
Wenn Uli Huener nach der Zukunft sucht, tut er das nicht am Konzernsitz in Karlsruhe. Dann jettet der Chef des neuen Ressorts Innovationsmanagement beim baden-württembergischen Stromerzeuger EnBW um den halben Globus ins kalifornische Silicon Valley. Dort, wo die Wiege der Internet-Giganten Google und Facebook stand, hofft der 57-Jährige auf die große Eingebung, wie EnBW statt mit Großkraftwerken und Atommeilern künftig Geld verdienen kann.
„Es ist spannend, wie dort drüben über neue Angebote diskutiert wird, wie Kunden rund um ihren reinen Energiebedarf mit Dienstleistungen versorgt werden können“, sagt Huener, frisch aus dem amerikanischen Start-up-Mekka zurück am beschaulichen Oberrhein.
Raus aus der Schockstarre
Aus dem Munde des früheren Deutschen- Telekom-Managers spricht doppelter Mut – der Mut des Zuversichtlichen wie der Mut des Verzweifelten. Seit Monaten wird Huener von EnBW-Chef Frank Mastiaux in alle Welt geschickt, um neue Geschäftsmodelle für die Zeit zu finden, wenn 2022 das letzte der einst vier Atomkraftwerksblöcke der Südwestdeutschen vom Netz muss. Doch der große Wurf ist dabei noch nicht herausgekommen, stattdessen regiert das Prinzip Hoffnung. „Wir brauchen neue Anstöße, die wir nicht nur vor unserer Haustür finden, um aus der Enge des alteingessenen Versorgerdenkens herauszukommen“, heißt es wortreich aus dem Konzern.
Hueners schwierige Mission könnte genauso oder ähnlich für die drei anderen Stromgiganten in Deutschland – E.On, RWE und Vattenfall – gelten. Seit die schwarz-gelbe Koalition vor fast genau drei Jahren das Atom-Aus bis 2022 beschloss und immer mehr vorrangberechtigter Ökostrom die fossilen Meiler bedroht, ist bei dem Quartett eine Umwälzung historischen Ausmaßes angelaufen. Im Übergang zum vierten Jahr der Energiewende, nach Schockstarre und gigantischen Abschreibungen auf den Kraftwerkspark, blasen die Konzernchefs nun zur Jagd auf neue Geschäftsfelder und Kunden.
Ob Marktführer E.On in Düsseldorf, der Branchenzweite RWE in Essen oder EnBW, die Richtung für die kommenden Jahre steht mehr oder weniger fest: der Einstieg in die dezentrale Energieversorgung, vom Gewerbe bis zur Wohnsiedlung, dazu Dienstleistungen zur effizienteren Energienutzung.
-Am weitesten prescht derzeit E.On vor. Konzernchef Johannes Teyssen hat erfolgreich begonnen, Minikraftwerke für Unternehmen und Beratung für Energieeffizienz ins Angebot zu nehmen, obwohl er anfangs dagegen war.
-RWE-Chef Peter Terium arbeitet am Aufbau virtueller Kraftwerke, indem er mittelständische Kunden miteinander vernetzt und ihnen so Strom sparen hilft.
-Und EnBW-Chef Mastiaux will mit Langzeit-Dienstleistungsverträgen ebenfalls mittelständische Unternehmen, aber auch Städte und Kommunen an sich binden.
-Der schwedische Staatskonzern Vattenfall, der in Ostdeutschland mit Braunkohleverstromung vertreten ist, mischt beim Geschäft mit dezentraler Energieerzeugung auch mit, hängt aber noch alten Atomtagen nach. So verweist der Konzern beim Thema Energieeffizienz immer noch stolz auf seinen schonenden Umgang mit Kühlwasser für AKWs.
Jenseits solchen Selbstlobs ist der Schwenk zu neuem Geschäft unübersehbar. Ob das aber jemals so viel einbringt, dass die Konzerne ihre alte Größe behalten können, ist die große Unbekannte. Zum einen haben die neuen Geschäftsfelder mit dem bisherigen Verkauf von Strom an Stadtwerke oder Großunternehmen so wenig zu tun wie eine Kraftwerksturbine mit dem Fahrraddynamo. Zum andern ist der Weg für die Stromkonzerne noch weit, auf diesem Feld Fuß zu fassen.





So werden in der Studie „Geschäftsmodell Energiewende“ des Fraunhofer-Instituts IWES vom Januar 2014 die einst kraftstrotzenden Stromkonzerne keines Wortes gewürdigt. Schließlich gibt es immer mehr Selbsterzeuger, die an den Versorgern vorbei ihren eigenen Strom produzieren.
