Energiekonzept Erneuerbare Energien im Realitätscheck

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Am Ende billiger

Wie eine 100-prozentige Grünstromversorgung im Detail funktionieren könnte, zeigen zwei aktuelle Gutachten. Das eine stammt vom Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik, das andere vom Sachverständigenrat für Umweltfragen. Die Gutachten machen allerdings auch klar, dass für einige grüne Energietechniken noch erheblicher Forschungsbedarf besteht.

Mit den Windrädern an Land und nahe der Küsten haben lediglich zwei der wichtigsten Erzeugungsquellen der grünen Zukunft ihre Praxistauglichkeit bereits bewiesen.

Und so warnt etwa BASF-Chef, Jürgen Hambrecht, bei einer grünen Vollversorgung drohe eine Deindustrialisierung Deutschlands. Grüne Energie treibe die Kosten in die Höhe: Allein in der chemischen Industrie belaste jeder zusätzliche Cent bei Strompreisen die Energierechnung mit rund einer Milliarde Euro, sagt er. „Eine falsche Energiepolitik wirkt sich negativ auf Investitionen und Arbeitsplätze in Deutschland aus.“

Bezahlbar und klimaverträglich

Das Risiko kann niemandem egal sein. Bezahlbarer Strom ist entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft. Schon heute machen Energiekosten etwa bei der Zementherstellung fast 20 Prozent am Bruttoproduktionswert aus. Bei Chemikalien sind es mehr als zehn, bei Stahl rund neun Prozent. Und in Deutschland schmerzt jede Preiserhöhung doppelt. Längst müssen Industriebetriebe mehr für Strom bezahlen als ihre Wettbewerber in anderen Ländern, wie die Internationalen Energieagentur kürzlich feststellte.

Alles halb so wild, hält Martin Faulstich dagegen. So dramatisch werde der Preisanstieg durch die grüne Rundumversorgung nicht. Der Experte für Rohstoff- und Energietechnologie der Technischen Universität München ist Vorsitzender des Umweltrats, dem Pendant zu den Wirtschaftsweisen. Faulstich und seine Kollegen halten die Energiewende für „sicher, bezahlbar und klimaverträglich“.

Die Ökoweisen haben ausgerechnet, dass eine rein nationale Elektrizitätsversorgung aus grünen Quellen die Erzeugungskosten im Jahr 2050 im günstigsten Fall um zwei Cent pro Kilowattstunde erhöhen würde. In der Übergangsphase sind es allerdings zeitweise bis zu sieben Cent. Zugleich aber würden auch die fossilen Energieträger teurer, so die Sachverständigen, weil die Preise für Uran, Kohle und Gas steigen. Die Folge: In einigen Jahren werden sich die Preise grüner Energie und die fossiler Kraftwerke treffen (siehe Grafik).

Zugleich werden die Ausgaben für Energie in Deutschland ohnehin sinken, weil der Verbrauch durch Gebäudedämmung und effizientere Maschinen sinkt. Schon jetzt könnte die Industrie mit geringen Investitionen kurzfristig 25 Prozent ihres Energieverbrauchs sparen, errechneten die Berater von Roland Berger.

So zerstritten die Lager auf der einen Seite sind, so sehr ist den meisten klar, dass der Wandel stattfinden muss. Nicht nur wegen steigender Rohstoffpreise, auch weil der Klimaschutz die Industrie mit enormen Abgaben belasten wird.

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