungen von Trägern öffentlicher Belange, Umweltverbänden und Privatpersonen geben.
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