Was da für die Konzerne übrig bleibt, ist völlig offen. Sicher ist nur: Für die großen vier gleicht die Hinwendung zu den neuen kleinteiligen Geschäften einer Verzweiflungstat, ohne die sie aber erst recht chancenlos wären.
Harter Wettbewerb um dezentrale Kraftwerke
Zumindest auf dem Papier klingen die Aussichten vielversprechend. Laut EnBW wird der europäische Markt für dezentrale Energieerzeugung im Jahr 2020 rund 80 Milliarden Euro betragen, heute sind es nur 20 Milliarden Euro. Aber anders als früher begeben sich die Stromkonzerne damit auf ein Feld, in dem harter Wettbewerb tobt. Nach einer Einschätzung von EnBW tummeln sich in Europa 500 Anbieter dezentraler Kraftwerke.
Nicht minder ausgeprägt ist schon jetzt auch der Run auf Dienstleistungen rund um den Stromverbrauch. Weltweite Giganten wie Google, Philips oder Deutsche Telekom haben das Geschäft entdeckt. Im Gegensatz zu E.On, RWE und EnBW sind diese Konkurrenten seit Jahren im KleinKlein-Geschäft mit dem Endkunden aktiv. „Wir sind nicht allein am Markt und jetzt sogar bereit, Klinken zu putzen“, sagt ein RWE-Manager.
Winziges Geschäft
Wie mühsam der Weg in die neue Detailwelt ist, zeigt Branchenführer E.On. Bereits 4000 dezentrale Kraftwerke haben die Düsseldorfer inzwischen errichtet. Das klingt nach Großtat. Unterm Strich kommen die Anlagen jedoch nur auf eine Gesamtleistung von 800 Megawatt. Das entspricht der Leistung gerade mal eines Steinkohlekraftwerks. Entsprechend winzig ist das Geschäft. Die eine Milliarde Euro, die E.On in der Zukunftssparte erwirtschaftet, betrug 2013 weniger als ein Prozent des Konzernumsatzes von zuletzt 122 Milliarden Euro.
Neuausrichtung - So steht es um die Energiekonzerne
Umsatzanteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung: 2,0 %
Gewinnanteil vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen: 15,0%
Installierte Minikraftwerke in Deutschland: 4000
Unterstützung des Neugeschäfts durch Vorstandschef¹: *
Kooperationen mit anderen Unternehmen: 135
¹3 Sterne = groß, 1 Stern = gering
(Stand: Juni 2014)
Umsatzanteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung: 1,7 %
Gewinnanteil vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen: 4,5%
Installierte Minikraftwerke in Deutschland: 1300
Unterstützung des Neugeschäfts durch Vorstandschef¹: **
Kooperationen mit anderen Unternehmen: 90
¹3 Sterne = groß, 1 Stern = gering
Umsatzanteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung: 2,3 %
Gewinnanteil vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen: 10,0%
Installierte Minikraftwerke in Deutschland: 205
Unterstützung des Neugeschäfts durch Vorstandschef¹: ***
Kooperationen mit anderen Unternehmen: 50
¹3 Sterne = groß, 1 Stern = gering
Umsatzanteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung: k.A.
Gewinnanteil vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen: k.A.
Installierte Minikraftwerke in Deutschland: k.A.
Unterstützung des Neugeschäfts durch Vorstandschef¹: *
Kooperationen mit anderen Unternehmen: 300
¹3 Sterne = groß, 1 Stern = gering
Zurzeit leiden E.On, RWE und Co. vor allem darunter, dass Unternehmen das Geschäft machen, deren Namen kaum jemand kennt, Ingenieurbüros wie NEK in Braunschweig oder 2G Energy, ein Hersteller von Minikraftwerken in Heek im nördlichen Ruhrgebiet. Die beiden entwickeln und bauen Minikraftwerke für VW.
Hier wollen nun auch die großen Versorger einsteigen, indem sie sich als Generalunternehmer anbieten. Das heißt, sie wollen dem Kunden eine komplette funktionsfähige Anlage am besten noch einschließlich Betrieb anbieten. Dabei würden die Riesen viele Teilarbeiten an Dritte vergeben, so ihre Idee, aber den Löwenanteil des Profits einstreichen. Diese Position müssen sie sich aber erst erkämpfen.
