Energiekrise Wo schwimmende LNG-Terminals entstehen sollen

In der litauischen Hafenstadt Klaipėda gibt es bereits ein schwimmendes LNG-Terminal, wie es in Deutschland entstehen soll. An der

Deutschland will auf russisches Gas verzichten und setzt seine Hoffnung nun auf Flüssigerdgas. Nur: Wie genau soll das an die deutsche Küste kommen? Und wer verdient daran?

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Am Donnerstag dieser Woche will Robert Habeck Deutschland in eine neue Ära führen. Die Ära der LNG-Terminals. Dann nämlich wird der grüne Energierettungsminister dabei sein, wenn nahe der Wilhelmshavener Schleuse Hooksiel der erste Rammschlag durchgeführt wird. In den nächsten Monaten sollen viele weitere folgen, um den Anleger fit zu machen für ein oder zwei ganz besondere Schiffe, die dort demnächst vertäut werden sollen: schwimmende LNG-Terminals. An ihnen können andere Tanker andocken. Sie nehmen deren Ladung auf und wandeln das auf minus 160 Grad Celsius gekühlte und dadurch verflüssigte Erdgas zurück in einen gasförmigen Zustand.

Ein Pflock für die Operation Energiefreiheit

Schon bald, wenn möglich schon nächsten Winter, will Deutschland diese schwimmenden Terminals an seinen Küsten anlegen lassen. Irgendwann sollen es vier sein, als Vorboten von festen LNG-Terminals, Vorboten vor allem aber einer neuen Zeit, in der Deutschland unabhängig ist von russischem Gas. Noch gibt es hier kein einziges LNG-Terminal. Deshalb trifft der Begriff des Rammschlags ziemlich genau, was Habeck, die Bundesregierung, Deutschland, da vorhaben: In Wilhelmshaven soll, im engen Bund mit der Industrie, mit Wucht ein Pflock in den Boden gerammt werden, der zeigt: Deutschland meint es ernst mit der Operation Energiefreiheit.

Wilhelmshaven Nord Wilhelmshaven Süd

Die schwimmenden Terminals, auch FSRU genannt, spielen dabei eine zentrale Rolle. Das Kürzel steht für Floating Storage and Regasification Unit und beschreibt die zentralen Eigenschaften dieser Schiffe: Sie sind mobil, sie können Flüssiggas speichern, aber es eben auch in Gas zurück verwandeln. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs gibt es einen regelrechten Run auf diese Schiffe, von denen es derzeit weltweit 48 gibt. Zwar plant Deutschland, möglichst schnell feste Hafenanlagen und feste LNG-Terminals zu errichten, konkret in Wilhelmshaven, Brunsbüttel und Stade.

Brunsbüttel

Aber die Fertigstellung dieser Terminals wird mindestens bis 2024 oder 2025 dauern. Daher setzt die Bundesregierung, im Bund mit großen Importeuren wie Uniper und RWE, vorerst alles auf die schwimmende Variante – und nimmt dafür hin, dass sich Reeder eine Weile eine goldene Nase verdienen.

Dabei gibt es die FSRUs in Europa schon länger. Litauen etwa hat in der Hafenstadt Klaipèda seit 2014 ein schwimmendes Terminal mit dem nicht zufällig gewählten Namen „Independence“ vertäut. „Unabhängigkeit“ – das ist eine Ansage des baltischen Landes an Moskau und den dortigen Monopolisten Gazprom: Wir gehören mittlerweile nicht nur zur Europäischen Union, sondern haben längst auch Mittel und Wege gefunden, wie wir uns bei der Energie von euch lösen können.

Stade

294 Meter ist die „Independence“ lang, 46 Meter breit, 47 Meter hoch, vier LNG-Tanks fassen insgesamt 170.000 Kubikmeter. Geleast hat Litauen das in Südkorea gebaute Schiff von der norwegischen Reederei Höegh LNG. In einem Zehn-Jahres-Vertrag für 430 Millionen Euro, mitfinanziert von der Europäischen Union.

Litauen war zuvor komplett abhängig von Gazprom – zu einem hohen Preis: 2012 musste das Land laut „New York Times“ 15 Prozent mehr für Gas zahlen als der europäische Schnitt. Nur Bulgarien zahlte damals mehr.

Und Deutschland? Hatte LNG lange nicht nötig

In Deutschland hielt man diese Art von Unabhängigkeitsbestrebung bis vor kurzem für unnötig. Das russische Gas kam ja über Pipelines. Und günstig war es auch. 26 LNG-Terminals gibt es in der EU, allein sechs davon in Spanien, in Deutschland kein einziges.

Lesen sie auch: Warum Deutschland fast als einziges Land keine LNG-Terminals hat

Zwar gab es in den vergangenen Jahren immer wieder Pläne, auch hier Terminals zu errichten. In Wilhelmshaven war die Planung des Versorgers Uniper schon sehr weit fortgeschritten, der Plan, ein Terminal in Brunsbüttel zu errichten, war sogar im Koalitionsvertrag der Kieler Jamaika-Regierung von CDU, FDP und Grünen festgehalten. Aber so richtig bewegt hat sich nichts. Und auch Uniper gab seine Pläne wieder auf, weil die Nachfrage zu gering war. 

Das hat sich jetzt geändert. Bis zu drei Milliarden Euro ist Finanzminister Christian Lindner (FDP) bereit, in den kommenden zehn Jahren für vier schwimmende Terminals auszugeben.

Uniper, in Besitz des finnischen Konzerns Fortum, wird sich an dem Bau des festen Terminals in Wilhelmshaven beteiligen. Wie genau die Finanzierung und die staatliche Stütze aussehen, dürfte demnächst bekannt werden. RWE, der Essener Versorger, ist neben der staatlichen Förderbank KfW und dem staatlichen niederländischen Energiekonzern Gasunie bei der Betreibergesellschaft für das künftige LNG-Terminal in Brunsbüttel eingestiegen, mit einem Anteil von rund zehn Prozent. Für die Bundesregierung haben Uniper und RWE nun auf dem internationalen Markt den Zugriff auf FSRUs gesichert.

Spezialschiffe von chinesischen Werften

In den vergangenen Wochen ist von dem Fachblatt „TradeWinds“ berichtet worden, dass Uniper mit dem griechischen Reeder Dynagas verhandelt, RWE mit dem norwegischen Anbieter Höegh LNG. Für den Deal mit Uniper wurden dort sogar die Schiffsnamen aufgeführt. Demnach handelt es sich um die 2021 von der chinesischen Werft Hudong-Zhonghua gebauten FSRUs „Transgas Power“ und „Transgas Force“, die jeweils etwa ein Volumen von 174.000 Kubikmeter fassen können. Ende März hatte Tony Lauritzen, Chef von Dynagas LNG Partners, vor Analysten bestätigt, dass es großes Interesse an den schwimmenden Terminals gebe, „speziell auf dem europäischen Kontinent“. Zu dem Zeitpunkt hieß es aber noch, die beiden Schiffe „Transgas Force“ und „Transgas Power“ würden ausschließlich als Transportschiffe verwendet – und zwar bis ins nächste Jahr hinein. Das hat sich offenbar geändert.

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