Energiespeicher Wie der Strom auf Abruf funktioniert

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Kraft der Gezeiten

Das weltweit ambitionierteste Projekt für grünen Speicherstrom plant das Unternehmen Tidal Lagoon Power in den Gewässern rund um Großbritannien. Es soll, so seine Befürworter, nicht nur sauberen Strom billiger als das geplante neue Atomkraftwerk Hinkley Point C liefern – die Megawattstunde für 65 statt gut 92 Britischen Pfund. Sondern fast ebenso konstant und überdies den Menschen in den betreffenden Küstenregionen Tausende neue Jobs bescheren, verspricht Firmenchef Mark Shorrock. Jeden Tag rechnet er nun damit, dass die britische Regierungschefin Theresa May den Bau eines 1,3 Milliarden Pfund teuren Prototypen in der Swansea-Bucht vor der walisischen Küste genehmigt.

Die besten Heimakkus - unter 5 kWh Kapazität

Die Tidal-Ingenieure wollen einen Teil der Bucht mit einem neun Kilometer langen Damm vom Atlantik abtrennen. Bei Flut strömt sein Wasser durch ein Maschinenhaus mit 16 Turbinen in die Lagune und bei Ebbe zurück. 14 Stunden lang produziert das Gezeitenkraftwerk so zuverlässig Strom. Wenn alles klargeht, soll es von 2019 an 155.000 Haushalte versorgen. Sechs Anlagen sind geplant. Sie könnten acht Prozent des britischen Strombedarfs decken.

Wärmelager für Windstrom

In Hamburg sind die Bagger angerückt. Dort wollen der Münchner Technologiekonzern Siemens und die Hamburg Energie das Angebot an Windstrom verstetigen, indem sie einen Teil in Wärme umwandeln. Diese soll in einem bestens isolierten Speicher bei Temperaturen von 600 Grad Celsius unter einer Steinschüttung vorübergehend aufbewahrt werden. Über eine Dampfturbine wird die Wärme dann wieder zu Strom.

Die besten Heimakkus - über 5 kWh Kapazität

Nach erfolgreichen Testläufen entsteht auf dem Gelände der Aluminiumhütte Trimet im Stadtteil Altenwerder derzeit ein erster vollständiger thermischer Speicher, der von kommendem Frühjahr an bis zu 36 MWh an Energie aufnehmen können soll. Siemens-Projektleiter Till Barmeier beschwört vor allem die hohe Wirtschaftlichkeit der Technologie, ohne allerdings konkrete Zahlen zu nennen.

Sonne im Tank

Der letzte Abstecher führt nach Dänemark. Das ehrgeizige Land will spätestens 2035 Wärme und Elektrizität zu 100 Prozent aus regenerativen Quellen beziehen – Speicher sind da ein Muss. Unter der industriellen Federführung der französischen Air Liquide errichtet es gerade in der norddänischen Handelsstadt Hobro am Mariagerfjord die größte Windgasanlage Europas. Rund 15 Millionen Euro nehmen die Beteiligten dafür in die Hand.

Sie wollen beweisen, dass die Umwandlung von Wasser per Elektrolyse in Wasserstoff oder unter Zugabe von Kohlendioxid (CO2) in Methan ein tragfähiges Geschäftsmodell ist. Der große Vorteil dieser Speicher: Die chemischen Grundstoffe können bei ausreichender Produktionskapazität in Strom zurückverwandelt werden oder als Kraftstoff Autos antreiben. Im emsländischen Werlte betreibt zum Beispiel Audi mit dem Anlagenbauer Etogas eine solche Anlage.

Kommt die Suche nach dem idealen Speicher für die Energiewende nicht etwas unkoordiniert daher? Bloomberg-New-Energy-Finance-Gründer Michael Liebreich sieht in der Vielzahl der Projekte kein Problem – im Gegenteil. „Wir brauchen alle Lösungsansätze, damit die Lichter niemals ausgehen“, sagt er.

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