Der E.On-Gefechtsstand dazu befindet sich deutlich außerhalb der Konzernzentrale am Düsseldorfer Rheinufer, eine gute halbe Autostunde entfernt in der Ruhrgebietsstadt Essen. „E.On Connecting Energies“ steht auf dem Schild an dem kühlen Zweckbau direkt am Messegelände. Ein Shuttlebus steht bereit für Manager, die zum Rapport ins Hauptquartier in die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt müssen. Oben in der zehnten Etage residieren Ingo Luge, der für das Deutschland-Geschäft von E.On verantwortliche Geschäftsführer, und sein Leiter der dezentralen Energien, Robert Hienz.





Luge hat nur noch wenig gemeinsam mit der alten Mega- und Gigawatt-Fraktion bei E.On. Kühl analysiert er: „Die Kundennachfrage für die dezentrale Energie ist da. Wir sind Investor und suchen das Gespräch mit Handelsketten und mittelständischen Unternehmen.“ Und sein Adlatus Hienz sekundiert: „Der Kunde benötigt Beratung, wie er Energie sparen kann.“
Ausbruch mit neuen Ideen
Für E.On ist das ein Sinneswandel. Noch im Herbst vergangenen Jahres hatte Vorstandschef Johannes Teyssen die Betreiber eigener, dezentraler Energieanlagen wütend als „Schwarzbrenner“ gebrandmarkt, weil sie sich um die Ökostromumlage und die Netznutzungsgebühren drücken würden. Ins gleiche Horn stieß unlängst Manuel Frondel, Energieexperte des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen, indem er vor der Flucht aus der üblichen Stromversorgung über Großkraftwerke und Hochspannungsleitungen warnte: „Es besteht bei der Ausbreitung der dezentralen Energieversorgung die Gefahr einer Umverteilung von ärmeren Haushalten zu reicheren.“
Manager wie E.On-Deutschland-Chef Luge ficht derlei nur noch wenig an. Sein Kollege, EnBW-Innovationsmanager Huener, sagt ganz offen: „Wir müssen mit neuen Ideen ausbrechen aus dem alten Großkraftwerksdenken, auch wenn wir uns kurzfristig dadurch Nachteile einhandeln.“ Kannibalisierung des Stammgeschäfts, das ist für die beiden kein Schreckgespenst mehr, sondern künftig Geschäftsalltag. Und als ironisch-provokanter Seitenhieb auf E.On-Chef Teyssen sagt EnBW-Innovationsexperte Huener: „Ich bin ein Schwarzbrenner.“
Dienstleistungen rund ums Energiesparen bleiben gefragt
Grund für die geänderte Einstellung ist die Einsicht der großen Stromerzeuger in die vom Atomausstieg erzwungene Notwendigkeit. „Unser Neugeschäft kann niemals das wegbrechende Altgeschäft mit der flächendeckenden Stromversorgung durch Großkraftwerke ersetzen“, sagt Michael Stangel, bei RWE Leiter des „Segments B2B“. Die Abkürzung steht für das Geschäft von Unternehmen mit Unternehmen. Hier zielt RWE künftig auf mittelständische Kunden, die sich selbst mit Strom versorgen wollen.
Dass sich Deutschlands zweitgrößter Energiekonzern damit ins eigene Geschäft mit Strom schneidet, sieht B2B-Chef Stangel eher gelassen. „Wir kommen dem Autarkiegedanken vieler Mittelständler bewusst entgegen, indem wir ihnen Miniblockheizkraftwerke auf eigene Kosten installieren und diese dann über langlaufende Verträge an die Kunden verpachten.“
Dabei kalkulieren die Stromkonzerne damit, dass sie die Wertschöpfungskette verlängern und dadurch mehr verdienen können. E.On-Deutschland-Chef Luge etwa geht fest davon aus, dass der Kunde künftig auch „Beratung benötigt, wie er Strom sparen kann, und diese als wichtigste Dienstleistung des Energieunternehmens begreift“. Zweifel, dass die Stromverbraucher dies den jahrelangen Monopolisten glauben, gibt es in den Konzernen kaum. „Die Kunden nehmen uns ab, dass wir ihnen nicht möglichst viel Strom verkaufen wollen“, glaubt Uwe Fritz, Vertriebschef bei EnBW, es gehe um „Gesamtoptimierung“.
Chronik der Energiewende
Der von einem Erdbeben ausgelöste Tsunami überschwemmt und zerstört in Fukushima-Daini 250 Kilometer nordöstlich von Tokio Teile des Kernkraftwerks.
Die Bundesregierung ordnet an, sieben ältere Kernkraftwerke sofort vom Netz zu nehmen, die übrigen zehn Reaktoren kommen auf den Prüfstand.
