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Luxusgut Sprit? Wer verdient an dem Geschäft mit Benzin und Diesel eigentlich genau wieviel? Quelle: dpa

Der Tankrabatt soll den Spritpreis drücken. Aber bislang gibt es keinen Automatismus: Selbst wenn der Ölpreis fällt, bleibt der Sprit teuer. Wer füllt sich hier die Taschen? Der Wirtschaftswissenschaftler Manuel Frondel hat einen konkreten Verdacht.

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Es ist kein Wunder, dass die Erdölpreise derzeit Achterbahn fahren. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine und die Diskussion um ein Embargo russischer Erdöllieferungen wirken sich direkt auf die Preise auf den Weltmärkten aus – und damit auch auf die Spritpreise, die Kosten für Benzin und Diesel. Im März sind die Preise für Erdöl und Sprit entsprechend in die Höhe geschossen. Nur gibt es auch eine kuriose, für Verbraucher kostspielige Entwicklung: Selbst wenn der Erdölpreis fällt, ziehen die Benzin- und Dieselpreise nur sehr, sehr zögerlich nach.

Ungeklärt ist bislang auch, ob der Tankrabatt an die Verbraucher weitergegeben wird. Während eine Auswertung des Ifo-Instituts zu einer positiven Antwort gelangt, vermutet nicht nur Wirtschaftsminister Robert Habeck, dass ein nennenswerter Teil der staatlichen Unterstützung nie beim Autofahrer ankommt. Wenn das stimmt, kassiert in der Wertschöpfungskette jemand ab, und zwar richtig, nimmt alles mit, was geht. Nur: Wer ist das, auf dem langen Weg des Öls vom Bohrloch zur Zapfsäule? Sind es die Mineralölkonzerne, die oft auch noch die Raffinerien betreiben? Sind es die Tankstellenbetreiber?

„Die Lücke geht vor allem auf die Raffinerien zurück“

Manuel Frondel hat einen eindeutigen Verdacht. Der Wirtschaftswissenschaftler ist Professor für Energieökonomik und angewandte Ökonometrie der Ruhr-Universität Bochum und Leiter des Kompetenzbereiches „Umwelt und Ressourcen“ am RWI, dem Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen. Das RWI veröffentlicht regelmäßig einen Benzinpreis-Spiegel. In diesem Spiegel werden die Preise für Benzin und Diesel ohne Steuern ins Verhältnis zum Rohölpreis gesetzt, gemessen in Euros. „An dieser Differenz können wir dann erkennen, wie hoch die Marge beim Verkauf von Kraftstoffen in etwa sein wird“, sagt Frondel in „High Voltage“, dem wöchentlichen Energie-Podcast der „Wirtschaftswoche“. „Und diese Marge ist eben im März besonders hoch gegangen.“

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Dabei verdienen nach Frondels Vermutung weniger die Tankstellenbetreiber an dieser Marge, sondern eher die Raffineriebetreiber. „Wir können an den hohen Ölpreisen ablesen, dass die Ölförderer derzeit große Gewinne machen dürften, das ist ganz klar“, sagt Frondel. Aber nicht nur die werden große Gewinne machen, sondern auch diejenigen, die Raffinerien betreiben. Die beschriebene Lücke (zwischen Ölpreisen und Spritpreisen) geht nach unserem Verdacht vor allen Dingen auf die Raffinerien zurück. Und das ist in einem Oligopol Markt mit wenigen Anbietern auch durchaus möglich“, sagt Frondel.

Zehn Tipps zum Sprit sparen

Im April hat das Bundeskartellamt in Bonn verkündet, dass es eine Sektoruntersuchung zur Entwicklung der Kraftstoffpreise angestrengt habe, wohl auch auf Druck von Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) hin. Diese Sektoruntersuchung soll dazu dienen, genau nachvollziehen zu können, wer an welchem Zeitpunkt in der Benzin- und Dieselproduktion Preise und damit Margen setzt. Das Ziel ist eine größere Markttransparenz. Auffällig ist dabei, dass es eine vergleichbare Untersuchung des Bundeskartellamtes vor einigen Jahren bereits schon einmal gab – offenbar ohne durchschlagenden Erfolg. Deshalb dringt Manuel Frondel auf einen anderen Fokus der Untersuchung. „Wichtig wäre“, sagt Frondel im Podcast „High Voltage“, dass nicht, wie in der Vergangenheit das Augenmerk vor allem auf die Tankstellen gelegt wird, sondern insbesondere auf die Raffinerien.“

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Tankstellen hätten nach seiner Auffassung kaum Interesse an hohen Spritpreisen, da ihre Haupteinnahmequelle vor allem das Zusatzgeschäft – Verkäufe etwa von Lebensmitteln – an den Verkaufspunkten sei. An eine Absprach zwischen den Raffinerien glaubt Frondel allerdings nicht. „Ich glaube nicht, dass es explizite Absprachen gibt. Aber die momentane Situation erleichtert die stillschweigende Kollusion, das stillschweigende Verhalten in eine Richtung.“

Ein Embargo hätte kurzfristig weitere Preissprünge zur Folge

In der aktuellen Diskussion über ein Öl-Embargo der Europäischen Union gegenüber Ölimporten aus Russland erwartet Frondel eher kurzfristige Auswirkungen auf den Benzinpreis, aber kaum mittel- und langfristige. „Es ist absolut nicht ausgeschlossen, dass mit der Umsetzung eines Embargos die Preise noch einmal einen Sprung machen. Allerdings erwarte ich nicht, dass das von dauerhafter Natur sein wird“, sagt Frondel. Auch könnte ein Ölembargo durchaus zu regionalen Unterschieden innerhalb Deutschlands bei den Benzin- und Dieselpreisen führen. Die gerade für die Versorgung Ostdeutschlands und des Großraums Berlin mit Benzin, Diesel und Kerosin so wichtige Raffinerie in Schwedt in Brandenburg könnte von einem Ausfall russischer Lieferungen kurzfristig stark betroffen sein, falls die Lieferung nicht über andere Wege – etwa über eine Pipeline vom Hafen Rostock aus – gesichert werden könnte. „Deswegen kann es durchaus sein, dass aufgrund der Angebotsverknappung im Osten Deutschlands die Preise mal vorübergehend deutlich höher sein können“, sagt Frondel. Tankstellenbetreiber hatten davor gewarnt, dass die Preise in Ostdeutschland die Preise im Westen um bis zu 20 Prozent übersteigen könnten.



In der aktuellen Folge des Energie-Podcasts „High Voltage“ spricht Frondel auch über die Wirkungen eines Erdöl-Embargos der Europäer auf den globalen Ölmarkt, die Auswirkungen auf den russischen Haushalt sowie Sinn und Unsinn einzelner Öl-Sparmaßnahmen, etwa eines Tempolimits und eines autofreien Sonntags. Das ganze Gespräch können Sie hier hören.

Diese Text wurde erstmals am 11. Mai 2022 veröffentlicht und merhfach aktualisiert.

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