Union und FDP einigen sich auf einen kompletten Ausstieg aus der Atomenergie bis 2022, die sieben älteren Meiler müssen endgültig stillgelegt werden.
Das Kabinett segnet das Atom- und Energiepaket ab und präsentiert die energie- und klimapolitischen Ziele bis 2050.
Die EU-Kommission reklamiert für sich Kompetenzen bei der Energiewende. Der Strommarkt müsse europäischer werden.
Angela Merkel fordert eine Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG): „Wenn die EEG-Umlage so weiter steigt, dann haben wir mit der Energiewende ein Problem.“
Um ihren neuen guten Willen unter Beweis zu stellen, legen sich die Stromkonzerne Aushängeschilder für ihr künftiges Geschäftsgebaren zu. So übernahm E.On im Herbst vergangenen Jahres das britische Beratungsunternehmen Matrix. Der Umsatz der Experten für Energiesparlösungen liegt bei 60 Millionen Euro, eine Größe, mit der sich früher die deutschen Energiekonzerne kaum abgegeben haben. Jetzt wird genauer hingeguckt, denn Matrix berät Großverbraucher, wie sie durch eine intelligentere Steuerung der Stromversorgung ihre Energiekosten senken können.
Modell Metro
Die Neukunden, die E.On durch die Übernahme von Matrix in Großbritannien gewonnen hat, zählen zu den angesehensten Wirtschaftsadressen auf der Insel. Der Einzelhändler Marks & Spencer mit seinen 798 britischen Filialen gehört dazu, Wettbewerber Tesco, der Telekommunikationsnetzbetreiber Virgin Media, Konkurrent British Telecom, der US-Softwarekonzern Oracle und das Medienunternehmen Bloomberg. Insgesamt 31.000 Firmenstandorte hat Matrix mit seiner IT-basierten Stromverbrauchsdiagnose unter Vertrag.
Damit begibt sich E.On auf einen Markt, in den etwa auch die Deutsche Telekom drängt. Der Bonner Konzern zielt mit seiner Kommunikationstechnik auf das Energiesteuerungs- und -abrechnungsgeschäft und will dort bereits 2015 einen Umsatz von einer Milliarde Euro erzielen. Und auch Google sieht im Zusammenwirken von Internet, Stromzähler und Steuerungsgerät einen neuen Markt für das „Smart Home“, also für Überwachung sowie Fernsteuerung von Licht und Temperatur. Aus diesem Grund erwarb der Internet-Riese 2013 das US-Unternehmen Nest, einen Hersteller von Rauchmeldern.





Neue Tauschgeschäfte
Ob die Stromkonzerne sich mit Google und Telekom um jeden Privathaushalt streiten werden, ist allerdings fraglich. „Großes Geschäft wird immer noch mit Großkunden gemacht“, sagt ein E.On-Kraftwerksmanager, der dem neuen, kleinteiligen Dienstleistungstrend immer noch nicht so ganz traut. Ein Vertrag, den E.On vor einem Jahr mit der Handelsgruppe Metro geschlossen hat, soll dabei Modellcharakter haben: E.On errichtet zunächst an zwei deutschen und zwei russischen Metro-Märkten gasbetriebene Blockheizkraftwerke. Die Läden werden damit sowohl beheizt als auch mit Strom versorgt. E.On plant, finanziert, baut und wartet die Minikraftwerke und tritt als Generalunternehmer auf.
Im Wettbewerb um solche sogenannten Contracting-Projekte sehen sich die Stromriesen im Vorteil gegenüber mittelständischen Konkurrenten, weil sie mit ihrer Finanzkraft punkten können. So preist RWE-Geschäftskunden-Chef Stangel vor allem seinen langen Atem. „Wir bieten bei unserem Contracting-Angebot Pachtverträge über 18 Jahre an, in denen ein festes Pachtgeld vereinbart wird, das an die Ersparnis am Stromverbrauch gekoppelt ist.“ Für die Installation, den Betrieb, die Wartung und die Versicherung dieser Anlagen schaltet RWE meist örtliche Installateure ein. „Wir verfügen über ein ausgedehntes Handwerker-Netzwerk“, sagt Stangel.
Die Fantasie der Großstromer kennt keine Grenzen
Zugleich nutzt RWE die bisherige Expertise im Großkraftwerksgeschäft, indem der Konzern die einzelnen Minikraftwerke in einer Region vernetzt. So haben die Essener im Münsterland gut 400 Kleinkraftwerke in mittelständischen Betrieben zu einem „virtuellen Kraftwerk“ verbunden. Wenn nötig kann ein höherer Strombedarf in einem Unternehmen von einem unausgelasteten Kraftwerk eines anderen gedeckt werden. „Innerhalb des Netzwerkes können die Kunden voneinander lernen, wie Stromkosten eingespart werden können“, sagt Stangel.
Im Kampf um den Kunden kennt die Fantasie der Großstromer offenbar keine Grenzen mehr. So macht RWE neuerdings etwas nach, was die Strommanager allem Anschein nach bei ProSiebenSat.1 abgeschaut haben: Der Fernsehsender bietet jungen Internet-Firmen an, Werbung zu schalten, und bekommt dafür zum Beispiele Anteile an dem Start-up. Eine ähnliche Kooperation ist RWE mit dem Internet-Portal ImmoScout eingegangen. Ziehen Haushaltskunden in ein anderes Bundesland, wechseln sie damit meist den Stromversorger. Um dem entgegenzuwirken, wirbt RWE kostenlos in dem Maklerportal für günstige Stromtarife. Im Gegenzug darf ImmoScout bei RWE in den konzerneigenen Mitarbeiterpublikationen mit einer Gesamtauflage von 3,4 Millionen Exemplaren zum Nulltarif inserieren. „Solche Tauschgeschäfte waren für uns bisher neu“, sagt ein RWE-Manager.
Straßenlaternen mit Bewegungsmelder
Dass diese Art von Beweglichkeit und die neue Dienstleistungsorientierung nicht nur bei Contracting-Kunden stehen bleibt, sondern auch Aktionäre erfreuen soll, zeigt EnBW. Der Konzern gehört zu je 46 Prozent dem Land Baden-Württemberg und den oberschwäbischen Kommunen. Um die Gemeinden von Ausgaben zu entlasten und die mächtigen Landräte von der Innovationskraft des Stromkonzerns zu überzeugen, bietet EnBW nun den Kommunen Energieberatung an, zum Beispiel bei der Beleuchtung von Straßen und Plätzen.

So stellte Konzernchef Mastiaux im April bei der Hauptversammlung in Karlsruhe stolz eine neue Straßenlaterne mit integrierter Notrufsäule und Bewegungsmelder vor. Der schaltet die Lampe erst dann an, wenn des Nachts ein Passant vorbeigeht. Dadurch würden die Stromkosten einer Kleinstadt um gut 20 Prozent sinken, lobt ein EnBW-Manager die Idee.
Erste Fehlschläge
Auf solche Einfälle kommen auch andere. So stellte am vorvorigen Freitag der niederländische Elektrogerätehersteller Philips eine Kooperation mit der Nordseeinsel Sylt vor. Das Jetset-Eiland soll künftig zusammen mit Philips flächendeckend und bei Bedarf mehrfarbig illuminiert werden.
Dass es auch Fehleinschätzungen geben kann, zeigt das Beispiel Volkswagen. Europas größter Autobauer war vor fünf Jahren eine Kooperation mit dem Hamburger Ökostromanbieter Lichtblick beim Bau von Miniblockheizkraftwerken eingegangen, diese stellt VW in Salzgitter her. Es sollte eine „Revolution am Strommarkt“ werden. Bis 2018 wollte Lichtblick 100.000 Miniblockheizkraftwerke in deutschen Wohn- und Geschäftshäusern installieren, die dort Strom und Wärme erzeugen sollten. Geplant war, die Anlagen mit einer Software (interner Arbeitstitel: „Schwarmenergie“) zu vernetzen.
Doch Lichtblick verkaufte angeblich zu wenig Zuhause-Kraftwerke. VW schlug eine andere, „nachgebesserte“ Geschäftsbeziehung vor. Für Lichtblick drohte das Geschäft unwirtschaftlich zu werden. Als nach der jüngsten Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes die vollständige Umlagebefreiung bei Eigenstromerzeugung wegfiel, wurden nach Einschätzung von Insidern die Geschäftsaussichten der Kooperation schlechter. VW und Lichtblick stoppten die Zusammenarbeit.
Ähnliches befürchten nun die großen Stromversorger auf ihrem Weg in neue Märkte. Denn künftig will Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel den bisher freien Eigenstromverbrauch mit 40 Prozent der Ökostromumlage belasten, rund 2,5 Cent pro Kilowattstunde. „Das wäre das Eigentor der Energiepolitik“, sagt ein Manager eines großen Stromversorgers.